Hauptstadt der Neugründungen Wie Start-ups den Berliner Immobilienmarkt umkrempeln

17 Mietverträge für 200.000 Quadratmeter: Zalando gehört zu den bekanntesten Start-ups in Berlin
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesStart-ups, also junge, stark wachsende Unternehmen vornehmlich aus der IT-Branche, sind in keiner deutschen Stadt so präsent wie in Berlin. Bekannt sind namhafte Online-Firmen wie Zalando oder Delivery Hero (mit Marken wie Lieferheld), die allesamt an der Spree sitzen. Hinzu kommen unzählige kleinere Unternehmen, die noch auf den großen Durchbruch warten.
Dass Berlin den Ruf als Start-up-Hauptstadt Deutschlands verdient hat, ist bereits an den nackten Zahlen zu erkennen: Von 1600 Unternehmen, die der Immobilienberater JLL deutschlandweit im Zeitraum 2000 bis heute ausgewertet hat, hat mit beinahe 900 der weitaus größte Teil seinen Sitz in der Metropole an der Spree. Auf Platz zwei folgt mit 130 Ansiedlungen und damit riesigem Abstand München (siehe Tabelle).
Wie sehr dieser dynamische Wirtschaftsbereich auch den Immobilienmarkt der Bundeshauptstadt verändert, zeigt eine Analyse, die JLL eigens für manager-magazin.de vorgenommen hat.
Demnach befindet sich die Start-up-Szene gerade im Moment in einer sehr dynamischen Phase, die auch mit besonders starker Aktivität am Immobilienmarkt einhergeht. So mieteten Start-up-Unternehmen laut JLL in den ersten neun Monaten 2015 in Berlin zusammen etwa 136.000 Quadratmeter an Büroflächen an. Das ist immerhin etwa ein Viertel der in diesem Zeitraum insgesamt umgesetzten 584.000 Quadratmeter. Dabei entfielen laut JLL rund 10 Prozent auf großvolumige Deals von 5000 Quadratmetern und mehr.
Insgesamt, so JLL, nahmen die Vermietungen an Start-ups in Berlin in den vergangenen zehn Jahren um den Faktor 30 zu. "Wir erleben momentan eine besondere Dynamik", sagt Helge Scheunemann, Research-Chef von JLL Deutschland. "Allein Zalando hat in den letzten Jahren bei etwa 17 Vertragsabschlüssen rund 200.000 Quadratmeter angemietet."
Aktive und unabhängige Start-up-Unternehmen seit 2000
Berlin | 895 |
---|---|
München | 130 |
Hamburg | 120 |
Köln | 76 |
Düsseldorf | 17 |
Stuttgart | 17 |
Potsdam | 13 |
Leipzig | 13 |
Augsburg | 13 |
Karlsruhe | 13 |
Frankfurt/Main | 11 |
Sonstige | 264 |
Quelle: JLL 2015 u.a.
Entscheidend für die schnell steigende Bedeutung der Start-ups in Berlin sind nach Angaben Scheunemanns drei Faktoren: Einerseits gibt es eine enorm große Zahl an Gründungen in der Stadt, viel mehr als in anderen deutschen Metropolen. Und andererseits wachsen diese Firmen teilweise rasant, was mit einem schnell steigenden Flächenbedarf einhergeht. Schließlich besitzt Berlin anders als die anderen großen deutschen Ballungsräume keine globalen Unternehmen, die Start-ups in ihr Unternehmensportfolio aufnehmen könnten. Daher sind Start-ups in Berlin gezwungen auf eigenen Beinen zu stehen.
Scheunemann erwartet allerdings nicht, dass das hohe Wachstumstempo auf lange Sicht unverändert bleiben wird. "Wir gehen davon aus, dass Start-ups langfristig für mindestens 10 Prozent des Büroflächenumsatzes in der Hauptstadt sorgen werden", sagt er.
Das Aufkommen der neuen Wirtschaftsmacht wirkt sich zudem nicht nur quantitativ auf den Immobilienmarkt aus, sondern auch qualitativ. Sprich: Die Art des Flächenbedarfs ändert sich, weil sich auch die Arbeitsweisen der Firmen wandeln. "Die Aktivitäten von Start-ups in Berlin haben vielfältige Auswirkungen", so Scheunemann. "Dazu zählt vor allem, dass die Nachfrage nach spezifisch ausgestatteten Büroflächen steigen wird."
Es sei absehbar, sagt der Experte, dass ein komplett neues Businessmodell entstehe: Die reine Bürovermietung trete dann immer weiter in den Hintergrund, zu Gunsten von Desk-Sharing, Co-Working und anderen Dienstleistungsangeboten.
Die gute Nachricht für etablierte Branchen wie Wirtschaftsprüfer oder Anwaltskanzleien, die ebenfalls auf Büroflächen in der Hauptstadt angewiesen sind, lautet indes: Die räumliche Fokussierung findet bei Start-ups eher am Rand der Top-Lagen statt, während etablierte Branchen die unmittelbare Nähe zu den Geschäftszentren der Stadt sucht, wie Scheunemann beobachtet. Start-ups sei die infrastrukturelle Einbindung in der Stadt am wichtigsten, sagt er.
So zahlen durchschnittliche Neugründungen mit 13,50 pro Quadratmeter und Monat laut JLL im Schnitt nur etwa 50 Cent weniger als traditionelle Mieter. Lediglich Platzhirsche greifen tiefer in die Tasche. Unternehmen wie Rocket Internet oder Lieferheld zahlen bis zu 21 Euro pro Quadratmeter und Monat, sagt Scheunemann. Denn diese Firmen hätten höhere Ansprüche an die Ausstattung und suchten oft in Lagen, die begehrt und daher teurer seien.
Viele Start-ups achten allerdings ohnehin nicht so sehr auf den Preis, so Scheunemann. "Wichtiger ist oft die Flexibilität der Flächen, die eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit in den Unternehmen ermöglichen soll", so der Fachmann. Das sei letztlich auch eine Imagefrage.