
Wölbern-Untreueprozess Knaller im Gericht - oder Rohrkrepierer?
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Hamburg - Im Prozess gegen Heinrich Maria Schulte, den früheren Chef des Fondshauses Wölbern Invest, wurde es am heutigen zehnten Verhandlungstag erst gegen Ende richtig spannend. Da stellte Staatsanwalt Heyner Heyen einen Antrag auf Aufnahme weiterer Beweismittel in die Akten. Minutenlang verlas Heyen die Liste des Materials - Kontoauszüge, Mails und ähnliches - das er den Prozessunterlagen hinzufügen möchte. Dann kam seine Begründung - und die hatte es in sich.
Wenn stimmt, was der Staatsanwalt vor Gericht vortrug, dann könnte der Angeklagte Schulte, dem laut Klage gewerbsmäßige Untreue in 360 Fällen mit einem Gesamtvolumen von fast 150 Millionen Euro vorgeworfen wird, im Zuge der monatelangen Ermittlungen gegen ihn seine eigenen Anwälte hinters Licht geführt haben.
Dabei geht es wie immer in diesem Prozess um Geldtransfers zwischen Wölbern-Fonds und anderen Gesellschaften der Wölbern-Gruppe. Insbesondere die niederländische Wölbern Invest B.V. steht im Fokus. An sie sollen laut Anklage die Millionensummen aus den Fonds geflossen sein, bevor sie von dort an andere Stellen weitergeleitet wurden.
Nach allem, was bislang im Prozess bekannt wurde, begannen die Geldtransfers aus Wölbern-Fonds an die Wölbern Invest B.V. bereits im Jahr 2011. Als Grundlage dafür dienten der Verteidigung zufolge zunächst Darlehensverträge zwischen den Fondsgesellschaften und der B.V.
Überweisung hin und zurück am gleichen Tag
Gegenstand im Gericht war an den bisherigen Verhandlungstagen wiederholt mindestens ein derartiger Kreditvertrag, der offenbar sowohl auf Seiten der Wölbern Invest B.V. als auch auf Seiten des betreffenden Fonds vom Angeklagten Schulte unterschrieben worden ist. Das war offenbar möglich, weil Schulte nach und nach in den Wölbern-Fonds die Geschäftsführung übernommen hatte.
Aufgrund solcher Verträge waren laut Staatsanwaltschaft bis Ende 2011 bereits Millionensummen aus den Fonds an die B.V. geflossen - bis am Jahreswechsel die Erstellung der Jahresabschlüsse für die Beteiligungsgesellschaften anstand.
In den Abschlüssen der Fonds für 2011, so der Staatsanwalt, sollten die abgebuchten Beträge offenbar nicht auftauchen. Folge: Die Gelder, die an die B.V. gegangen waren, mussten wieder auf die Fondskonten zurücküberwiesen werden. Aber nicht etwa dauerhaft. Laut Staatsanwalt Heyen gab es vielmehr neben den Zahlungsanweisungen von der B.V. an die Fonds auch gleich die entsprechenden Überweisungsaufträge in die andere Richtung, also zurück zur Wölbern Invest B.V. in die Niederlande. Und zwar datiert auf exakt den gleichen Tag.
Diese Darstellung deckt sich mit den Angaben, die ein Mitarbeiter der Sydbank zuvor ebenfalls am heutigen zehnten Verhandlungstag als Zeuge im Gericht gemacht hatte. Bei der Sydbank wurden zu jener Zeit sowohl Konten der Wölbern-Gruppe - inklusive Wölbern Invest B.V. - als auch der Wölbern-Fonds geführt.
Im Klartext heißt das laut Staatsanwaltschaft: Der Ausgleich der Fondskonten sollte zu Beginn des Jahres 2012 lediglich vorgetäuscht werden - faktisch fand er nicht statt.
Das ist bereits starker Tobak. Doch es ist noch nicht alles. Staatsanwalt Heyen zufolge unternahm das Management der Wölbern-Gruppe in der Folge alle möglichen Verrenkungen, um die erforderliche Deckung der Fondskonten auch gegenüber dem Wirtschaftsprüfer, der die Fondsabschlüsse testieren sollte, dokumentieren zu können. Die Tatsache, dass Geldzufluss und -abfluss am gleichen Tag erfolgt waren, erwies sich dabei offenbar als Problem. Denn - so zitierte Heyen im Gericht aus internen Wölbern-Mails - es war aus diesem Grund offenbar kaum möglich, einen Kontoauszug zu erstellen, der ausschließlich den Mittelzugang saldierte.
Pikant wird die Sache zudem durch einen weiteren Aspekt: Nach Angaben des Staatsanwalts versorgte der Angeklagte Schulte auch seine Anwälte lediglich mit unvollständigen Unterlagen, aus denen der taggleiche Zu- und Abgang der Gelder auf den Fondskonten nicht vollständig ersichtlich wurde. Namentlich Schultes Anwalt Wolf Römmig habe aufgrund dieser Unterlagen im Zuge der Ermittlungen eine Eingabe an die Staatsanwaltschaft gemacht, in der er - um seinen Mandanten zu entlasten - auf die vermeintlichen Rückflüsse auf die Fondskonten hingewiesen habe.
Hat Schulte seine Anwälte falsch informiert?
Tatsächlich hat die Verteidigung um Römmig auch an den vorangegangenen Prozesstagen wiederholt angebliche Rückflüsse an die Fonds, die von der Staatsanwaltschaft nicht beachtet worden seien, ins Feld geführt, um ihren Mandanten zu entlasten. Sollte Schulte seine Anwälte diesbezüglich also falsch informiert haben?
Die Ausführungen von Staatsanwalt Heyen klangen zunächst nach einem ziemlichen Knaller vor Gericht. Ob sie tatsächlich Sprengkraft haben oder sich vielleicht lediglich als Rohrkrepierer erweisen, dürfte aber auch davon abhängen, wie die Schulte-Seite darauf regiert.
Vor Gericht nahm die Verteidigung zum Vortrag des Staatsanwaltes zwar nicht unmittelbar Stellung, sie dürfte das aber an einem der folgenden Verhandlungstage nachholen. Der Prozess wird nach einer Sommerpause am 4. August fortgesetzt.
Schultes Anwalt Römmig indes, der namentlich als mögliches Opfer der Fehlinformation genannt wurde, war im Gerichtssaal garnicht zugegen. Auch ein Anruf mit der Bitte um Stellungnahme ging ins Leere - Römmig ist urlaubsbedingt bereits nicht mehr zu erreichen.
Zum Anschauen: Was sich in Schultes Privatbesitz befindet
Bericht: So lief der sechste Tag der Verhandlung gegen Professor Schulte
Fotostrecke: Heinrich Maria Schulte vor dem Hamburger Landgericht
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Fotostrecke: Exklusive Bilder von der Razzia bei Wölbern Invest
Mehr zum Prozess gegen Heinrich Maria Schulte und Wölbern Invest auch auf Twitter:
Laut Bericht von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin aus Hamburg verfügte Heinrich Maria Schulte, Ex-Chef von Wölbern Invest, der sich vor dem Landgericht in Hamburg zurzeit wegen des Vorwurfs der gewerbsmäßigen Untreue verantworten muss, über ein Haus auf Sylt (Bild: Sonnenuntergang bei Wenningstedt), eine Villa an der Hamburger Elbchaussee sowie eine Wohnung in Sankt Peter-Ording. Zudem hatte der Mediziner Anteile an drei Gewerbeimmobilien.
Eine Gemäldesammlung Schultes mit rund 100 Werken soll einen Wert von an die 600.000 Euro haben. Darunter befindet sich ein Werk von Gerhard Richter (Foto) sowie eins von ...
... Andy Warhol (im Bild: Warhol-Porträts, die sich nicht im Besitz von Schulte befinden).
Die Weinsammlung Schultes (Symbolbild) ist laut Insolvenzverwalter schätzungsweise rund 17.000 Euro wert.
Zudem hatte Schulte (hier mit seinen Verteidigern im Gerichtssaal) laut Insolvenzverwalter Bankguthaben von rund 33.000 Euro sowie Lebensversicherungsverträge im Wert von etwa 116.000 Euro.
Schulte soll fast 150 Millionen Euro aus Fonds von Wölbern Invest veruntreut haben. Er weist den Vorwurf zurück. Der Prozess läuft in Hamburg seit einem Monat.