

Als vor einem Jahr der Prozess gegen die mutmaßlichen Anlagebetrüger rund um die Immobiliengruppe S&K begann, hat niemand mit einem schnellen Ende gerechnet. "Wir gehen alle davon aus, dass das Verfahren drei Jahre dauert", hatte der Strafverteidiger Ulrich Endres unwidersprochen gesagt und angekündigt, seinen Teil dazu mit einer konfliktreichen Verteidigungsstrategie beizutragen.
Nach über 60 Verhandlungstagen im zurückliegenden Jahr liegt die Schätzung des erfahrenen Rechtsanwalts bereits am unteren Rand: Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt beginnt gerade erst, die Beweise zu sichten.
Angeklagt sind der Endres-Mandant Stephan S. und sein Kompagnon Jonas K., die der Immobilienfirma S&K ihre Gründer-Initialen gegeben haben. Ihnen und vier weiteren Angeklagten wird vorgeworfen, mit einer Vielzahl von Grundstücksgeschäften Anleger in ein betrügerisches Schneeballsystem gelockt zu haben. Rund 11.000 Geschädigte habe es gegeben, die rund 240 Millionen Euro verloren haben, mit denen sich die S&K-Jungs ein Leben in Saus und Braus genehmigt haben sollen.
1000 Ordner Ermittlungsakten, 3150 Seiten Anklageschrift, 884 Zeugen
Schon die Ermittlungen nach der spektakulären Razzia im Februar 2013 dauerten zwei Jahre und sieben Monate. Unterstützt von eigens angeheuerten Wirtschaftsprüfern ackerten sich Staatsanwälte und Kripo-Beamte durch 100 Terabyte Daten aus dem Konglomerat von mehr als 150 ineinander verschachtelten Firmen. Heraus kam neben rund 1000 Ordnern Ermittlungsakten eine Anklageschrift mit 3150 Seiten, in der 884 Zeugen benannt werden.
Der Versuch, dieses Monster zu zähmen, muss wohl als gescheitert angesehen werden. Die Sitzungsvertreter der Anklagebehörde haben im Saal E I einen angeblich konzentrierten "Anklagesatz" von mehr als 1700 Seiten verlesen und dafür mehr als drei Monate gebraucht.
Die fast endlose Liste der konkreten Vorwürfe und Geschäfte diene laut Strafprozessordnung der Information der Prozessbeteiligten und der Öffentlichkeit, hatte Landgerichtssprecher Werner Gröschel erläutert. Genau das Gegenteil sei durch den Informations-Overkill der Staatsanwaltschaft erreicht worden, meinen Prozessbeteiligte.
Zumindest bot der üppige Stoff reichlich Angriffspunkte für die Verteidiger: Befangenheitsanträge, Zuständigkeitsrügen, Anträge auf Haftentlassung - für Freunde der Strafprozessordnung mag der Monsterprozess schon manchen Leckerbissen geboten haben, für die meisten Teilnehmer ist er längst zur Qual geworden. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie das Ding hier zu Ende gehen soll", sagte einer der Anwälte.
Die Verschleiß-Erscheinungen sind nach dem ersten Prozessjahr unübersehbar: Die beiden Verfasser der Anklageschrift von der Staatsanwaltschaft sowie eine Ergänzungsrichterin sind aus unterschiedlichen Gründen schon ausgestiegen. Sollte der zweite Ergänzungsrichter auch noch ausfallen, wird es eng für die Kammer unter Vorsitz des bedächtigen Alexander El Duwaik, diesen Prozess tatsächlich mit einem Urteil zu beenden.
Er versucht, das Verfahren auf Kurs zu halten. "Um eine halbe Stunde wollen wir uns nicht streiten", sagt er beim x-ten Antrag auf Sitzungsunterbrechung - letztlich nur ein Wimpernschlag in einer endlosen Reihe von Prozesstagen.
Mit einer Ausnahme bestreiten die Angeklagten die Vorwürfe. Jonas K. hat das ebenfalls über Monate so detailliert getan, wie es ihm die Anklageschrift vorgegeben hat. Sein Kompagnon Stephan S. schweigt. Ein Geständnis im Sinne der Anklage werde er niemals ablegen, sagt sein Anwalt Endres.
Staatsanwaltschaft schiebt Verantwortung dem Gericht zu
Seit dreieinhalb Jahren sitzen die mutmaßlichen Anlagebetrüger bereits in Untersuchungshaft. Das mag angesichts einer drohenden Höchststrafe von 15 Jahren für schweren bandenmäßigen Betrug und Untreue noch nicht übermäßig lang erscheinen. Doch stets muss das Gericht die Verhältnismäßigkeit im Blick haben, was vielleicht schon 2017 zu ersten Haftentlassungen führen könnte.
Den schnelleren Weg aus dem Knast wählte im Mai der Angeklagte Thomas G., Ex-Geschäftsführer einer Hamburger Investmentgesellschaft, die fleißig die zweifelhaften S&K-Papiere vertrieben hat. Der Mann legte ein Geständnis ab und wurde mit dem Ende seiner Untersuchungshaft belohnt.
Die Staatsanwaltschaft schiebt unterdessen die Verantwortung für das Monsterverfahren dem Gericht zu: Die Kammer müsse nun entscheiden, welche Anklagepunkte Gegenstand der Beweisaufnahme werden sollen, teilte ein Sprecher mit. Nur zu diesen Themen müssten dann auch die Zeugen vernommen werden. Nach einem schnellen Prozessende hört sich das aber auch nicht an.
In Saus und Braus haben Jonas K. (Bild) und Stephan S. als Chefs von S&K gelebt. Vor Gericht werden ihre Geschäfte durchleuchtet. Das stellt sich als kaum lösbare Mammutaufgabe heraus.
Stephan S. (l.) und Jonas K. präsentierten sich in Broschüren und Unternehmenswerbung gerne staatstragend. Demnächst stehen die früheren S&K-Chefs vermutlich in Frankfurt vor Gericht, wegen des Vorwurfs, mit einem Schneeballsystem tausende Anleger um mehr als 240 Millionen Euro gebracht zu haben.
Die Liste der Staatsanwaltschaft, auf der sich die im Fall S&K sichergestellten Vermögenswerte befinden, umfasst 50 DIN A4 Seiten. Aufgelistet sind darauf Bargeldsummen, Kontostände, Immobilien und andere Besitztümer der S&K-Verantwortlichen. In der Summe bleiben die Vermögenswerte nach erster Durchsicht aber wohl hinter den Anlegeransprüchen zurück. Wer beispielsweise die vielen Sportwagen sucht ...
... die in den Medien im Zusammenhang mit S&K oft gezeigt wurden, wird auf der Vermögensliste nicht fündig. Die einzigen Autos die die Staatsanwälte sicherstellen konnten, waren laut Vermögensliste ein Maserati Cabrio ...
... ein Porsche Cayenne mit einem geschätzten Wert von 55.000 Euro sowie ein ...
Audi A 5, ebenfalls in der Cabrio-Version (abweichend vom Bild). Zudem konnten die Ermittler größere Summen ...
... an Bargeld sicherstellen. Allein den Hauptbeschuldigten Jonas Köller und Stephan Schäfer wurden demnach zusammen mehr als 40.000 Euro in bar abgenommen. Darüber hinaus verfügten beide gemeinsam bei ihrer Verhaftung ...
... über Bankkonten mit Guthaben in Höhe von zusammen mehr als einer Million Euro. Auch ...
... zahlreiche Immobilien befinden sich auf der Liste der Staatsanwaltschaft. Deren Wert dürfte sich ebenfalls insgesamt im Millionenbereich bewegen. Bemerkenswert sind die Vorlieben der Beschuldigten, die sich aufgrund der ...
... aufgelisteten Besitztümer offenbaren. Vor allem Luxusuhren der Marke Rolex tauchen vielfach auf. Ebenso ...
... zahlreiche Geräte der Unterhaltungselektronik, wie etwa teure Verstärker oder Lautsprecherboxen, sowie Luxusartikel wie ...
... mehrere Goldbarren verschiedener Größen mit einem Gesamtgewicht von mehr als zehn Kilogramm, die ebenfalls von der Staatsanwaltschaft konfisziert wurden. Aus Gold war auch ...
... ein Ring mit "S&K"-Gravur, der sich - neben beispielsweise einem lupenreinen Diamanten - im Besitz von Schäfer befand. Apropos Schmuck: Laut Staatsanwaltschaft wurde beim Beschuldigten Daniel F. ein versiegelter Karton mit Schmuck und Edelsteinen im Wert von schätzungsweise 50.000 Euro sichergestellt. Vielfach in den Medien zu sehen war ...
... die Harley Davidson von Jonas Köller, deren Wert auf der Liste der Ermittler auf 100.000 Euro taxiert wird (im Bild ein vergleichbares Modell). Weitere Vermögenswerte der Protagonisten sind zum Beispiel ...
... ein Konzertflügel der Marke Feurich, der bei S&K-Partner und United-Investors-Chef Hauke B. sichergestellt wurde, sowie ...
... eine umfangreiche Münzsammlung, die sich wiederum im Besitz von Daniel F. befand.
Selbst je ein Paar Manschettenknöpfe hat die Staatsanwaltschaft bei den S&K-Beschuldigten Köller und Schäfer sichergestellt - sie werden ebenfalls unter den Vermögenswerten aufgelistet.
Dem S&K-Anwalt Igor P. wurde offenbar ein Großteil seines Mobiliars abgenommen, darunter ein lila Sessel der Marke Knoll im Schätzwert von 8000 Euro (Bild: vergleichbarer Knoll-Sessel).
Auch Kugelschreiber der Nobelmarke Mont Blanc wurden von der Staatsanwaltschaft konfisziert
Weitere Besitztümer der S&K-Gruppe, die sich im einstigen Firmensitz an der Frankfurter Kennedy Allee befanden, waren bereits vor wenigen Tagen versteigert worden (im Bild: die Rückansicht des Gebäudes).
Gerichtsgebäude des Frankfurter Landgerichts: Stephan S. sprang am Freitag mit Handschellen aus einem Fenster im ersten Stock.
Erster Prozesstag im Frankfurter Landgericht im Verfahren gegen die mutmaßlichen Betrüger der Frankfurter Immobiliengruppe S&K sowie deren Partner.
Den sechs Angeklagten wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug sowie gewerbs- und bandenmäßige Untreue beziehungsweise Beihilfe dazu vorgeworfen.
Die Angeklagten - im Vordergrund S&K-Gründer Jonas K. - wurden unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in den Gerichtssaal geführt. Mit betrügerischen Immobilienfonds und Lebensversicherungsgeschäften sollen sie mehr als zehntausend Privatanleger um mindestens 240 Millionen Euro gebracht haben.
Dem Angeklagten Stephan S., ebenfalls Gründer der S&K-Gruppe, nimmt ein Justizbeamter vor Beginn der Verhandlung die Fußfesseln ab. Das Blitzlichtgewitter, das dabei entstand, kritisierte sein Verteidiger mit deutlichen Worten: "Das widerspricht der Menschenwürde, das ist doch kein Tanzbär, sondern ein Mensch."
Die Sicherheitsmaßnahme kommt allerdings nicht von ungefähr, S. war ...
... im September 2013 während eines Zivilprozesses im ersten Geschoss eines Gerichtsgebäudes trotz Handschellen aus dem geöffneten Fenster gesprungen. Dabei hatte er sich schwer verletzt.
Neben Stephan S. und Jonas K. (im Bild) sitzen in Frankfurt noch vier weitere Männer auf der Anklagebank:
Nämlich: Hauke B. (nicht im Bild) und Thomas G. (zweite Rehe, zweiter v. rechts), die als Chefs des Hamburger Emissionshauses United Investors Fonds für S&K aufgelegt hatten, sowie die S&K-Manager Daniel F. (hintere Reihe, grünes Shirt) und Marc Christian S. (hintere Reihe, zweiter v. links).
Der erste Prozesstag im vollbesetzten Saal des Frankfurter Gerichtsgebäudes endete am heutigen Donnerstag nicht überraschend bereits schnell, nachdem ein Nebenbeteiligter einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht gestellt hatte.
Der Vorsitzende Richter Alexander El Duwaik vertagte den Prozess nach mehreren Unterbrechungen auf den kommenden Dienstag.
Die sechs Angeklagten befinden sich bereits seit Februar 2013 in Untersuchungshaft. Damals hatte die Staatsanwaltschaft mit mehr als 1000 Beamten eine bundesweite Razzia gegen S&K und andere Firmen durchgeführt.
Mehr als 100 Gebäude in verschiedenen Bundesländern waren durchsucht worden, darunter auch die S&K-Zentrale in Frankfurt (im Bild).
Auf dem seinerzeit sichergestellten Material beruht im wesentlichen die von mehr als 3000 auf 1700 Seiten verkürzte Anklageschrift, die dem Prozess zu Grunde liegt.
Alle weiteren Infos und Hintergründe zum S&K-Skandal finden Sie hier.
Nämlich: Hauke B. (nicht im Bild) und Thomas G. (zweite Rehe, zweiter v. rechts), die als Chefs des Hamburger Emissionshauses United Investors Fonds für S&K aufgelegt hatten, sowie die S&K-Manager Daniel F. (hintere Reihe, grünes Shirt) und Marc Christian S. (hintere Reihe, zweiter v. links).
Foto: DPA