

Hamburg - Zufrieden sind die Deutschen offenbar nicht mit der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Über die Hälfte der Befragten hält die Niedrigzinspolitik der EZB für ein untaugliches Mittel, um den Problemen im Euro-Raum zu begegnen, so der Befund der Gothaer Anlegerstudie 2015. 36 Prozent wollen bei der Geldanlage daher flexibel vorgehen. Wasser auf die Mühlen des Dachfondsmanagers Eckhard Sauren, den dieses Thema so sehr umtreibt, dass er gleich ein ganzes Buch dazu geschrieben hat.
mm: Wie sehr gefährdet die Zinsfalle die Vermögensbildung in Deutschland?
Sauren: Dass sie das tut, ist offensichtlich - wenn Sie sich ansehen, das das Gross der deutschen Vermögen in Anlagen mit einer Verzinsung unter 1 Prozent steckt.
mm: Aber ein Verlust ist das noch nicht.
Sauren: Stimmt - aber wenn Sie sich fragen, ob das auch so weitergeht, sehe ich erhebliche Probleme auf uns zukommen. Denn Anleihen hatten bis zuletzt kräftigen Rückenwind, die Kurse stiegen weiter. Das gleiche übrigens bei Aktien. Sie konnten mit einer einfachen Mischung aus Aktien und Anleihen kaum daneben liegen. Aber das dauert nicht an.
mm: Warum?
Sauren: Weil das Ende der Entwicklung absehbar ist. Noch viel niedriger können die Zinsen nicht fallen. Wir werden die kommenden Jahre also in einem Umfeld extrem niedriger Zinsen leben - ohne den Rückenwind durch Kursgewinne aufgrund sinkender Zinsen.
mm: Und die klassischen Antworten der Deutschen, wie die Lebensversicherung …
Sauren: Die haben selbst zu kämpfen. Versicherungen investieren viel in Anleihen- und laufen damit in die Zinsfalle.
mm: In aller Kürze - Ihre Lösung?
Sauren: Im Anleihenbereich sind flexible Rentenstrategien indexorientierten Strategien vorzuziehen. Sehr interessant sind - sowohl im Aktien- als auch im Anleihenbereich - Absolute-Return-Strategien, welche möglichst unabhängig von der allgemeinen Marktentwicklung einen attraktiven Wertzuwachs anstreben. Ebenfalls sind Aktien als Beimischung für ein breit diversifiziertes Portfolio sinnvoll. Dort sollte man jedoch darauf achten, dass man mit seiner eigenen Risikobereitschaft dieses Investment längerfristig eingehen kann und ferner Fondsmanager mit Alpha-Potenzial wählen.
Wohlstand oder Reichtum sind zunehmend ungleich verteilt, stellte jüngst die Wohltätigkeitsorganisation Oxfam fest. Vieles ist ererbt, manches erarbeitet. Die richtige Geldanlage kann helfen, Unterschiede etwas zu nivelieren. Allerdings machen die Menschen dabei oft einen Fehler - vorausgesetzt, sie sind finanziell überhaupt in der Lage, Geld beiseite zu legen.
Denn sie sparen falsch. Das kann dazu führen, dass Einkommen nicht zu Wohlstand führt, Wohlstand nicht zu Reichtum. In einfachen Worten: Gerade die Deutschen stecken das Geld vor allem in niedrigverzinste Papiere. Außerdem helfen die Rezepte der Vergangenheit nicht weiter - es dürfte künftig der Rückenwind fehlen, der zuletzt etliche Anlagen vorantrieb, so Dachfondsmanager Eckhard Sauren. Entsprechend reicht es bei den einen nur zum Schlauchboot, bei den anderen zur Motoryacht. Die Gründe für diese Entwicklung liegen für Sauren auf der Hand. Eine Erklärung in Bildern.
Scheinsicherheit Teil I: Die beliebten Anleihen mit langen Laufzeiten gaukeln eine Illusion der Sicherheit vor. Zwar werfen sie oft noch einträgliche Zinsen ab. Doch die potentiellen Risiken für diese Anleihen sind nicht ohne, wie die Grafik zeigt. Denn was passiert, wenn die Leitzinsen steigen? Sinkt deren Kurs. Und diese Verluste schlagen vor allem bei langlaufenden Anleihen kräftig zu Buche. Entsprechend gilt, wie Sauren auf eine Konferenz erklärte: Die Kurssteigerungen jetzt mitnehmen und die Anleihen verkaufen.
Scheinsicherheit Teil II: Die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen von Lebensversicherungen sinkt im Trend. Das Lieblingsinvestment der Deutschen hat damit nur einen geringen "Punch" - selbst wenn der Gesetzgeber ihnen immer wieder entgegenkommt, indem er die Mindestverzinsung senkt.
Die Immobilien, auch das selbstgenutzte Eigenheim, bietet nur eine Scheinsicherheit - Teil III. Unter anderem, weil die Demografie bereits jetzt mahnt: Sinkt zum Beispiel die Bevölkerungszahl Deutschlands weiter (und so dürfte es langfristig aussehen), dann werden auch weniger Häuser gebraucht. Deren Wert sänke damit. Langfristig ist das keine gute Voraussetzung, um mit einer Immobilie eine Wertsteigerung zu erzielen.
Die Macht des Zinsenszinseffekts - eine unterschätzte Größe. Je höher der Zins und je länger die Laufzeit, um so mehr Geld bleibt am Ende übrig.
Europa wird einheitlicher - auch wenn Nord und Süd in Sachen Leistungsfähigkeit derzeit deutlich auseinanderklaffen. Das bedeutet, dass niemand mehr im Euro-Raum höher verzinste Staatsanleihen erwerben kann. Ob er es mit Blick auf die damit verbundenen politischen Risiken auch will, ist naturgemäß eine weitere Frage.
Die verkannte Gefahr: Die "anderen" Spieler. Wer kauft Anleihen, wer hält sie? Nicht mehr unbedingt Investoren mit einem langen Anlagehorizont, sondern immer öfter auch Exchange Traded Funds (ETF), die einen Index nachbauen. Ändert sich dieser Index, muss auch der ETF umgebaut werden - die alte Anleihe verkauft, die neue Anleihe zugekauft werden. Anleihen, eine Domäne der Investoren mit den oft zitierten "ruhigen Händen"? Von wegen.
Der Einlagenzins sinkt. Das bedeutet, dass die Menschen für jeden Euro, den sie zur Bank tragen, kaum noch Zinsen bekommen. Bizarrerweise in Deutschland sogar weniger, als es im europaweiten Schnitt der Fall ist. Und so dürfte es weiter gehen. Eine echte Zinsfalle eben.
Was bleibt den Anlegern? Unter anderem Aktien. Denn Dividendenrendite pendelt im Schnitt um die 4 Prozent.
Die Immobilien, auch das selbstgenutzte Eigenheim, bietet nur eine Scheinsicherheit - Teil III. Unter anderem, weil die Demografie bereits jetzt mahnt: Sinkt zum Beispiel die Bevölkerungszahl Deutschlands weiter (und so dürfte es langfristig aussehen), dann werden auch weniger Häuser gebraucht. Deren Wert sänke damit. Langfristig ist das keine gute Voraussetzung, um mit einer Immobilie eine Wertsteigerung zu erzielen.
Foto: Armin Weigel/ picture-alliance/ dpa