Schiffsfonds Schicksalsfrage für 6000 Fondsanleger

Das Fondshaus Ideenkapital bittet 6000 Anleger, dem Verkauf ihrer 15 Frachtschiffe an eine Poolgesellschaft zuzustimmen, an der sie teilweise weiter partizipieren würden. Viele Fragen sind noch offen - und schon am Mittwoch endet die Abstimmungsfrist.
Gestrandeter Massengutfrachter: Das Investment der Anleger in Navalia-Fonds von Ideenkapital ging schief

Gestrandeter Massengutfrachter: Das Investment der Anleger in Navalia-Fonds von Ideenkapital ging schief

Foto: Getty Images

Hamburg - Nur noch ein Tag, dann müssen sich etwa 6000 Anleger des Düsseldorfer Fondshauses Ideenkapital entschieden haben. Die Investoren haben sich mit insgesamt rund 220 Millionen Euro Eigenkapital an 13 Schiffsfonds mit zusammen 15 Frachtschiffen beteiligt. Das Gesamtvolumen der Fonds beträgt Schätzungen zufolge mehr als 500 Millionen Euro.

Seit einigen Wochen lässt Ideenkapital die Anleger schriftlich abstimmen. Die Investoren sollen beschließen, dass ihre Schiffe in eine gemeinsame Gesellschaft eingebracht werden, betrieben von einem neuen Investor, der auch frisches Geld mitbringt. Damit würden drängende Banken erst einmal ruhiggestellt und die Anleger könnten weiterhin am Betrieb der Frachter partizipieren. Die Alternative ist der sofortige Verkauf der Pötte, womit die Anleger einen Schlussstrich unter die unglückliche Beteiligung ziehen könnten.

Notwendig wurde die Entscheidung, weil die Schiffe - es handelt sich in diesem Fall um Spezialtanker und Massengutfrachter - in der seit einigen Jahren andauernden Branchenkrise in Schwierigkeiten geraten sind. Die Einnahmen wurden knapp, die Liquidität schrumpfte. Zuletzt bat Ideenkapital Anleger um Eigenkapitalnachschüsse - aber vergeblich.

Weil von den Gesellschaftern zu wenig Geld zugesagt wurde, muss jetzt über das "strukturierte Verkaufskonzept", wie es das Emissionshaus nennt, entschieden werden: Die Einbringung der Schiffe in einen Pool mit dem neuen, externen Investor, der auch Eigentümer der Schiffe werden soll.

Das Konzept für die 13 Navalia-Fonds von Ideenkapital sieht im einzelnen so aus:

  • Die Fonds verkaufen ihre Schiffe an eine Zweckgesellschaft, hinter der der neue Investor steht.
  • Grundlage zur Berechnung des Kaufpreises ist der aktuelle Marktwert, der laut Ideenkapital von einem Gutachter festgestellt wurde. Der Kaufpreis wird jedoch nicht in voller Höhe an die Anleger gezahlt, sondern in zwei Teilen.
    • Zunächst überweist der Investor lediglich Tranche eins. Das ist exakt die Summe, die erforderlich ist, um alle aktuellen Verbindlichkeiten sowie die noch offenen Schiffskredite zu begleichen.
    • Tranche zwei besteht aus einer Art "Besserungsschein", wobei sich die Bezeichnung in diesem Fall durchaus als irreführender Euphemismus entpuppen kann. Die Fondsanleger bleiben damit bis voraussichtlich 2019 an den Schiffen beteiligt und partizipieren am Betrieb sowie am späteren Verkaufserlös.
  • Fortan fahren die 15 Schiffe in einem Pool, in dem alle Einnahmen gebündelt werden.

Stimmen die Investoren dem Konzept nicht zu, so bleibt als Alternative nur noch der sofortige Verkauf des Schiffes beziehungsweise der Schiffe des jeweiligen Fonds (in einigen Fonds befinden sich zwei Frachter), nebst Auflösung der Beteiligungsgesellschaft.

Die Frage, die sich die Anleger nun also beantworten müssen, lautet: Ist das Konzept des "strukturierten Verkaufs" vorteilhafter, als der sofortige Komplettverkauf?

6 kritische Punkte, die Anleger bedenken müssen

Die Antwort dürfte von Fonds zu Fonds unterschiedlich ausfallen. Denn jedes der Schiffe befindet sich in einer anderen wirtschaftlichen Situation. Der Kalkulation zufolge, die Ideenkapital im Zusammenhang mit der Abstimmung an die Investoren geschickt hat, gibt es beispielsweise Schiffe, deren sofortiger Verkauf den Anleger keinerlei Rückflüsse bringen würde. Denn der aktuelle Marktwert und zu erwartende Verkaufserlös würde nicht einmal die verbleibenden Verbindlichkeiten inklusive Bankkredit decken. Mitunter müsste der künftige Investor in solchen Fällen sogar drauf zahlen.

Es gibt aber auch Schiffe, deren Anleger aus einer sofortigen Veräußerung laut Ideenkapital mit Rückflüssen von 20, 30 oder mehr Prozent rechnen können. Insbesondere die Investoren dieser Fonds müssen sich wohl überlegen, ob es sinnvoll sein kann, auf einen möglichen Erlös in der Zukunft zu hoffen, oder lieber einen vergleichsweise sicheren in der Gegenwart zu realisieren.

In jedem Fall sollten die Anleger bei ihrer Entscheidung eine Reihe kritischer Punkte im Auge behalten:

  • Offen ist, wie sich die Märkte und damit die wirtschaftliche Situation der Schiffe künftig entwickeln. Geht es wieder aufwärts, könnte das Verkaufskonzept von Vorteil sein, weil der Erlös in einigen Jahren dann eventuell leicht über dem liegt, was jetzt zu bekommen wäre. Es besteht aber auch das umgekehrte Risiko, dass sich das Ganze als Minusgeschäft entpüppt.
  • Der Investor, der jetzt in den Schiffspool einsteigt, kann augenscheinlich kaum verlieren. Er erwirbt die Schiffe zu einem aufgrund der Marktkrise sehr günstigen Preis, den er noch nicht einmal vollständig bezahlen muss. Vielmehr löst er zunächst lediglich die Verbindlichkeiten und Hypotheken ab. Was er darüber hinaus an die Anleger überweist, hängt vom wirtschaftlichen Erfolg des Pools ab. Dabei werden die Einnahmen nicht 1 zu 1 geteilt, sondern mit einem größeren Teil auf Seiten des Investors.
  • Die Anleger verlieren die Rechte an den Schiffen. Es gibt künftig keine Mitsprache mehr und keine Abstimmungen. Auch die Einsichtnahme in Geschäftsergebnisse dürfte, wenn überhaupt, dann nur noch beschränkt möglich sein.
  • Aufgrund der Poolbildung subventionieren künftig tendenziell die besseren Schiffe die schlechteren - und damit auch die Anleger besserer Schiffe die Anleger der schlechter laufenden.
  • Bei der Verteilung künftiger Einnahmen stehen die jetzigen Anleger ganz hinten in der Reihe. Vorher bedienen sich: Lieferanten, Banken und der neue Investor. Letzterer kalkuliert einem Schreiben von Ideenkapital zufolge, das manager magazin online vorliegt, mit einer Eigenkapitalverzinsung von 12 Prozent. Sollte danach noch etwas übrig bleiben, wird es zwischen Investor und Fondsanlegern aufgeteilt - im Verhältnis 60 zu 40.
  • Noch ist unklar, wer der Käufer beziehungsweise Investor sein wird. Laut Ideenkapital wird derzeit noch mit mehreren Parteien verhandelt. Den Interessenten sei Vertraulichkeit zugesichert worden, heißt es.

Die Gewinner und die Verlierer des Deals

Unterm Strich gibt es bei dem Plan von Ideenkapital offensichtlich eine einfache "Gewinn- und Verlustrechnung":

  • Gewinner sind die Banken, die wacklige Kredite zurückgezahlt bekommen und sich zudem Gedanken über ein Neuengagement bei den Schiffen machen können.
  • Gewinner ist auch der Neuinvestor, der günstig an eine Reihe von Tankern und Massengutfrachtern (im Jargon: Bulker) kommt.
  • Verlierer drohen die Anleger zu werden. Dass sie einen großen Teil ihres Investments abschreiben müssen, steht bereits fest. Jetzt ist nur noch die Frage, wie groß diese Abschreibung sein wird. Die Möglichkeit, dass sich der Verlust durch die Zustimmung zu dem Konzept verringern lässt, erscheint in vielen Fällen gering.

Eine Beispielrechnung, die Ideenkapital den Anlegern des Fonds Navalia 9 mit den beiden Massengutfrachtern "Port Moresby" und "Port Melbourne" aufgemacht hat, und die manager magazin online vorliegt, sieht so aus:

Der Marktwert des Schiffes "Port Moresby" liegt gegenwärtig bei 14 Millionen Dollar. Abzüglich der derzeitigen Kredite und Verbindlichkeiten von rund 12,6 Millionen Dollar, die der Investor als Tranche eins zu zahlen hätte, blieben als Differenz für Tranche zwei 1,4 Millionen Dollar. In dieser Höhe würde die Fondsgesellschaft "einen nachrangigen schuldrechtlichen Anspruch auf Partizipation an den Erlösen aus dem Schiffsbetrieb und dem späteren Verkauf des Schiffes am freien Markt" erwerben, schreibt Ideenkapital.

Anlegerschützer machen mobil

Das Unternehmen zeigt ein "Base Case"-Szenario auf, demzufolge auf diesen Anteil bis 2018 Ausschüttungen in Höhe von gut zwei Millionen Dollar entfallen könnten. Einem "Best Case"-Szenario zufolge könnten es sogar 2,7 Millionen Dollar sein. Ein "Worst Case"-Szenario führt der Fondsanbieter in dem Schreiben nicht auf.

Bei Ideenkapital, das bereits 2011 das Neugeschäft mit geschlossenen Fonds eingestellt hat, war für Fragen zu dem Verkaufskonzept niemand zu sprechen. Es verwundert allerdings nicht, dass sich auf Seiten der Anleger offenbar zum Teil Unmut regt. "Die Stimmung bei vielen Anlegern ist mies", sagt Thomas Lippert vom Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz (AAA). "Und wir halten das Konzept für die meisten Anleger für nicht empfehlenswert."

Lippert kritisiert, dass sich Ideenkapital zuvor nicht genug um Einzellösungen der Fonds gekümmert habe. Zudem sei das schriftliche Abstimmungsverfahren nicht geeignet, um die vielen offenen Fragen zu klären.

Der Plan des AAA steht bereits fest: Sollten die Abstimmungen so enden, dass das Verkaufskonzept beschlossen wurde, so will der Bund gegebenenfalls dagegen vorgehen und das Votum auf Präsenzversammlungen wiederholen. Dass es soweit kommt, erscheint nicht unwahrscheinlich. In allen Fonds dürfte ein Großteil der Stimmen durch die Treuhandgesellschaft von Ideenkapital ausgeübt werden. Und die hat bereits angekündigt, bei fehlender Weisung der Anleger für den Verkaufsplan zu stimmen.

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