

Braucht der Bitcoin staatliche Kontrolle? Dann reguliert mal schön!


Nur schwer zu regulieren: Die Kryptowährung Bitcoin
Foto: ERIC GAILLARD / REUTERSIn den Chefetagen der Notenbanken und auf Regierungsebene wächst der Widerstand gegen Bitcoin und andere Kryptowährungen. EZB-Chefin Christine Lagarde warnte kürzlich in einem Interview, Bitcoin werde für Geldwäschezwecke verwendet, US-Finanzministerin Janet Yellen stieß in dasselbe Horn und der frühere Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein sagte Anfang diesen Jahres: "Anstelle der Aufsichtsbehörden würde ich wegen Bitcoin hyperventilieren."
Der Bitcoin-Kurs reagiert regelmäßig mit Abschlägen, sobald staatliche Vertreter ankündigen, die Kryptowährung in der einen oder anderen Weise zu regulieren. Obwohl in zahlreichen Ländern teils radikale Maßnahmen gegen die Verwendung erlassen wurden – von dem Verbot für Banken, Bitcoin zu verwalten bis zu einem generellen Bann – hat jedoch keines der Gesetze einen nachhaltigen Einfluss auf den Bitcoin-Preis ausüben können. Und das wird vermutlich auch so bleiben.
Bitcoin entzieht sich staatlicher Kontrolle
Es gibt letztlich nur eine Schnittstelle, an der der Staat Kontrolle über die Kryptowährung ausüben kann: nämlich dort, wo die Bitcoin-Welt auf das uns bekannte Finanzsystem trifft. Nur dort ist eine Regulierung möglich – und dort ist sie auch sinnvoll. Den Kampf gegen das globale Bitcoin-Netzwerk aufzunehmen, wäre hingegen nicht nur kostspielig und vergeblich, es würde auch wichtige Innovationen im Kryptoumfeld bremsen.
Die meisten Bitcoin-Fans sind davon überzeugt, dass die von Satoshi Nakamoto erfundene Währung grundsätzlich nicht regulierbar ist. Und bis zu einem gewissen Punkt haben sie Recht. Nehmen wir an, ein Staat würde den Minern, die in seinem Land das Netzwerk betreiben, ihre Aktivität verbieten und die Server beschlagnahmen, auf denen die Blockchain gespeichert ist. Was wäre die Folge? Das Netzwerk liefe weiter, weil überall auf der Welt Tausende andere Miner tätig sind und es unzählige Kopien der Blockchain gibt.
Auch der äußerst unwahrscheinliche Fall, dass ein Staat die Kontrolle über mehr als die Hälfte des Netzwerkes erlangt, um das Bitcoin-Protokoll zugunsten einer Einschränkung der Privatsphäre zu manipulieren, liefe ins Leere. Denn mit diesem Schritt – hier wird es etwas kompliziert – entstünden zwei Arten von Bitcoin: ein neuer Bitcoin, der auf der neuen, veränderten Blockchain liefe, und der alte Bitcoin, der weiter auf der ursprünglichen Blockchain basierte. Die neuen Bitcoins wären aller Voraussicht nach wertlos, weil sie ihre wichtigste Eigenschaft verlören: die Nichtmanipulierbarkeit. Der Staat bekäme also die Kontrolle über eine wertlose Kryptowährung, die niemand benutzt, die alten Bitcoin würden hingegen weiter existieren. Herzlichen Glückwunsch!
Ein USB-Stick als Tresor
Weiter wird argumentiert, dass Bitcoin sich der Zugriffsmöglichkeit des Staates entziehe, da die Kryptowährung außerhalb des Internets in einem sogenannten Hard Wallet gehalten werden kann, beispielsweise auf einem USB-Stick. Das ist so ähnlich, als wenn man Bargeld in einem privaten Tresor aufbewahrt, davon weiß der Staat in der Regel auch nichts.
Dieses Argument hat jedoch einen Haken: Der weit überwiegende Teil der heute gehandelten Bitcoin wird in so genannten Custodian Wallets beziehungsweise bei Bitcoin-Verwahrern gehalten. Kauft jemand Bitcoin, beispielsweise über eine Kryptobörse, wird die Kryptowährung zunächst von dieser Börse verwaltet. Transferiert man die Bitcoin von dort auf ein Wallet eines Verwahrers, ändert das nicht viel. Es wird lediglich ein Depotverwalter gegen den anderen ausgetauscht. Die Bitcoin sind erst dann in direktem Eigentum und außerhalb der Zugriffsmöglichkeit Dritter, wenn sie auf ein Hard Wallet übertragen werden, also einen Stick, den man getrennt vom Computer beziehungsweise außerhalb des Internets aufbewahren kann.
Der Staat ist nicht vollkommen machtlos
Es hat daher den Anschein, dass der Staat den Bitcoin-Markt sehr wohl überwachen kann, nämlich indem er die Bitcoin-Verwahrer reguliert. Die Aufsicht könnte beispielsweise eine Blacklist von Bitcoin-Adressen anlegen, an die Kunden des Bitcoin-Verwahrers, der letztlich die Überweisung durchführt, keine Transfers leisten dürfen. Wallet-Anbieter könnten verpflichtet werden, die Identität ihrer Nutzer zu überprüfen, um auf diese Weise Geldwäschedelikte und Terrorismusfinanzierung zu verhindern.
Die wichtigsten Kryptowährungen der Welt
Der Bitcoin ist die bei Weitem älteste und bekannteste Digitalwährung. Er hat zudem mit aktuell etwa 60 Prozent den größten Marktanteil unter den derzeit rund 7000 Kryptowährungen. Entstanden ist der Bitcoin zu Zeiten der Finanzkrise 2008. Sein Erfinder ist bis heute nur unter einem Decknamen bekannt. Wichtigste Merkmale des Bitcoins sind seine dezentrale Organisation und die Verwendung der Datenbanktechnik "Blockchain". Beides zusammen sichert den Bitcoin-Nutzern ein hohes Maß an Anonymität: Zahlungen in Bitcoin sind praktisch nicht nachzuverfolgen.
Ether ist nach Bitcoin die zweitgrößte Digitalwährung der Welt. Ihr Marktanteil beträgt etwas mehr als zehn Prozent. Kennzeichnend für Ether ist zum einen die ebenfalls dezentrale Organisation des zugrundeliegenden Netzwerks Etherum. Zum anderen - und das ist ein wichtiger Unterschied zum Bitcoin - liegt ein Schwerpunkt von Ether auf "intelligenten Verträgen". Bei diesen sogenannten Smart Contracts handelt es sich im Grunde um kleine Computerprogramme, die Verträge nach der Zahlungsabwicklung quasi automatisch ausführen können. Ähnlich wie der Datenbanktechnik Blockchain wird Smart Contracts eine große Zukunft vorhergesagt.
Tether gehört zu den "Stable Coins", deren Wert durch die Unterlegung mit klassischen Anlagen garantiert wird. Im Fall von Tether ist es die weltgrößte Währung US-Dollar. Dadurch wird jedoch eine wichtige Idee des Kryptowährungskonzepts verletzt, nämlich die Unabhängigkeit von staatlichen Institutionen. Dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - erfreut sich Tether großer Beliebtheit. Ein Vorteil der Anbindung an den US-Dollar ist nämlich, dass der Kurs im Vergleich zu anderen Digitalwährungen weniger stark schwankt. Allerdings gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Zweifel, ob die behauptete Deckung mit US-Dollar den Tatsachen entspricht.
Ähnlich wie Tether ist Libra eine Digitalwährung nach dem Prinzip "Stable Coins", jedoch mit zwei gewaltigen Unterschieden. Erstens: Es gibt sie noch gar nicht. Zweitens: Hinter Libra steht mit Facebook eines der mächtigsten Technologieunternehmen der Welt. Die Idee von Libra ist, einer Digitalwährung auf breiter Front den kommerziellen Durchbruch zu verschaffen. Das Problem: Staatliche Institutionen sind davon überhaupt nicht begeistert. Zwar untersuchen auch Staaten und Zentralbanken seit Längerem, wie sie sich das Konzept digitaler Währungen nutzbar machen können. Sie lassen sich dabei aber nicht gerne das Zepter aus der Hand nehmen. Auf entsprechend großen Widerstand stößt daher die von Facebook initiierte "Libra Association" mit ihrem Vorhaben.
Schon länger arbeitet China an der digitalen Variante seiner Währung Yuan oder Renminbi. Das Vorhaben steht im klaren Gegensatz zu den freiheitlichen Ideen, die die Vordenker digitaler Währungen einst hatten. Denn eine staatlich unkontrollierte, dezentrale Währung mit anonymisierten Zahlungsvorgängen ist sicherlich nicht das, was die politische Führung der Volksrepublik im Sinn hat. Im Gegenteil dürfte ihr eher daran gelegen sein, Zahlungsvorgänge und damit verbundene Geschäfte möglichst engmaschig zu kontrollieren. Der Digital-Yuan kann damit als eine Art Gegenentwurf zur Ur-Kryptowährung Bitcoin angesehen werden.
Quelle: dpa-afx
Doch dieses Argument ist nicht zu Ende gedacht. Denn im Fall einer solchen Regulierung ist eine Ausweichreaktion zu erwarten, indem die Betroffenen ihre Bitcoin auf Hard Wallets übertragen, um so der staatlichen Kontrolle zu entgehen. Es mag sein, dass viele Anleger in Deutschland dem Staat und seiner Verwaltung vertrauen, sodass die Aufsichtsbehörde eine gute Chance hätte, Bitcoin-Zahlungsströme direkt mit den Nutzern in Verbindung zu bringen. Dies wird jedoch nicht in allen Ländern so sein. Dort, wo das Misstrauen gegenüber dem Staat groß ist, dürften sich viele Bitcoin-Besitzer Hard Wallets zulegen und so die Regulierung aushebeln.
Wo Regulierung sinnvoll ist
Muss der Staat sich also geschlagen geben? Nicht ganz. Von einem gewissen Punkt an wird es schwierig, sich der Kontrolle des Staates zu entziehen -nämlich dann, wenn die Bitcoin vom Hard Wallet wieder in staatliche Währungen zurückgetauscht werden sollen. Das passiert spätestens, wenn Steuern fällig werden, die fast überall auf der Welt in der jeweiligen Landeswährung gezahlt werden müssen. Wenn Bitcoin über eine der regulierten Börsen oder Banken beispielsweise gegen Euro verkauft werden, ist der Zahlungsstrom wieder nachvollziehbar. Hier ist die Schnittstelle zwischen der Bitcoin-Welt und dem regulierbaren Finanzmarkt.
Regulierungsskeptische Bitcoin-Eigner haben aber noch ein Ass im Ärmel. Es wäre denkbar, dass im Laufe der Zeit eine eigene Bitcoin-Ökonomie entsteht, in der Güter gegen Bitcoin direkt gehandelt werden, ohne dass traditionelle Finanzinstitutionen zwischengeschaltet sind. Auch wenn sich direkte Bitcoin-Zahlungen wegen der Wertschwankungen der Kryptowährung in der Breite nicht durchsetzen dürften, nehmen diese Zahlungen Berichten zufolge zu. Der Autohersteller Tesla hat bereits angekündigt, seine Elektroautos ohne Finanzintermediär gegen Bitcoin zu verkaufen – das konkrete Angebot erfolgt dann vermutlich über Twitter …
Keine Angst vor einer Parallelwirtschaft
Derartige Transaktionen sind auch in Deutschland erlaubt. Das Risiko für den Staat besteht darin, dass auf diese Weise eine Parallelwirtschaft entstehen könnte, deren Teilnehmer keine Steuern entrichten. Diese Gefahr sollte man aber nicht überschätzen. Nach aktueller Gesetzeslage sind Euro-Banknoten das einzige anerkannte gesetzliche Zahlungsmittel, private Transaktionen können in Deutschland aber auch heute schon mit elektronischem Geld, mit US-Dollar oder eben mit Kryptowährungen abgewickelt werden. Die Geschäftspartner müssen sich lediglich über die Transaktionswährung einig sein.
Sollten Marktteilnehmer also verstärkt Bitcoin als Transaktionswährung wählen, müsste und sollte dies nicht verboten werden. Man sollte vielmehr auf den bestehenden gesellschaftlichen Konsens setzen, dass Unternehmen und Verbraucher Steuern zahlen (die weiterhin in Euro gezahlt werden müssen) – unabhängig davon, in welcher Währung sie ihre Geschäfte abwickeln. Der Staat stellt im Gegenzug einen Großteil der Infrastruktur bereit, sorgt für ein soziales Netz und so weiter. Wie bisher muss dabei die Einhaltung der Steuergesetzgebung überwacht und Verstöße müssen sanktioniert werden. Möglicherweise müssten die Steuerbehörden bei der Kontrolle aber verstärkt bei den Güterbewegungen und Dienstleistungsaktivitäten ansetzen, denen die Bitcoin-Zahlungen gegenüberstehen, statt wie bisher üblich bei den Zahlungen, die bei Bitcoin-Transaktionen leichter verborgen werden können.
Hinsichtlich möglicher Geldwäschegeschäfte oder Terrorismusfinanzierung sollte man ebenfalls auf die Erfahrung setzen, dass nur eine Minderheit der Nutzer in derartige kriminelle Transaktionen verwickelt ist. Gleichzeitig sollten neue Blockchain-Analyse-Methoden genutzt und weiterentwickelt werden, um diese Aktivitäten aufzudecken, zu sanktionieren und auf ein Minimum zu reduzieren.
Bitcoin ist eine Chance
Bitcoin wird nicht verschwinden, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Eine naive Bitcoin-Willkommenskultur, die zu Steuerhinterziehung und anderen illegalen Transaktionen einlädt, wäre ebenso unangebracht wie ein Bitcoin-Verbot, das zu Ausweichbewegungen führen würde. Die Akteure sollten erkennen, dass Bitcoin und die damit verwandten Technologien es erlauben, den Finanzmarkt über Blockchain- und Tokenisierungsansätze zu dezentralisieren, zu demokratisieren und sicherer zu machen. Eine staatliche Regulierung mit Augenmaß bei Kryptobörsen und Bitcoin-Verwahrern, wo in der Vergangenheit immer wieder Betrugsfälle passiert sind, würde dem Standort Deutschland mehr helfen als der Versuch, die Kryptowährung zu bekämpfen.
Cyrus de la Rubia ist Gastkommentator von manager-magazin.de. Trotzdem gibt diese Kolumne nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion des manager magazins wieder.