Anleiheprofi Moritz Schildt erklärt Argentinien-Anleihe - Schnäppchen für Risikofreunde

Wer bei seinen Investments im Anleihenbereich nicht nur den Renditekick sucht, sondern auch gern mit dem Ausfallrisiko spielt, für den sind Staatsanleihen Argentiniens schon immer ein fester Portfoliobestandteil. Und in der Vergangenheit boten die Anleihen auch immer das volle Programm an Hoffen und Bangen - bereits acht mal hat Argentinien seit 1827 den Staatsbankrott erklärt und fast immer waren komplizierte Umschuldungsprogramme mit großen Unwägbarkeiten ein wesentlicher Bestandteil der Verhandlungen mit den internationalen Gläubigern.

Moritz Schildt ist Gründer der nordIX AG, die auf festverzinsliche Anlagen spezialisiert ist. Das Unternehmen verwaltet in fünf Spezial- und Publikumsfonds mehrere 100 Millionen Euro.
Der letzte Bankrott Argentiniens liegt gerade erst sechs Jahre zurück, im Sommer 2014 war das Land zuletzt nicht in der Lage, seine Schulden zu bedienen und scheiterte bei dem Versuch, eine Umschuldung der Staatsschulden umzusetzen. Schon wenig später war Argentinien aber wieder auf dem richtigen Weg und konnte unter dem 2015 angetretenen Präsidenten Macri durch eine Liberalisierung der Finanzmärkte und die vollständige Streichung der Kapitalverkehrskontrollen das Vertrauen der internationalen Investoren zurückgewinnen.
Besonders beachtlich war dann im Jahr 2017 die Platzierung einer Argentinischen Anleihe mit einer Laufzeit von 100 Jahren, der Titel wird am 28. Juni 2117 fällig und konnte seinerzeit mit einem Kupon von 7,125 Prozent abenteuerlustige Investoren an Bord holen. Unser heutiger Chart der Woche zeigt den Kursverlauf der Anleihe, die aktuell auf einem Niveau von knapp oberhalb 25 Prozent erworben werden kann.
Der Kurs dokumentiert, das Argentinien wieder einmal - und in diesem Fall bereits seit mehreren Monaten - am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht. Am 22. Mai endet eine letzte Zahlungsfrist für ausstehende Kuponzahlungen, die Argentinien nicht leisten kann - wenn bis zu diesem Datum das aktuelle Umschuldungsangebote nicht mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wurde, ist ein neuerlicher Ausfall unausweichlich. Bisher war die Bereitschaft der Gläubiger eher zurückhaltend, der Umschuldung zuzustimmen. Argentinien hat daraufhin die Frist zur Zustimmung verlängert und hofft jetzt auf eine finale Einigung vor dem 22. Mai 2020.
Dabei dürfte die Corona-Krise sogar die Verhandlungsposition Argentiniens verbessern. Während in der Vergangenheit die großen Investmentfonds aber vor allem auch Hedgefonds argumentiert hatten, Argentinien würde ein zu unangemessen großes Zugeständnis verlangen, müssen zunehmend einsehen, das die potentiellen Auswirkungen der Pandemie die künftige Wirtschaftskraft Argentiniens noch deutlich stärker schwächen werden als im derzeit vorliegenden Angebot eingerechnet.
Wer die in unserem Chart dargestellte Anleihe mit einer Laufzeit bis 2117 hält, mag sich möglicherweise gedacht haben, dass er bei einem Einstiegskurs von 25 Prozent ja nur 25.000 US-Dollar zahlen muss, um von dieser Anleihe einen Nominalbetrag von 100.000 US-Dollar zu erwerben. Da der Titel einen Kupon von 7,125 Prozent nominal zahlt, erhält der Investor also die jährliche Zinszahlung 7.125 US-Dollar, also quasi eine laufende Verzinsung von 28 Prozent auf das investierte Kapital.
Leider geht diese Rechnung nur auf, wenn die erforderliche Mehrheit der Gläubiger der von Argentinien vorgeschlagenen Umschuldung zustimmt. Dann erfolgt aber ein Zwangsumtausch aller Anleihen und die Inhaber der 100-jährigen Anleihe erhalten im Austausch neue Anleihen. Dabei würde unser Investor auf Grundlage des aktuell vorliegenden Angebotes ein Umtauschverhältnis von 100 zu 95 akzeptieren, also für seine Position mit einem Nominalvolumen von 100.000 US-Dollar nur noch neuen Bonds mit einem Volumen von 95.000 Dollar erhalten.
Zusätzlich zu diesem Abschlag, der auch als "Haircut" bezeichnet wird ist eine deutliche Reduzierung der Laufzeit vorgesehen, im Austausch ausgegebenen Bonds sehen eine Fälligkeit bereits im Jahr 2036 oder 2047 vor.
Besonders schmerzhaft ist aber der deutlich reduzierte Zinskupon. Anstelle der attraktiven 7,125 Prozent sehen die Anlagebedingungen der neuen Anleihen einen step-up Kupon, also einen über die Laufzeit ansteigenden Zins vor. Dieser startet bei 0,00 Prozent in 2020 und steigt beginnend in 2022 allmählich in Stufen über 0,50 Prozent bis schließlich ab 2027 eine Zinszahlung von 3,875 Prozent bzw. 3,5 Prozent erreicht wird.
Gleichzeitig erfolgt die Rückzahlung der neuen Anleihen nicht am Laufzeitende in einer Summe, sondern in mehreren Raten über einen längeren Zeitraum verteilt. Diese komplexe Struktur der neuen Anleihen macht es zusätzlich schwierig, den tatsächlichen Wert der neuen Schuldverschreibungen und damit die Attraktivität des Angebotes zu ermitteln. Sofern es Argentinien gelingen sollte, trotz der durch Corona noch deutlich gesteigerten Risiken eine Stabilisierung der Wirtschaft zu erreichen, würden Investoren auf dem aktuellen Kursniveau auch nach einem Zwangsumtausch noch eine attraktive Rendite deutlich oberhalb von 20 Prozent erzielen können. Scheitert die Umschuldung, dürfte das Investment allerdings weitgehend abzuschreiben sein.
Fest steht zumindest, das Investoren im Falle einer Zustimmung zu den Umschuldungsplänen und der Abwendung der Insolvenz mit einem positiven Effekt auf den Kurs ihrer Anleihen rechnen dürfen, da der bevorstehende Ausfall dann wieder einmal aufgeschoben wurde. Inwieweit dieser positive Effekt durch die im Falle einer erfolgreichen Umschuldung gleichzeitig unausweichliche Änderung der Anleihebedingungen kompensiert wird, lässt sich nur schwer abschätzen.
Damit eignen sich Anleihen der Republik Argentinien auch im aktuellen Marktumfeld ausschließlich für Investoren, die einen hohen Grad an Nervenkitzel nicht nur gut vertragen können sondern möglicherweise sogar aktiv suchen.