Turbulenzen an der Börse Der Grund für den nächsten Kursrutsch ist schon gefunden

Bär statt Bulle: Nach dem Rekordhoch im Januar rechnen viele Marktteilnehmer mittelfristig mit fallenden Kursen
Foto: Frank Rumpenhorst/ picture-alliance/ dpaOptimistische Anleger scheinen zurzeit guten Grund zur Zuversicht zu haben: Zwar ging es mit dem Leitindex Dax an der Börse von Januar bis Ende März zunächst um mehr als 13 Prozent abwärts. Inzwischen haben sich die Kurse jedoch wieder um rund 6 Prozent erholt. Ist also die Korrekturphase am Aktienmarkt bereits ausgestanden, steigen die Kurse nun wieder längerfristig?
Vorsicht erscheint angebracht. Einerseits ist noch nicht klar, wie sich der Handelskonflikt zwischen den USA und dem Rest der Welt - zuletzt vor allem China - weiter entwickeln wird. Viele Beobachter werten den dauernden Austausch von Drohungen und Ankündigungen zwar als Säbelrasseln. Das Thema hat die Börsen aber schon in den vergangenen Wochen belastet - gut möglich, dass es dabei noch eine Weile bleiben wird.
Was jedoch womöglich noch schwerer wiegt: Auch die konjunkturelle Gesamtlage, die ja letztlich auf lange Sicht die entscheidende Basis der Börsenentwicklung darstellt, verschlechtert sich Experten zufolge zusehends.

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Harald Preißler etwa, Leiter des Anlagemanagements beim Investmenthaus Bantleon, verweist auf verschiedene Parameter, die die Eintrübung der Konjunktur bereits seit einiger Zeit anzeigen. Schon seit Ende 2017 beispielsweise haben die richtungsweisenden Geschäftsklima- und Einkaufsmanagerindikatoren weltweit an Höhe verloren, so Preißler. Zudem sprächen auch die hauseigenen Frühindikatoren von Bantleon für eine Konjunkturabkühlung, die sich bis ins Frühjahr 2019 hineinziehen könne.
Als treibende Kräfte hinter der Entwicklung hat Preißler vor allem das rückläufige Geldmengenwachstum, steigende Zinsen und Rohstoffpreise sowie stärkeren Inflationsdruck ausgemacht.
Weil die Wirtschaft von Seiten der Zentralbanken nicht mehr viel Unterstützung zu erwarten habe, werde das Wachstum auf das Jahr gerechnet von 3 Prozent auf 2 Prozent sinken, meint der Bantleon-Experte. "All diese Faktoren zusammen erzeugen starken Gegenwind, der sogar die Trump'sche Steuerreform in Vergessenheit geraten lässt", so Preißler. Seine Prognose daher: In den kommenden Monaten müssen sich Aktienanleger durchaus noch auf nennenswerte Kurseinbußen einrichten.
Mit dem Ausblick dürfte sich der Investmentprofi bei Börsianern nicht viele Freunde machen. Doch Preißler steht mit seiner pessimistischen Einschätzung keineswegs alleine dar. Volkswirt und manager magazin online-Gastautor Daniel Stelter rät bereits seit Monaten, das Aktienrisiko im Depot abzubauen - und hat diesen Ratschlag auch nach den Kursverlusten seit Januar just in dieser Woche noch einmal bekräftigt.
Warnzeichen von der Konjunktur

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Der amerikanische Hedgefonds Bridgewater Associates sorgt ebenfalls seit Wochen für Schlagzeilen, weil er Milliarden auf fallende Aktienkurse in Europa und Deutschland gesetzt hat. Zuletzt hat Bridgewater-Gründer und Chefanleger Ray Dalio seine Short-Positionen auf Dax-Werte allerdings ein signifikantes Stück zurückgefahren.
"Noch dominiert die Politik die Märkte - ökonomische Folgen rücken aber in den Fokus", sagt auch Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers. "Je länger sich die politischen Konflikte, allen voran in Sachen Handel, hinziehen, desto mehr trübt sich das bisher gute Konjunkturbild ein." Für die Börsen erwartet er daher vorerst maximal eine Seitwärtsbewegung.
Zudem befindet sich auch Didier Saint-Georges, Mitglied des Investment-Komitees beim französischen Finanzhaus Carmignac, auf einer Linie mit Bantleon-Fachmann Preißler und anderen Skeptikern. Saint-Georges schrieb zuletzt in einem Marktkommentar: "Keiner der jüngst veröffentlichten Frühindikatoren widersprechen derzeit unseren Erwartungen, wonach Anleger bald vom geringer als erwarteten Wirtschaftswachstum enttäuscht werden könnten."
Die Realwirtschaft verliere ihr Momentum, so Saint-Georges, und das könne durch den Handelskonflikt zwischen den USA und China noch verstärkt werden. Auch der Franzose verweist auf die mittlerweile eher zurückhaltende Geldpolitik der Notenbanken, die die Aktienmärkte destabilisiere und die Zinsstrukturkurve beeinträchtige.
Daneben spielt die Schwäche des US-Dollar nach Ansicht Saint-Georges eine Rolle. Den Aktien- und Anleihenmärkten in den Schwellenländern habe diese Wechselkursentwicklung zwar gutgetan, glaubt er. Für die europäischen Märkte ergäben sich jedoch "weniger Handlungsspielräume".
Will sagen: Je stärker im Umkehrschluss der Euro, desto trüber die Geschäftsaussichten der exportorientierten Unternehmen in der Euro-Zone. Weil die deutsche Wirtschaft traditionell stark von Ausfuhren in alle Welt abhängt, trifft sie dieser Zusammenhang besonders empfindlich.
Was bedeutet das alles nun aus Sicht der Anleger? Bei den Aussagen der Fachleute handelt es sich nüchtern betrachtet um nicht mehr als schlichte Prognosen, und diese sind speziell im wirtschaftlichen Umfeld stets mit Vorsicht zu genießen. Selbstverständlich kann die Entwicklung in der Realität jeder Zeit eine vollkommen andere Richtung einschlagen.
Allerdings haben insbesondere Investmenthäuser wie Bantleon bereits viel Erfahrung im Umgang mit Frühindikatoren und deren Einsatz im Investmentgeschäft. Die Warnungen einfach in den Wind zu schlagen, wäre aus Sicht von Anlegern also vermutlich die falsche Reaktion.
Sicher erscheint vielmehr: Wer sich aktuell in Bezug auf den Aktienmarkt eher vorsichtig positioniert, macht damit wohl kaum etwas falsch.