Wölbern-Prozess Schultes wichtigster Zeuge

Rückschlag vor Gericht: Der heutige Zeuge bestätigte Schultes Darstellung nicht
Foto: Christian Charisius/ dpaHamburg - Als der Zeuge Peter Wilden, der zur heutigen Verhandlung gegen Ex-Wölbern-Invest-Chef Heinrich Maria Schulte aus der Schweiz nach Hamburg gereist ist, gegen Mittag den Gerichtsaal wieder verlässt, ist eigentlich alles gesagt. Etwa zwei Stunden lang stand Wilden der Kammer, der Staatsanwaltschaft sowie Schultes Verteidigern ausführlich Rede und Antwort, so dass kaum eine Frage offen blieb. Bis auf eine vielleicht: Warum nur hat ausgerechnet die Verteidigung diesen Zeugen vorladen lassen?
Vor der Verhandlung war das leicht zu beantworten. Schulte erhoffte sich von Wilden entscheidende Entlastung angesichts der Untreuevorwürfe, die die Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten vorbringt. Der Behörde zufolge soll der frühere Fondshaus-Chef insgesamt 147 Millionen Euro aus geschlossenen Immobilienfonds von Wölbern Invest veruntreut haben.
Schulte bestreitet das. Teil seiner Argumentation ist dabei seit Beginn des Prozesses, es habe Vertragsunterlagen gegeben, auf deren Grundlage die Gelder aus den Fonds entnommen worden seien. Zudem hätten den Geldentnahmen umfangreiche Sicherheiten gegenüber gestanden.
Um diese Sicherheiten geht es am heutigen Verhandlungstag. Und damit um Schultes Aktivitäten in Finnland. Dort nämlich betrieb der Mediziner und Unternehmer eine Firmengruppe, deren Hauptzweck darin bestand, ein Mittel zur Behandlung von Blasenkrebs zu entwickeln.
Schultes Kalkül geht nicht auf
Diese Entwicklung sei vielversprechend gewesen und weit vorangeschritten, so Schulte. Nach Darstellung des früheren Fondshaus-Chefs stand der Abschluss eines Vertrages unmittelbar bevor, auf dessen Grundlage seiner Seite für die endgültige Entwicklung und darauffolgende Vermarktung des Krebsmittels ein dreistelliger Millionenbetrag zugeflossen wäre. Diese Millionen, so schließt Schulte den Kreis, hätten als Sicherheiten gedient für die Gelder, die aus den Wölbern-Fonds abgeflossen waren.
Der Mann, der diese Behauptungen untermauern soll, heißt Peter Wilden und sitzt am heutigen Donnerstag auf dem Zeugenstuhl. Er ist Finanzchef der Schweizer Pharmafirma Ferring, mit der Schulte über den Krebsmittel-Deal in Finnland verhandelte. Wilden saß Schulte bei diesen Verhandlungen direkt gegenüber, die Verteidigung ließ ihn in den Gerichtssaal rufen, damit er die Darstellung des Angeklagten bestätige. Der Mann aus der Schweiz dürfte der vielleicht größte Hoffnungsträger Schultes im bisherigen Prozessverlauf gewesen sein.
Gegen Mittag im Gerichtssaal am Hamburger Sievekingplatz, als die Verhandlung beendet ist, ist jedoch klar: Das Kalkül der Schulte-Seite ging wohl nicht auf. Denn nach Darstellung Wildens lagen die Dinge zwischen Ferring und Schulte offensichtlich doch etwas anders.
Wilden widerspricht Schulte in zwei wichtigen Punkten
Vor allem in zwei zentralen Punkten weichen Wildens Angaben von denen Schultes ab:
- Die Unterschrift unter den Vertrag zwischen Schultes finnischer Firma FKD und Ferring war zum Zeitpunkt von Schultes Verhaftung im September 2013 offenbar keineswegs "nur noch Formsache", wie von der Verteidigung schon mehrfach im Gerichtsaal behauptet. Vielmehr war nach Angaben des Zeugen die sogenannte Due Dilligence von Seiten Ferrings, die Risikoprüfung bei dem Vorhaben also, noch gar nicht abgeschlossen. Laut Wilden gab es konkrete Probleme, die zunächst hätten bewältigt werden müssen, beispielsweise bei der Produktionsanlage in Finnland, die das besagte Krebsmittel in größerer Menge herstellen sollte.
- Was wohl noch schwerer wiegt: Von einer schnellen Verfügbarkeit eines dreistelligen Millionenbetrages als Sicherheit für die Gelder aus den Wölbern-Fonds konnte aufgrund der Verhandlungen offenbar keine Rede sein. Wäre der Vertrag zwischen der FKD und Ferring tatsächlich zustande gekommen, so wäre laut Wilden vielmehr zunächst nur vergleichsweise geringe Gelder an FKD geflossen. Wilden zufolge hätte FKD unmittelbar nach Unterzeichnung eine "Signing Fee" in Höhe von sieben Millionen Euro erhalten. In den darauffolgenden 1,5 bis zwei Jahren wären abhängig vom Erreichen bestimmter Entwicklungsschritte weitere Zahlungen in Höhe von zusammen 10,5 Millionen Euro fällig gewesen. Mit einer Zulassung des Krebsmittels, welche wohl größeren Umsatz versprochen hätte, war laut Wilden nicht vor 2018 zu rechnen.
In einem Punkt zumindest stimmt Wilden mit Schulte überein: Mit der Verhaftung des früheren Wölbern-Chefs waren die Gespräche schlagartig beendet. Nach Darstellung des Zeugen hatten ihn bereits seit dem Frühjahr 2013 kritische Presseberichte über die Wölbern-Gruppe irritiert. Schulte habe jedoch auf Nachfragen stets versichert, es bestehe kein Grund zur Besorgnis und die Aktivitäten in Finnland seien davon ohnehin unberührt.
Als jedoch Schulte in Haft kam, war Ferring an einem Vertragsabschluss unter der neu entstandenen Unsicherheit nicht mehr interessiert, so Wilden. Das bedeutet allerdings offenbar nicht, dass das Interesse an dem Krebsmittel schlagartig erloschen war. Wie im Gerichtssaal erwähnt wurde, hat Ferring inzwischen die FKD sowie deren Mutter WKD in Finnland, die beide zwischenzeitig in die Insolvenz gerutscht waren, übernommen. Die Entwicklung des Blasenkrebsmittels laufe noch, sagte Wilden.
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