Aktienprofi Thomas Grüner rät Ruhe bewahren - und über Öl, Gold und China nachdenken


Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.
Turbulenzen in China sorgen schon in den ersten Handelstagen des Jahres für eine ordentliche Katerstimmung an der Börse. Der deutsche Leitindex Dax kommt miserabel aus den Startlöchern und Anleger stellen sich die Frage: Ist der schlechte Start ein böses Omen für das gesamte Börsenjahr 2016?
Nein - denn die Aussagekraft von wenigen Handelstagen ist praktisch Null und lässt keine Rückschlüsse auf die Entwicklung des gesamten Jahres zu. Auch im vorangegangenen Jahr legte der Dax einen holprigen Start hin - um das erste Quartal dennoch mit einem positiven Rekordergebnis zu beenden.
Der ungeliebte Bullenmarkt versucht gleich zu Beginn des Jahres 2016 einmal mehr, Anleger zu unüberlegten Handlungen zu verleiten.
Ölpreis

Auch der Ölpreis kommt 2016 nicht aus den Startlöchern. Bereits seit Mitte 2014 ist ein stetiger Abwärtstrend intakt und die gängige Nordseesorte Brent Crude Oil hat mit dem jüngsten Preis von etwa 35 US-Dollar pro Barrel ein 7-Jahrestief erreicht.
Der Gründe für diesen Preisverfall liegen zum einen beim Schiefergas-Boom in den USA und der daraufhin zunehmenden Rohstoffunabhängigkeit der Vereinigten Staaten. Zum anderen hat sich die OPEC unter der Führung Saudi-Arabiens beharrlich darauf festgelegt, die Förderquote nicht zu verringern, um ihren Marktanteil zu halten und die teureren Schiefergaskonkurrenten in die Knie zu zwingen.
Ob der Ölpreis nun seinen Boden gefunden hat, ist noch nicht klar. Allerdings ist es ebenso unwahrscheinlich, dass schnell wieder alte Höhen von 60-70 US-Dollar erreicht werden, sofern große geopolitische Risiken am Persischen Golf ausbleiben. An der Zapfsäule können die Kunden allerdings nicht vom aktuellen Literpreis Rohöl von 20 Euro-Cent profitieren. Bei einem Liter Benzin von 1,25 Euro behält der Fiskus etwa 84 Euro-Cent ein.
Wenn schon die Autofahrer kaum vom günstigen Ölpreis partizipieren können, dann ist das aktuelle Marktniveau immerhin für Käufer von Ölwerten interessant. Werte wie BP oder Royal Dutch Shell bieten Aufwärtspotential und schütten mit einer Dividendenrendite von 7-8 Prozent relativ viele Gewinne aus.
Gold

Während Aktienindizes auf breiter Front schwächeln, beginnt das Jahr 2016 vielversprechend für den Goldpreis. Erstmals seit Anfang November kann die Marke von 1100 US-Dollar pro Feinunze wieder überschritten werden. Gold als einer der wenigen Profiteure in 2016 - ist der "sichere Hafen" zurück?
Auch beim Goldpreis sollte man die Aussagekraft weniger Handelstage nicht überbewerten: Der Absturz zum Allzeithoch im September 2011 beträgt immer noch mehr als 40 Prozent. Die Entwicklung der letzten Tage wiegt die Enttäuschung zahlreicher Anleger sicherlich nicht auf. Denn Gold hat in den letzten Jahren sämtliche Eigenschaften eines "sicheren Hafens" und einer "Absicherung" vermissen lassen. 2016 hat nun aber zumindest angedeutet, was Gold sein kann: Eine zusätzliche Möglichkeit zur Diversifikation. Bemerkenswert ist das Lebenszeichen von Gold deshalb allemal.
Automobilwerte

Das Jahr 2016 könnte für die weltweiten Automobilhersteller zu einer Belastungsprobe werden. Zwar steigen die Absatzzahlen in Europa (gerade auch in den südlichen Staaten der Eurozone) und in den Vereinigten Staaten stabilisiert sich der Absatz, jedoch der mit Abstand wichtigste Markt für Kraftfahrzeuge ist mittlerweile China. Dort werden aktuell mehr Autos verkauft als in den USA und in der Eurozone zusammen.
Sowohl Massen- als auch Premiumhersteller haben in den vergangen Jahren auf die dortige rasant steigende Nachfrage reagiert und ihre Kapazitäten deutlich ausgebaut. Was passiert jedoch mit den chinesischen Autokäufern angesichts der Turbulenzen an den Börsen in Shanghai und Shenzhen?
Der wachsende chinesische Mittelstand, der durch die Regierung in den heimischen Kapitalmarkt fast schon gedrängt wurde, muss nun die herben Vermögensverluste verkraften und wird wohl nicht so konsumfreudig wie bisher die Nachfrage nach Automobilen anheizen.
Deswegen befinden sich viele Autobauer schon seit dem vergangen Sommer im Abwärtstrend - auch unabhängig von hausgemachten Problemen wie bei VW - und auch 2016 dürfte diese Branche vor einigen Herausforderungen stehen.
China

Nachdem der chinesische Aktienmarkt im Juni letzten Jahres stark eingebrochen ist, hat die Führung Chinas beschlossen, Sicherheitsmechanismen einzuführen, um die Börse zu stabilisieren. Doch bereits zu Jahresbeginn wurden diese Mechanismen auf eine harte Probe gestellt und versagten - statt Stabilität an den Märkten herrscht nun Chaos.

Güldene 36-Meter hohe Mao-Statue in China: Ob es der chinesischen Führung durch weitere Regulierung gelingen wird, den Markt unter Kontrolle zu behalten, ist fraglich
Foto: CHINA STRINGER NETWORK/ REUTERSDer Börsencrash begann, als schwache konjunkturelle Daten aus dem Reich der Mitte veröffentlicht wurden. Als Konsequenz brach der chinesische Leitindex um etwa sieben Prozent ein. An dieser Stelle griff bereits die chinesische Marktregulierung ein. Diese beinhaltet unter anderem, dass der Handel für 15 Minuten unterbrochen wird, sobald die Börse mehr als fünf Prozent verliert und für den Rest des Tages ausgesetzt wird, wenn die Börse um mehr als sieben Prozent fällt.
Die Führung in China begegnete dem mit einer Abwertung der Landeswährung Yuan und löste damit an den Finanzmärkten die Sorgen vor einem virtuellen Handelskrieg aus. Anleger wiederum flüchteten erneut aus chinesischen Aktien und brachten die Börsen in Shanghai und Shenzhen abermals zum Ziehen der Notbremse. Nachdem nun Panik am chinesischen Aktienmarkt herrscht und diese die globalen Aktienmärkte erschüttert, verkündete die chinesische Börsenaufsicht, den Handel künftig bei Kursschwankungen nicht mehr automatisch auszusetzen.
Ob es der chinesischen Führung durch weitere Regulierung gelingen wird, den Markt unter Kontrolle zu behalten, ist fraglich. Sicher hingegen ist, dass das Vertrauen der Anleger in den chinesischen Markt deutlich erschüttert ist.