Anlageberatung Am Bedarf der Kunden vorbei

Eine Frage des Vertrauens: Die meisten Kunden müssen ihrem Vorsorge- und Geldanlageberater wohl oder über vertrauen, weil ihnen das Wissen fehlt
Foto: Patrick Pleul/ dpaHamburg - Zu teuer, zu unrentabel, zu unflexibel, zu riskant - nahezu jedes zweite Produkt, das Banken und Versicherer ihren Kunden zur Geldanlage und Altersvorsorge andienen, geht am tatsächlichen Bedarf der Verbraucher vorbei. Das glaubt der Dachverband der Verbraucherzentralen in Deutschland (Vzbv) mit einer aktuellen Untersuchung nachweisen zu können.
Verpflichtende Produktinformationsblätter und Beratungsprotokolle, die den Beratungs- und Verkaufsprozess dokumentieren, haben demnach in der Vergangenheit offenbar nicht verhindern können, dass viele Kunden immer noch das "falsche" Produkt vermittelt bekommen.
Der Untersuchung zufolge, der 300 dokumentierte Fälle mit insgesamt knapp 2000 Einzelprodukten aus der jüngsten Beratungspraxis von Verbraucherzentralen zugrunde liegen, waren 42 Prozent der bereits erworbenen Produkte nicht bedarfsgerecht.
Bei den aktuell und neu angebotenen Finanz- und Vorsorgeprodukten gingen sogar 87 Prozent am eigentlichen Bedarf der Kunden vorbei, so die Verbraucherschützer.
"Produkte zu teuer und zu unrentierlich"
"Das ist ein alarmierendes Zeichen, zumal das Verhalten der Finanzberater in vielen Fällen direkt zu Lasten der privaten Altersvorsorge geht", sagte Finanzexperte Niels Nauhauser am Donnerstag. Hauptverantwortlich dafür sei der nach wie vor vorherrschende provisionsbasierte Vertrieb von Finanzprodukten in Deutschland. Er verhindere Interessenskonflikte nicht und führe in vielen Fällen fortgesetzt zu Fehl- und Falschberatungen.
Die Untersuchung bemängelt zwar in gut einem Drittel der nicht als bedarfsgerecht erachteten privaten Anlageportfolien das Risiko für den Kunden als zu hoch. Interessanterweise seien die meisten Anlageprodukte aber nicht aus diesem Grund für den Verbraucher ungeeignet. Ein nahezu gleich großer Teil der Produkte weise eine zu geringe Flexibilität für den jeweiligen Kunden auf.
Die mit Abstand häufigste Schwachstelle der untersuchten Fälle bestand aber offenbar darin, "dass die Produkte schlicht zu teuer und zu unrentierlich sind", sagte Vzbv-Finanzexpertin Dorothea Mohn. Dabei verteuerten oftmals hohe Provisionsansprüche die Anlageprodukte. Genauso könne aber auch die Unflexibilität eines Produkts seine Rentierlichkeit negativ beeinflussen. Dann nämlich, wenn die vorzeitige Kündigung mit finanziellen Nachteilen verbunden ist, gaben die Verbraucherschützer zu bedenken.
Wer sich nicht informiert, muss dem Berater vertrauen
Dass Finanzberater oft das teurere und komplexere Produkt anstatt das für den jeweiligen Kunden am besten geeignete empfehlen, weil sie daran mehr Provision verdienen, ist ein hinlänglich bekannter Vorwurf. Zu einem Provisionsverbot - wie zum Beispiel in Großbritannien - konnte sich die hiesige Regierung aber nicht durchringen und ebnete im April der Honorarberatung in diesem Jahr gesetzlich den Weg als gleichberechtigtes Modell.
Kritikern geht das nicht weit genug, betrifft die Regelung doch nur einen Teil der Geldanlageprodukte. Auch muss die Finanzindustrie keine provisionsfreien Tarife für ihre Produkte anbieten. Ohne diese aber könne sich die Honorarberatung nicht gleichberechtigt und wettbewerbsfähig in Deutschland entwickeln. Auch versuchten Geldinstitute, sich ihrer Pflicht der Offenlegung von Provisionen trickreich zu entziehen, lautet die Kritik.
Es wundert daher nicht, dass die Verbraucherschützer am Donnerstag ihre Forderung nach einer strikten Trennung von Beratung und Verkauf erneuerten. "Die Beratung muss frei von Provisionsinteressen sein und klar vom Produktverkauf abzugrenzen." Zudem bedürfe es neuer Standards, die die Beratungsleistung und -qualität sicherstellten. Die bisherige gesetzliche Anforderung der "Geeignetheit der Anlageempfehlung" sei unzureichend und müsse durch eine Pflicht zum "Best Advice" ersetzt werden.
Bankenverband: 87 Prozent der Kunden mit Anlageberatung zufrieden
Dass Kunden offenbar immer wieder einem zweifelhaften Rat der Geldanlage- und Altersvorsorgeberater aufsitzen, hat indes auch mit ihrem Wissen darüber zu tun. Der Vzbv-Untersuchung zufolge gab nur jeder siebte Kunde an, er wisse wie eine Lebens- oder Rentenversicherung funktioniere. Bei Aktien und Investmentfonds war es nicht einmal jeder zehnte.
Das ist ein trauriger Befund, der allerdings auch auf das nach wie vor gering ausgeprägte Interesse der Deutschen zurückzuführen sein dürfte, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Wer das ablehnt oder nicht kann, wird sein Geld weiter auf schwach verzinsten Konten horten oder auch in Zukunft seinem Bankberater vertrauen und sich damit begnügen müssen, was ihm der Berater auftischt.
Folgt man einer repräsentativen Umfrage des Bundesverbands Deutscher Banken von Anfang Dezember, sind 62 Prozent der Kunden mit der Empfehlung ihres Bankberaters "zufrieden". 25 Prozent sogar "sehr zufrieden". Lediglich 11 Prozent der Kunden, die sich in den vergangenen drei Jahren beraten ließen, waren es nicht.