Börsenprofi Robert Halver erklärt Sind Aktien inzwischen zu teuer?
Die Gretchenfrage: Sind Aktien überbewertet?

Unter normalen Bedingungen sind Aktien teuer, zu teuer. Die Aktienmärkte der Eurozone und Deutschlands koppeln sich immer mehr von der volkswirtschaftlichen Wirtschaftsleistung ab und auch die Bewertung nach Kurs-Gewinn-Verhältnissen sind mehr als sportlich. Ist dies ein Zeichen, dass der Aktienmarkt in Kürze einbrechen wird?
Tatsächlich haben bereits hohe Bewertungsniveaus in der Zeit von Dot Com- und Immobilienblase zu anschließenden heftigen Rückschlägen geführt. Jedoch sorgt die freizügige Geldpolitik mittlerweile im neunten Jahr für großen Anlagebedarf bzw. mit Blick auf unattraktive Zinsanlagen für Anlagenotstand, der in nachhaltig stabilen Aktien eine neue Normalität findet. Sprich: Viele Sparer kaufen Aktien aus Mangel an Alternativen.
Solange die Notenbanken keine nachhaltige Zinserhöhungsphase wie die EZB zwischen 2005 und 2008 durchführen, spricht abgesehen von zwischenzeitlichen kleineren Rücksetzern - die nach der Hausse sicherlich gesund wären - nichts für markante Aktieneinbrüche. Dieses Bild wird selbst von der US-Notenbank nicht getrübt: Nach Inflation haben wir es in Amerika seit Mitte 2015 sogar mit realen Zinssenkungen zu tun.
Brexit: Die Britanic sticht in See, der Eisberg ist noch nicht in Sicht

Nach Einreichung des britischen EU-Scheidungsantrags stehen nun zermürbende Verhandlungen mit der EU bevor. Einerseits kann Brüssel den Briten keinen guten vor allem handelspolitischen Deal anbieten, der ihren Austritt noch belohnte und andere EU-Ländern zu unerwünschten Nachahmeffekten animierte. Andererseits wird Premierministerin May den Briten kein Austrittsergebnis mit markanten Wohlstandseinbußen präsentieren wollen, das über das Ausscheiden Schottlands zu einem Zerfall des Vereinigten Königreichs führen könnte.
Insofern ist in puncto Brexit von einem ungeregelten Austritt bis zum Verbleib des Landes in der EU alles möglich. Die heraufziehenden Scheidungsturbulenzen lassen britische Aktien derzeit noch kalt. Ein exportfreundlich schwaches britisches Pfund unterstützt Aktienindexstände des Noch-EU-Landes nahe Rekordhoch zusätzlich. Am Horizont signalisiert eine ins Stocken geratene britische Industriestimmung jedoch erstes wirtschaftspolitisches Enttäuschungspotenzial für Aktien.
Der ifo Index lügt nicht: Deutsche Aktien mit Steherqualitäten

Handelsprotektionismus unter US-Präsident Trump bleibt zwar eine Gefahr. Doch schon bei der gescheiterten Rückabwicklung von Obamacare zeigte sich, dass das republikanisch dominierte Parlament durchaus ein politisches Eigenleben führt. Das nährt die Erwartung, dass drohende Handelsbeschränkungen im Kongress abgemildert werden, zumal die republikanischen Wirtschaftsexperten die Bedeutung des Exports für die US-Volkswirtschaft betonen. Damit könnten gleichzeitig deutsche Exportunternehmen durchatmen.
Längerfristig werden sie bei Investitionen in Amerika sogar aus der Wirtschaftsoffensive Trumps Nutzen ziehen. Und da sie ihren Sitz in Deutschland haben, kommen nicht zuletzt auch deutsche Aktienindices in den Genuss ihres Unternehmenserfolgs. Tatsächlich signalisiert das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland gemäß ifo Geschäftserwartungen eine Konjunkturbefestigung sowie Gewinnerholung bei deutschen Unternehmen. Der deutsche Aktienmarkt bekommt fundamentale Stärke.
Euro-Stärke: Von der Dollar-Parität weit entfernt

Mit steigenden Netto-Long-Positionen an den Terminmärkten spekulieren Devisenanleger kurzfristig auf eine Euro-, keine Dollar-Befestigung. In der Tat, am europäischen Devisenmarkt haben politische Risiken an Drohpotenzial verloren. Wie in den Niederlanden geht man auch in Frankreich von keinem EU-unfreundlichen Wahlergebnis aus. Daneben hält sich der Aufwertungsdruck des US-Dollars aufgrund einer erst 2018 in Kraft tretenden Senkung der Unternehmenssteuern in Grenzen.
Damit bleiben Billionen-schwere Rückführungen von Auslandskapital der US-Firmen zunächst aus. Ebenso ist der homöopathischste Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank aller Zeiten kein Dollar-Treiber. Allerdings zeigt die Vergangenheit, dass Republikaner die Reihen schließen, wenn es um nationale Wirtschaftsinteressen geht. Zu Standortverbesserungen über die Steuerseite wird es langfristig kommen. Nach zwischenzeitlich volatilen Währungsbewegungen dürfte sich der Euro-USD-Wechselkurs im weiteren Jahresverlauf 2017 um 1,04 einpendeln. Die Parität ist 2017 nicht zu erwarten.
Gold: Kurzfristige Rendite ist nicht wichtig

Die umsetzungsschwierigen Wirtschaftsreformen Trumps hemmen die Hoffnung auf eine zügige Beflügelung der US-Konjunktur. In der Konsequenz ist der Renditeanstieg am US-Anleihemarkt abgeebbt und hat diese größte konkurrierende Anlageklasse zu Edelmetallen an Attraktivität verloren. Und da die Rohstoffpreise vorerst ihren Zenit erreicht haben, die Inflation also wieder nachgeben wird - wie zurzeit in Deutschland zu beobachten - sehen sich gleichzeitig die Notenbanken nicht in der Verpflichtung, geldpolitisch restriktiv und damit für den Goldpreis schädlich zu handeln.
Allerdings werden sie ihrer bisherigen Praxis weiter treu bleiben und einen deutlichen Anstieg des Goldpreises unterbinden, der die fortgesetzte Rettung der Finanzwelt mit Zentralbankgeld untergraben würde. Dennoch bleibt mit Blick auf diverse politische und Stabilitätsrisiken der Besitz von Gold als sicherem Hafen anzuraten. Tatsächlich bleibt die physische Nachfrage weltweit robust.