Verluste an der Börse EZB-Zinssignale verstärken Druck auf Aktien

Aktienhändler in Frankfurt: Der Dax verliert 1,71 Prozent
Foto: Arne Dedert / dpaDie neuesten geldpolitischen Signale der Europäischen Zentralbank (EZB) haben am Donnerstag die Anleger eingeschüchtert. Der Dax sank um 1,71 Prozent auf 14.199 Punkte. Der MDax fiel mit einem Abschlag von 1,75 Prozent auf 29.650 Punkte unter die Marke von 30.000 Zählern.
Aktuell bleibt das Zinsniveau in der Eurozone zwar noch unverändert, im Juli will die EZB aber erstmals seit elf Jahren den Zins wieder anheben und zwar um 0,25 Prozentpunkte. Im September könnte ein noch größerer Zinsschritt folgen. Die Rekordteuerung bringt die Währungshüter im Euroraum zum Gegensteuern. Die Prognose für die Inflation für das laufende Jahr erhöhte die EZB auf 6,8 Prozent, gleichzeitig senkte sie die Annahme für das Wirtschaftswachstum im Euroraum. Diese Revisionen hätten einige wohl doch etwas überrascht, hieß es aus dem Handel.
Auch befürchten Experten, dass unterschiedlich stark steigende Renditen in den einzelnen Euroraum-Ländern zu einem Problem werden könnten. Die Finanzierungsbedingungen klafften dadurch immer weiter auseinander, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets und erinnerte an die Eurokrise.
Wachstumswerte unter Druck
Angesichts der Zinsperspektiven standen einmal mehr Wachstumswerte aus der europäischen Technologiebranche unter Druck. Die Titel des Chipkonzerns Infineon verloren 3,4 Prozent. Besonders stark traf es auch wieder die schwankungsreichen Titel der Internet-Konzerne aus dem Dax: Zalando und Hellofresh büßten 8,5 beziehungsweise 7,7 Prozent ein, Delivery Hero schlossen 4,9 Prozent tiefer. Die im SDax notierten Aktien von About You fielen um 9,1 Prozent.
Verluste von 5,6 Prozent mussten die Anleger von Hochtief einstecken. Der Baukonzern beschafft sich mit neuen Aktien frisches Geld für die vollständige Übernahme der australischen Tochter Cimic . Damit wird der Gewinn für die Alteigentümer verwässert.
Zu den positiven Erscheinungen am Markt zählten die an der MDax-Spitze 4,2 Prozent höheren Beiersdorf-Papiere. Für Schwung sorgten optimistische Umsatzsignale des Konsumgüterkonzerns, der demnächst wieder im Dax vertreten sein wird.
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Anleger an der Wall Street weiter sorgenvoll
Zins- und Inflationssorgen haben die US-Börsen am Donnerstag belastet. In New York stand der Leitindex Dow Jones Industrial zum Börsenschluss in Europa ein halbes Prozent tiefer. Auch der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,6 Prozent, der Index der Technologiebörse Nasdaq gab 0,5 Prozent nach.
Investoren fürchten, dass die anhaltend hohe Teuerung die US-Notenbank Fed veranlassen dürfte, die Zinsen schneller und stärker anzuheben als ursprünglich erwartet. "Wir werden keine robuste Erholung des Marktes erleben, bis das Gefühl besteht, dass der Inflationsdruck nachlässt, da dies darauf hindeuten würde, dass sich die Fed in die richtige Richtung bewegt hat und die Schwächung der Wirtschaft nicht drastisch war", sagte Quincy Krosby von LPL Financial.
Finanzwerte fallen
Zinsabhängige wachstumsstarke Unternehmen zählten an der Wall Street zu den größten Verlierern. So fielen Finanzwerte um 1,7 Prozent. Die Papiere der Bank of America gaben 2,5 Prozent nach, Aktien von Apple und Amazon um bis zu 1,3 Prozent.
Aktien von US-Casinobetreibern gingen in die Knie, nachdem China der Branche neue Corona-Beschränkungen auferlegt hat. Papiere von Wynn Resorts, Las Vegas Sands, MGM Resorts und Melco Resorts verloren zwischen 3 und 5,6 Prozent. Einwohner des Bezirks Minhang in Shanghai wurden angewiesen, zwei Tage zu Hause zu bleiben, um das Risiko der Übertragung des Coronavirus einzudämmen.
Tesla legt zu
Am amerikanischen Aktienmarkt waren die Papiere von Tesla gefragt. Sie zogen um 2,6 Prozent an. Der E-Autobauer hat im Mai wieder mehr in China hergestellte Fahrzeuge verkauft, nachdem die Produktion im April durch die dortigen Corona-Lockdowns stark beeinträchtigt gewesen war.
Übernahmespekulationen trieben den Kurs von NXP Semi. Die in den USA notierten Aktien des niederländischen Chipherstellers kletterten um mehr als 7 Prozent. Einem asiatischen Medienbericht zufolge führt ein hochrangiger Manager des südkoreanischen Elektronikriesen Samsung während seiner Europa-Reise vom 7. bis 19. Juni Gespräche zu möglichen M&A-Deals.
Trotz der wiedererwachten Hoffnung auf einen Börsengang des Finanzdienstleisters Ant Group gaben die Aktien von Alibaba nach. Die in den USA notierten Papiere des chinesischen Online-Händlers, dessen Gründer Jack Ma Ant kontrolliert, fielen um mehr als 7 Prozent. Das bei der chinesischen Aufsicht in Ungnade gefallene Fintech hat Insidern zufolge grünes Licht für eine Wiederbelebung seiner Börsenpläne bekommen.
Bitcoin knapp über 30.000 Dollar
Der Bitcoin notierte am Abend auf Bitstamp bei rund 30.220 US-Dollar und damit nur wenig tiefer als am Abend zuvor. Die weltweit bekannteste Kryptowährung ist seit Jahresbeginn unter Druck. Im November vergangenen Jahres erreichte der Bitcoin ein Rekordhoch von 69.000 US-Dollar.
Bitcoin
Ölpreise leicht gesunken
Die Ölpreise haben am Donnerstag in einem über weite Strecken richtungslosen Handel leicht nachgegeben. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,40 US-Dollar. Das waren 18 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 43 Cent auf 121,68 Dollar.
Marktbeobachter verwiesen auf Meldungen aus China. In der wichtigen Wirtschaftsmetropole Shanghai bleibt die Corona-Lage trotz jüngsten Lockerungen weiter angespannt. Die Behörden der chinesischen Metropole haben am Donnerstag einen neuen Massentest angeordnet. Am Ölmarkt werden neue Maßnahmen befürchtet, was eine zusätzliche Belastung für Chinas Wirtschaft wäre und eine geringere Ölnachfrage nach sich ziehen dürfte.
Am Morgen hatten die Ölpreise noch etwas zugelegt und sich damit in der Nähe der dreimonatigen Höchststände gehalten, die am Vortag erreicht worden waren. Seit Jahresbeginn sind die Preise um mehr als die Hälfte nach oben geklettert. Hauptgründe sind die Invasion Russlands in der Ukraine und scharfe Sanktionen vornehmlich westlicher Länder. Russland ist einer der größten Förderer von Rohöl weltweit, hat sanktionsbedingt aber Probleme, Abnehmer für sein Öl zu finden.