Machtkampf mit Jack Ma China stoppt weltgrößten Börsengang von Ant Financial

Schock am Finanzmarkt: Die Börsen in Hongkong und Shanghai haben den Börsengang der Alibaba-Tochter Ant Financial abgeblasen. Dahinter steckt auch ein Streit zwischen Milliardär Jack Ma und dem kommunistischen Staat.
Ausgebremst: Alibaba-Gründer Jack Ma muss seine Börsenpläne für Ant verschieben

Ausgebremst: Alibaba-Gründer Jack Ma muss seine Börsenpläne für Ant verschieben

Foto: Lintao Zhang/ Getty Images

China hat den weltgrößten Börsengang gestoppt. Nur zwei Tage vor dem geplanten Marktdebüt der Alibaba-Tochter Ant Group verschieben die beiden chinesischen Börsen Shanghai und Hongkong das Projekt auf unbestimmte Zeit. Der chinesische Finanzkonzern werde vorerst nicht im Segment "Star Board" gelistet, teilte völlig überraschend die Shanghaier Börse am Dienstag mit. Kurz darauf erteilte auch Hongkong der geplanten Emission mit Verweis auf Lücken bei den Offenlegungspflichten eine Absage. Die Finanzmärkte reagierten geschockt: Die an der Wall Street notierten Papiere des Großaktionärs Alibaba sackten zwischenzeitlich um rund 9 Prozent ab – was einem Wertverlust von rund 76 Milliarden Dollar entsprach.

Damit ist eines der spektakulärsten Kapitalmarktprojekte geplatzt. Erst am 21. Oktober hatte Ant nach langer Wartezeit endgültig grünes Licht für den IPO erhalten. Wegen der zweiten Corona-Welle und den zu erwartenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit den US-Wahlen waren zuletzt einige Börsengänge verschoben worden. Bei Ant sollte alles klappen: Der Konzern wollte an diesem Donnerstag gleichzeitig an den Börsen Shanghai und Hongkong debütieren – und hatte das Ganze als Projekt einer anderen Dimension inszeniert.

870-fache Überzeichnung der Aktien

Mit einem Emissionsvolumen von rund 37 Milliarden Dollar sollte der integrierte Fintech- und Finanzkonzern , der zum Amazon-Rivalen Alibaba gehört, den größten Börsengang der Welt hinlegen. Den bisherigen Rekord stellte im vergangenen Jahr der saudische Ölkonzern Saudi Aramco mit 29,4 Milliarden Dollar auf. Angefeuert durch das Marketing und Kreditangeboten vieler Banken war es vor allem in China zu einem regelrechten Rausch unter Privatanlegern gekommen. Für das Aktienpaket in Shanghai gingen Gebote über 2,8 Billionen Dollar von Kleinanlegern ein – sie überstiegen das vorgesehene Angebot um mehr als das 870-fache. Nun zogen die Behörden die Reißleine.

Offensichtlich gibt es erhebliche Verstimmungen zwischen den staatlichen Aufsehern und Alibaba-Gründer Jack Ma (56). Erst am Vortag war Ma zusammen mit Ant-Vorstandschef Simon Hu sowie dem Verwaltungsratsvorsitzenden Eric Jing von der chinesischen Finanzaufsicht einbestellt worden. Der ungewöhnliche Unterredung folgte auf scharfe Kritik von Ma, der in einer Rede lokalen und globalen Regulierungsbehörden vorgeworfen hatte, Innovation zu bremsen sowie neuen Entwicklungen nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken. Die Zukunft dürfe nicht "mit Methoden von gestern" reguliert werden, soll der Alibaba-Gründer gesagt haben.

Das Treffen war offenbar eine Art Showdown zwischen Miliardär Ma und der Staatsmacht. In einer gemeinsamen Erklärung sagten die chinesische Zentralbank, die Wertpapieraufsichtsbehörde und andere Behörden am Montag, mit den Managern "regulatorische Interviews" geführt zu haben. Den Männern wurde mitgeteilt, dass das Online-Kreditgeschäft künftig stärker überwacht werde und genau denselben Beschränkungen hinsichtlich des Kapitals unterliege wie andere Banken.

Ant selbst umschrieb das Treffen so: Es wurden "Ansichten über die Gesundheit und Stabilität des Finanzsektors ausgetauscht'', teilte der Konzern in einer vorbereiteten Erklärung mit. Das Unternehmen habe sich "verpflichtet, die Meinungen des Treffens umzusetzen'', nannte aber keine Einzelheiten. "Wir werden weiterhin unsere Fähigkeiten verbessern, integrative Dienstleistungen anzubieten und die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, um das Leben der Bürger zu verbessern."

Aus der neuen Lage ziehen die beiden Börsen ihre Konsequenzen. Den regulatorischen Anforderungen könne Ant möglicherweise zunächst nicht nachkommen, teilten sie mit. Ant entschuldigte sich bei den Investoren und sagte, dass sie die Benachrichtigung der Aufsichtsbehörden über weitere Entwicklungen abwarten werde.

"Schock des Jahrhunderts"

Marktbeobachter reagierten entsetzt. Einige sprachen von einer "Peinlichkeit" für Ant. Andere von der Ungeheuerlichkeit, wie der Staat sich in den Privatsektor einmische. "Die Kommunistische Partei hat den Tycoons gezeigt, wer der Boss ist", kommentierte etwa Francis Lun, Chef des Hongkonger Vermögensverwalters Geo Securities. "Jack Ma mag einer der reichsten Männer der Welt sein, aber das bedeutet gar nichts. Das Ganze ist vom Deals des Jahrhunderts zum Schock des Jahrhunderts geworden. Jack Ma hat sich selbst übertroffen, indem er die Geschäftsbanken und das Regulierungssystem kritisierte."

Ant betreibt mit Alipay den dominierenden Bezahldienst in China  und bietet über die Apps auch Kredite, Versicherungen und Dienste zum Vermögensmanagement an. In den ersten neun Monaten 2020 steigerte Ant den Betriebsgewinn um 42,6 Prozent auf umgerechnet 17,8 Milliarden Dollar. Alibaba hält ein Drittel der Ant-Anteile. Seit der letzten Finanzierungsrunde 2018 sind außerdem namhafte Investoren wie der Staatsfonds Temasek aus Singapur und der Finanzinvestor Warburg Pincus an dem Fintech beteiligt.

mg, lhy/Reuters/ap
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