Wichtige Beimischung im Depot Warum Anleger jetzt auf Schwellenländer schauen sollten

Einstieg nach Kurssturz? Die Börse in China ist in der ersten Jahreshälfte gefallen, so wie andere Emerging Markets ebenfalls - Experten sehen den Tiefpunkt nun erreicht.
Foto: AP/Shan he - Imaginechina
Auf der Suche nach einem lohnenden Investment können Anleger derzeit womöglich im Segment der Schwellenländer fündig werden. Ohnehin raten Investmentexperten dazu, das Anlageportfolio breit zu streuen, allein schon, um auch die Risiken besser zu verteilen. In Bezug auf die regionale Allokation bedeutet das: Investoren sollten nicht allein auf die etablierten Industriestaaten etwa in Europa oder Nordamerika schauen. Ein kleinerer Teil der Investments kann vielmehr in aufstrebende Staaten - sogenannte Emerging Markets - wie China, Brasilien oder Indien gesteckt werden.
Dort ist zwar in der Regel mit größeren Schwankungen und mitunter auch herben Rückschlägen zu rechnen. Gleichzeitig bestehen aber auch zusätzliche Renditechancen, denn solchen Ländern, die ökonomisch zum Großteil schon aktuell stark expandieren, werden auch künftig generell höhere Wachstumsaussichten eingeräumt.
Gerade gegenwärtig könnte der Zeitpunkt für ein Investment in den Schwellenländern günstig sein. Die Aktienmärkte dort haben sich in der ersten Hälfte des Jahres deutlich schlechter entwickelt als die Börsen etwa in Europa oder den USA. Notiert beispielsweise der breite US-Index S&P 500 seit Jahresanfang mit etwa 6 Prozent im Plus, so steht der hiesige Dax hauchdünn im negativen Bereich. Der Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets dagegen steht zurzeit bei minus 6 Prozent.
Entscheidend jedoch: Vor wenigen Wochen lag der MSCI EM bereits mit 10 Prozent im Minus. Seither hat das Segment der Schwellenländer - wie manch andere Börse auch - eine kleine Rallye hingelegt. Einige Experten glauben, dass der Tiefpunkt damit durchschritten ist, und dass in nächster Zeit weitere Kursgewinne zu erwarten sind.
Die Analysten der US-Bank Goldman Sachs etwa schrieben jüngst in einer Betrachtung, der EM-Markt habe sein Tal hinter sich. In der zweiten Hälfte seien nun weitere Kursgewinne zu erwarten. Laut Goldman Sachs kommt es im Schwellenländer-Sektor regelmäßig zu vergleichbaren Schwankungen zu Jahresanfang. "Die Bewegung dieses Jahr passt genau ins Bild der Vergangenheit", steht in der Analyse, aus der die Nachrichtenplattform Bloomberg zitiert. Hinzu komme, dass auch die Wachstumszahlen der fraglichen Länder zuletzt stabiler ausgesehen hätten.
Ähnlich sieht es Markus Tischer, leitender Portfolio-Manager beim Investmenthaus Bantleon. "Das Risiko einer weiteren markanten Underperformance in den kommenden drei Monaten ist aus historischer Sicht klein", sagt er. "Die bisherige Underperformance hat das historische Maximum fast erreicht."
Wichtige Frage Nummer eins: Wie schlagen sich die Schwellenländer im Handelskrieg?

Abgesehen vom Blick auf den Kurschart kann die Frage, wie sich der Sektor der Schwellenländer künftig entwickeln wird, grundsätzlich auf zwei Ebenen beantwortet werden: Zum einen befindet sich jedes einzelne Land in einer individuellen Situation mit spezifischen, nationalen Einflussfaktoren, und zum anderen gilt es die Aussichten des Schwellenland-Bereichs insgesamt zu beurteilen.
Zu Punkt eins: In der Türkei beispielsweise gerieten die Aktien- und Anleihenkurse zuletzt erheblich ins Schwanken, weil die Investoren dem Wirtschaftskurs des wiedergewählten Präsidenten Erdogan kein allzu großes Vertrauen schenken. Auch in Brasilien und Mexiko gab es politische Einflüsse, die sich negativ auf die Finanzmärkte der Länder ausgewirkt haben.
Solchen individuellen, landesspezifischen Problemen können Investoren aus dem Weg gehen, indem sie ihr Geld in einen Schwellenländer-Fonds, beispielsweise einen kostengünstigen Indexfonds mit Fokus auf die Emerging Markets, stecken. Dieser streut seine Mittel weltweit auf den gesamten Sektor der Schwellenländer und gleicht auf diese Weise einzelne Ausreißer aus.
Bleibt die Frage, wie sich das Segment der Schwellenländer im Gefüge der Weltwirtschaft insgesamt in nächster Zeit entwickeln wird. Dabei spielen wiederum zwei Themen eine besonders wichtige Rolle, erstens: Der Handelskonflikt zwischen den USA und dem Rest der Welt. Und zweitens: Die Entwicklung der US-Zinsen, des US-Dollars sowie die dadurch beeinflussten internationalen Kapitalströme.
Viele Ökonomen sind der Ansicht, dass sich ein Handelskrieg zwischen den wichtigsten Wirtschaftskräften der Welt - nämlich zwischen den USA und China beziehungsweise zwischen den USA und Europa - letztlich negativ auf die gesamte Weltwirtschaft auswirken wird - also auch auf die Schwellenländer. Nicht zuletzt waren es schließlich die zunehmenden Spannungen beim Thema Welthandel, die die Aktienmärkte rund um den Globus und insbesondere in den Emerging Markets in der ersten Hälfte des Jahre bereits ins Minus gedrückt haben.
Auf der anderen Seite können die Schwellenländer aber durchaus auch zu Profiteuren eines solchen Handelskrieges werden. So war es Bloomberg zufolge jedenfalls in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit: Handelskonflikte, die von den USA geführt wurden, hatten in der Regel zur Folge, dass der Dollar letztlich geschwächt wurde, was wiederum gut für die Währungen der Schwellenländer war.
Wichtige Frage Nummer zwei: Wie entwickelt sich künftig der US-Dollar?

Kommt es diesmal auch so? Je mehr Zölle die streitenden Nationen gegeneinander verhängen, desto schwächer wird am Ende der Dollar werden, glaubt jedenfalls Kunal Ghosh, ein Portfolio-Manager von Allianz Global Investors. Denn der positive Effekt, den Zölle für die Unternehmen eines Landes haben, werde durch ein höheres Preisniveau sowie geringere Nachfrage von Seiten der Kunden nivelliert, so Ghosh laut Bloomberg. "EM-Anlagen waren immer negativ korreliert mit dem Dollar", sagt er. Diese Entwicklung würde dem Schwellenland-Sektor also helfen.
Damit wäre die wichtige Frage, wie es mit dem Dollar in nächster Zeit weitergeht, bereits angesprochen. In den vergangenen Monaten konnte der Greenback von einer starken US-Wirtschaft sowie von Zinserhöhungen seitens der US-Notenbank Fed profitieren. Im Umkehrschluss gerieten die Schwellenländer durch diese Einflüsse unter Druck, weil Investoren dort Geld abzogen, um es beispielsweise in den USA zu investieren.
Diese Entwicklung dürfte aber kaum mehr lange so weitergehen, meint beispielsweise Marie Cardoen, Investmentexpertin von Goldman Sachs Asset Management. "Die aktuelle Stärke des US-Dollars spiegelt wider, wie solide sich das US-Wachstum derzeit entwickelt", sagt sie. "Sollte sich die positive Dynamik der globalen Konjunktur stabilisieren oder fortsetzen, dürfte das den Aufwärtstrend des Dollars bremsen und den Druck auf die Schwellenländer mindern."
Ohnehin sind Schwellenländer nach Ansicht Cardoens mittlerweile besser aufgestellt, um einen plötzlichen Einbruch ausländischer Kapitalzuflüsse zu bewältigen. "Erstens haben die meisten Schwellenländer reichlich Devisenreserven aufgebaut, um dies ausgleichen zu können, und zweitens sind ihre Fundamentaldaten mittlerweile einfach positiver."
Zudem, so die Investmentexpertin, seien in EM-Vermögenswerte bereits "erhebliche Risiken eingepreist". "Das verringert aus unserer Sicht die Gefahr, dass ihre Bewertungen weiter zurückgehen, was zu zusätzlichen Abflüssen führen könnte", so Cardoen.
Bantleon-Manager Tischer ist ähnlicher Ansicht. Er rechnet in den kommenden Quartalen mit einem leicht abkühlenden Wirtschaftswachstum in den USA, was die Renditen von US-Staatsanleihen sinken lassen und den US-Dollar etwas schwächen dürfte. "In dem Umfeld sollten Schwellenländer-Aktien für Anleger wieder attraktiver erscheinen", meint Tischer.
Der Zeitpunkt für ein Investment in den Schwellenländern ist also vielleicht tatsächlich gerade günstig.