Börse "Eine Woche des Erschreckens liegt hinter uns"

Der deutsche Aktienmarkt kam in einer turbulenten Woche auch am Freitag nicht zur Ruhe. Nach einem erneuten Kursrutsch beträgt der Wochenverlust beim Dax 4,3 Prozent. Auch in den USA fallen die Kurse – ein Investor berichtet, dass die Bank of America am Montag die zusammengebrochene Signature Bank übernehmen könnte.
Abwärts: Am Ende einer turbulenten Börsenwoche

Abwärts: Am Ende einer turbulenten Börsenwoche

Foto: STAFF / REUTERS

Die Turbulenzen im Bankensektor haben den deutschen Aktienmarkt am Freitag nicht losgelassen. Der Dax  schloss 1,3 Prozent schwächer bei 14.768 Punkten. Damit verlor der Leitindex auf Wochensicht 4,3 Prozent – die schwärzeste Börsenwoche seit Juni 2022. Die Wochenverluste bei den Aktien der Deutschen Bank und der Commerzbank lagen bei 12,5 und 19,5 Prozent. Der MDax verbuchte am Freitag sogar einen Abschlag von 2,2 Prozent auf 26.447 Zähler. Der EuroStoxx 50 verlor 1,3 Prozent auf 4065 Punkte.

Vor dem Zinsentscheid der US-Notenbank Fed am Mittwoch dürften die Anleger am deutschen Aktienmarkt angespannt bleiben. "Eine Woche des Erschreckens an den Finanzmärkten liegt hinter uns", kommentierte Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater mit Blick auf den Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die Credit Suisse. Das Bankenthema dürfte die Investoren noch eine Weile beschäftigen, kommentierte Analyst Jochen Stanzl von CMC Markets.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte sich am Donnerstag nicht von ihrem geldpolitischen Kurs abbringen lassen und erhöhte den Leitzins erneut um 0,5 Prozentpunkte. Allerdings legte sich die Notenbank nicht auf weitere Zinserhöhungen fest. "Alles in allem hat es den Anschein, dass die Währungshüter sich eher in Zurückhaltung üben könnten und das Zinstempo reduzieren", schrieb Analyst Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen.

Rund ein Jahr, nachdem die Fed ihre Leitzinswende gestartet hatte, könnte auch bei der US-Notenbank ein Umdenken einsetzen. "Die Börsenwelt hat sich in den vergangenen sieben Tagen um 180 Grad gedreht", konstatierte Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Aus der Angst vor einer Tempoverschärfung der Fed sei bei einigen Marktteilnehmern schon Hoffnung auf eine Zinssenkung geworden. "So weit sollte es zwar nicht kommen, aber der große Zinsschritt ist spätestens seit dieser Woche vom Tisch."

Credit Suisse erneut auf Talfahrt

Die Papiere der Credit Suisse fielen trotz der Hilfsgelder um 8 Prozent. Der zunächst stabilisierte europäische Bankensektor sackte am Freitag letztlich um 2,6 Prozent ab. Im Dax verloren die Papiere der Deutschen Bank 1,5 Prozent, die der Commerzbank gaben 3,5 Prozent nach.

Ähnlich düster war die Kursentwicklung in der Immobilienbranche. Die deutlichen Dividendenkürzungen dort seien ein weiteres Beispiel, warum die negativen Auswirkungen der restriktiven monetären Trends in den kommenden Monaten die Aktienmärkte regelmäßig belasten dürften, konstatierten Experten. Vonovia verloren angesichts einer schon am Vortag kräftig gekappten Dividende und einem in Aussicht gestellten Gewinnrückgang 2,2 Prozent und rutschten zeitweise auf ein Tief seit 2014 ab.

Im MDax waren einige IT-Werte gefragt: Software AG verteuerten sich an der Spitze um 2,2 Prozent, Teamviewer um 0,8 Prozent. Die Aktien von Bechtle gingen 1,3 Prozent höher aus dem Handel. Jefferies-Analyst Martin Comtesse sprach von einem zuversichtlich stimmenden Ausblick des IT-Dienstleisters, zudem sei die Dividende besser als gedacht ausgefallen.

Rheinmetall wird am Montag FMC im Dax ersetzen

Für die Software AG ging damit der vorerst letzte Tag im Index der mittelgroßen Werte zu Ende. Das Unternehmen steigt kommende Woche in den Nebenwerte-Index SDax ab. Neben weiteren Änderungen in den hinteren Börsenreihen steht auch ein Wechsel im Dax an: Der Rüstungskonzern und Autozulieferer Rheinmetall wird am Montag für den Dialyse-Spezialisten FMC in den Leitindex aufsteigen. Die Anteilsscheine von Rheinmetall gaben vorab um 4 Prozent nach, FMC legte um 0,6 Prozent zu.

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Kursverluste auch in den USA

Ein erneuter Ausverkauf im US-Bankensektor aus Angst vor einer neuen Finanzkrise hat die Wall Street am Freitag weiter nach unten gezogen. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte verlor zuletzt 1,5 Prozent auf 31.752 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 rutschte um 1,4 Prozent ab auf 3908 Punkte, der Index der Technologiebörse Nasdaq fiel um 1,0 Prozent.

Der S&P-500-Bankenindex verlor mehr als 3 Prozent. Die Aktien der First Republic Bank rutschten um rund 22 Prozent ab, obwohl die angeschlagene Regionalbank ein Unterstützungspaket bekommen hat. Insgesamt elf US-Großbanken wie JP Morgan und Citigroup haben 30 Milliarden Dollar in das kleinere Geldinstitut investiert. "Einlagen sind von Regionalbanken wie First Republic in die großen Banken geflossen, die sie jetzt retten, indem sie die Einlagen wieder anlegen. Aber das löst das Problem nicht", sagte Thomas Hayes vom Investmenthaus Great Hill Capital. Die Aktien der Mitbewerber PacWest Bancorp und Western Alliance tauchten um 13 und knapp 17 Prozent ab.

Die SVB Financial Group beantragte indes Gläubigerschutz nach Chapter 11, nachdem ihre frühere Tochtergesellschaft Silicon Valley Bank kollabiert und von US-Regulierungsbehörden übernommen worden war. Der Fall hatte die Vertrauenskrise vor genau einer Woche ins Rollen gebracht. US-Präsident Joe Biden forderte angesichts der jüngsten Bankenturbulenzen eine strengere Regulierung des Sektors mit Konsequenzen für Manager – von einer Bestrafung über die Rückzahlung von Vergütungen bis hin zum Branchenausschluss. Er rief den Kongress in Washington am Freitag dazu auf, den Aufsichtsbehörden entsprechend mehr Befugnisse einzuräumen.

Gerücht über Kauf der Signature Bank

Die Bank of America wird nach Einschätzung des US-Investors Bill Ackman die zusammengebrochene Signature Bank am Montag übernehmen. Dies schreibt Ackman, ohne seine Quellen zu nennen. "Ich höre, dass Bank of America die Signature Bank am Montag kaufen wird", lautet der Tweet . Bank of America lehnte einen Kommentar dazu ab. Bei Signature Bank war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Auf den Papieren des US-Pharmakonzerns Merck & Co lastete am Freitag ein Studienrückschlag bei einem Lungenkrebsmittel. Die Aktien büßten 3,5 Prozent ein. Dagegen legten die Papiere des Deutsche-Post-Konkurrenten Fedex um knapp 8,5 Prozent zu. Der Konzern hob seine Prognosen an und signalisierte dabei auch Kostensenkungen, um einem geringen Paketvolumen zu begegnen. Auch Analystenkommentare bewegten die Kurse. Die Aktien des Unterhaltungskonzerns Warner Bros. Discovery zogen nach Empfehlungen durch Wolfe Research und Wells Fargo um gut 2 Prozent an.

Erleichterung in Asien

In Asien hatte am Morgen an den Börsen im internationalen Kontext noch Erleichterung über die jüngsten Entwicklungen geherrscht. In Tokio zog der Leitindex Nikkei 225 um 1,2 Prozent auf 27.333 Punkte an. Noch etwas größer waren die Gewinne im Hongkonger Hang-Seng-Index, der technologielastig ist und im Schlepptau der US-Börse Nasdaq 1,4 Prozent zulegte. Der CSI-Index mit den 300 wichtigsten Werten der Börsen Shanghai und Shenzhen gewann im späten Handel 1,2 Prozent.

Bitcoin zieht weiter an

Die Digitalwährung Bitcoin legt weiter zu und notierte zuletzt rund 6 Prozent höher bei 26.500 US-Dollar. In der vergangenen Woche legte der Bitcoin damit um 30 Prozent zu. Im November 2022 war die Währung unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der Kryptobörse FTX von über 21.000 US-Dollar auf rund 16.000 US-Dollar eingebrochen. Ein Jahr zuvor erreichte der Bitcoin noch ein Rekordhoch von 69.000 US-Dollar.

Bitcoin

Ölpreise auf tiefstem Stand seit Ende 2021

Die Ölpreise sind am Ende einer turbulenten Woche erneut deutlich unter Druck geraten. Am Freitagnachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent  zur Lieferung im Mai 72,26 US-Dollar. Das waren 2,38 Dollar weniger als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur April-Lieferung sank um 2,09 auf 66,20 Dollar. Beide Preise fielen zeitweise auf den tiefsten Stand seit Ende 2021.

Die Ölpreise haben eine Woche mit hohen Verlusten hinter sich. Die Finanzmarktturbulenzen sorgen für Verunsicherung. So scheint sich die Krise der Regionalbanken in den USA noch zu verschärfen. Zudem geriet die Schweizer Großbank Credit Suisse am Freitag trotz eines milliardenschweren Stützungspakets der Notenbank an der Börse erneut unter Druck. Die Turbulenzen können auch die konjunkturelle Entwicklung belasten. Dies dämpft die Nachfrage nach Rohöl.

"Wir erachten diesen Preiseinbruch als übertrieben und in erster Linie spekulativ getrieben", schreiben die Commerzbank-Experten in einem Kommentar. Man erwarte eine Unterversorgung am Ölmarkt in der zweiten Jahreshälfte. Dazu dürfte auch die Erholung der Nachfrage in China einen Beitrag leisten.

Mit Nachrichtenagenturen
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