Turbulent geht es an der Börse schon seit Monaten zu, doch diese Woche trifft es die Anleger besonders hart. Nach Verlusten von mehr als 2 Prozent am Dienstag, war der Dax am Mittwoch weiter abgerutscht und hatte mit 11.191 Punkten so niedrig wie zuletzt im Dezember 2016 geschlossen. Auch am heutigen Donnerstag zeigt der deutsche Leitindex nach späten Verlusten an der Wall Street zunächst weiter nach unten und könnte unter die Marke von 11.000 Punkten rutschen.
Nachdem es mit der Börse mehrere Jahre lang beinahe ununterbrochen aufwärts ging, drängt sich jetzt die Frage auf: Ist dies der Beginn eines großen Abschwungs, oder handelt es sich einmal mehr um eine gesunde Reinigung des Marktes, bei der Spekulanten aus dem Geschäft gedrängt werden, und nach der von fundamentalen Argumenten überzeugte Investoren für weitere Kursgewinne sorgen können?
Manche haben sich da schon festgelegt: "Diesmal ist das keine kleine Korrektur auf dem Weg nach oben, das ist eine richtige Verkaufswelle", glaubt Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners. Lange seien die US-Indizes die letzte Festung gewesen und hätten allen Turbulenzen standgehalten. "Das ist mit dem Oktober vorbei. Aus lokalen Verlusten ist endgültig eine globale Korrektur geworden."
Die wirkliche Antwort auf diese Frage werden die Börsianer aber vermutlich erst in Monaten oder Jahren erfahren. Schon jetzt gibt es jedoch verschiedene Faktoren, anhand derer sich die künftige Richtung des Aktienmarktes womöglich erahnen lässt. Die schlechte Nachricht lautet dabei: Einiges spricht dafür, dass es an der Börse vorläufig weiter abwärts geht.
Der wichtigste Kurstreiber versagt
1. Fundamentale WirtschaftsdatenJahrelang florierte in Deutschland und vielerorts anderswo auf der Welt die Wirtschaft. Inzwischen gibt es jedoch Anzeichen dafür, dass sich dieser Aufschwung abkühlt. Der Internationale Währungsfonds beispielsweise dämpfte kürzlich seine zuvor optimistischen Erwartungen an die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft. Auch die Wachstumsprognose für Deutschland strich der IWF bei der Gelegenheit zusammen.
Dass diese Abkühlung kein Hirngespinst ist, zeigen die Geschäftszahlen und Ausblicke, die viele Konzerne in den USA wie auch in Europa in diesen Tagen im Zuge ihrer Quartalsberichte veröffentlichen. Reihenweise werden da Prognosen gekürzt und Erwartungen enttäuscht, was regelmäßig Kursverluste an der Börse auslöst.
Da die aktuelle Berichtssaison gerade erst begonnen hat, ist vorläufig mit weiterem Störfeuer aus dieser Richtung zu rechnen. Wohl gemerkt: Die Rede ist dabei von einer Verschlechterung der viel zitierten Fundamentaldaten, die nach Ansicht vieler Experten für die langfristige Entwicklung der Aktienkurse eine besonders große Bedeutung haben.
80 Prozent Wahrscheinlichkeit für Kursverluste
2. CharttechnikDie technische Chartanalyse mag von manchem belächelt werden, sie kann jedoch von sich behaupten, dass einige ihrer Aussagen in der Vergangenheit eine ziemlich hohe Treffsicherheit erreicht haben. Das gilt zum Beispiel für die sogenannte Schulter-Kopf-Schulter-Formation, oder kurz SKS, die die technischen Analysten mitunter in Kurscharts ausfindig machen können. Trat sie in der Vergangenheit zu Tage, so kam es nach Angaben der Experten in der Folge in mehr als 80 Prozent der Fälle zu weiteren Kursverlusten.
Die schlechte Nachricht: Beim Leitindex Dax entstand in den vergangenen Wochen und Monaten genau diese SKS-Formation, die umgangssprachlich formuliert aus einem Kurshoch, einem noch höheren Kurshoch und dann wieder einem nicht ganz so hohen Kurshoch besteht, welches nicht gehalten werden kann.
Die Charttechniker der Privatbank Donner & Reuschel etwa weisen momentan im Tagesrhythmus auf diese SKS-Ausbildung beim Leitindex Dax hin. Zudem habe der Index mit seinen Kursverlusten in den vergangenen Tagen einen Aufwärtstrend verlassen, der bereits seit 2009 bestand hatte, schreiben sie. Die Folge für den Dax, der gegenwärtig bei nur noch etwa 11.300 Punkten notiert, seien möglicherweise weitere Verluste von mehr als 1000 Dax-Punkten.
Warten auf den Abschwung - bis er kommt
3. PsychologieAngst, Gier, Neid, Arroganz und einiges mehr: Das Geschehen an der Börse, so lautet eine Binse, wird zu 50 Prozent durch psychologische Faktoren beeinflusst - mindestens. Leider ist auch dies ein Aspekt, der momentan eher für Verluste als für Gewinne spricht.
Denn was geht derzeit wohl in den Investoren vor, die sich jahrelang über Kursgewinne freuen konnten, und die nun schon seit Monaten Turbulenzen durchmachen, die zuletzt sogar noch zuzunehmen schienen? Die in den Medien vom Brexit über Italien, Saudi-Arabien und den Handelskonflikt bis hin zur Konjunktureintrübung und den Gewinnwarnungen der Unternehmen beinahe ausschließlich Negatives aus der Welt der Politik und Wirtschaft erfahren? Werden solche Investoren zuversichtlich in die Zukunft blicken und ihr Geld in Aktien stecken, weil sie allen Ernstes bald wieder steigende Kurse erwarten?
Wohl kaum. Vielmehr ist die Verunsicherung am Markt zweifellos groß, und sie dürfte so schnell nicht wieder verschwinden. Jeder Börsianer weiß, dass nach einem langen Aufschwung irgendwann ein Abschwung folgt. Auf diesen Abschwung warten die Investoren nun, und zwar vermutlich solange, bis er tatsächlich eintritt.
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