Online-Banking Was, wenn Google eine Bank aufmacht?

DBS-Bank in Singapur: Anders als viele deutsche Geldhäuser hat diese Bank die Digitalisierung und ihre Folgen für das Kundenverhalten nicht verschlafen
Foto: DPAHamburg - Wenn Michael Allen eine deutsche Bankfiliale betritt, schüttelt den britischen Architekten regelmäßig das Grauen. "Da sieht es oft aus wie in einem Mausoleum", stöhnt der Chef von Allen International in London. 500 Banken rund um den Globus hat Allen schon beim Filial-Design beraten, aber an seinen deutschen Kunden verzweifelt er immer noch häufig.
Hierzulande dominieren noch immer hochherrschaftliche Schalterhallen, die eine unsichtbare Wand zwischen Kunde und Bank zu errichten scheinen. Michael Allen hingegen setzt auf so viel Kundennähe wie nur möglich. Nur so, findet Allen, könnten Bankfilialen heute noch die Kundenbindung stärken - vor allem in Zeiten, in denen immer mehr Start-ups das Geschäft der Geldhäuser attackieren, wie manager magazin in seiner neuen Ausgabe berichtet.
Bei der DBS Bank in Singapur sind nach Allens Überarbeitung keine Schalter mehr zu sehen. Die lichte Filiale in Marina Bay ähnelt einer Lounge, die Berater kommen jedem Kunden entgegen, und an fest installierten Tablets können Kunden viele Geschäfte direkt erledigen. Als Allens Firma kürzlich in Frankfurt für das DBS-Konzept den Preis der Fachzeitschrift "Geldinstitute" für das beste internationale Filialkonzept erhielt, sah etwa das - ebenfalls prämierte - neue Filialdesign der Deutschen Bank im Vergleich ziemlich gestrig aus.
Mit der Digitalisierung und ihren Folgen für das Kundenverhalten tun sich viele Geldhäuser noch immer schwer - nicht nur die deutschen, aber ihr Rückstand erscheint besonders groß. Mal fehlt es angesichts des permanenten Kostendrucks am Geld, mal am Willen zur Veränderung, vor allem aber fehlt es am Verständnis für die Kunden. Die sind dank Smartphone und Tablet fast ununterbrochen online.
Geldhäuser tun sich mit Digitalisierung schwer
Das verändert ihr Kaufverhalten dramatisch: Verbraucher wickeln immer größere Teile ihrer Einkäufe über mobile Geräte ab, zugleich wollen sie bei komplexeren Produkten nach wie vor den persönlichen Kontakt. Wer sie nicht dort auch abholt, ebenso einfache wie elegante digitale Lösungen bietet und diese perfekt mit dem Filialnetz verknüpft, der läuft Gefahr, seine Kunden an schnellere Anbieter zu verlieren.
Kaum einer Branche fällt das noch so schwer wie den Banken. An hellsichtigen Lippenbekenntnissen aus den Vorstandsetagen fehlt es nicht. Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen warnte bereits, man werde künftig weniger mit anderen Banken als mit Google oder Microsoft konkurrieren.
Georg Fahrenschon, als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes Antreiber von 15.300 Filialen im Land, mahnte die Seinen beim Verbandstag zu Jahresbeginn eindringlich, die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute stünden vor dem "größten kulturellen, technologischen und organisatorischen Wandel" ihrer Geschichte: "Wir sind am Beginn einer riesigen Veränderung." Die Dramatik beschrieb Fahrenschon mit einem Vergleich: Mit der Digitalisierung verhalte es sich wie mit einer Balkenwaage: Sie sei schwer im Lot zu halten, aber wenn sie einmal kippe, gebe es kein Halten mehr.
Die Hektik mancher Bankmanager, mit der Zeit zu sprinten, treibt dann auch schon mal ulkige, aber teure Blüten. Filialarchitekt Michael Allen kann sich das Grinsen nicht verkneifen, als er erzählt, wie kürzlich einer seiner Kunden unbedingt Tablets in seine Filialen bringen wollte, aber kein Konzept hatte, wie die Geräte sinnvoll in die Beratung eingebaut werden sollten. Ergebnis: Viele Kunden nahmen die Geräte einfach mit nach Hause. Selten hatten sie ihre Bank wohl so großzügig erlebt.
Banken wandeln sich nicht schnell genug
Natürlich gibt es auch klügere Ansätze, die weit über Onlinebanking und TAN-Nummern-Versand per Handy hinausgehen. Deutschlands größte Filialbank, die Postbank, setzt immer stärker auf den digitalen Vertrieb für Standardprodukte wie Girokonten oder Konsumentenkredite und freut sich bereits über gesunde Wachstumsraten.
Die Hypo-Vereinsbank bietet eine Onlinefiliale, experimentiert mit Beratungsgesprächen per Videoschalte und erregt Aufsehen durch coole Youtube-Spots mit FC-Bayern-München-Kicker David Alaba. Und Frankreichs Geldriese BNB Paribas hat über seine Online-Tochter Cortal Consors die "Hello Bank" als reine Internetbank lanciert.
Wissenschaftler wie Claus-Peter Praeg vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart sind jedoch skeptisch, ob solche Ansätze ausreichen. Seit zehn Jahren erforscht Praeg die Zukunft des Bankings. Das IAO unterhält dazu sogar ein Labor in Form einer Musterfiliale. Regelmäßig befragt das Fraunhofer-Institut Deutschlands knapp 500 deutsche Banker über ihre digitalen Strategien.
In der neusten Ausgabe von "Bank & Zukunft" lautet das ernüchternde Ergebnis der Forscher, dass die Banken die digitalen Zeichen der Zeit zwar erkannt hätten, dem Innovationstempo aber "noch relativ wenig entgegenzusetzen" hätten. Fazit der Studie: "Mit den bisherigen Instrumenten und Lösungen wird der Wettbewerb um die Zukunft der Banken und um die Kunden der Zukunft nicht zu gewinnen sein."
Unternehmensberater legen den Geschäftsbanken seit längerem nahe, den Kunden endlich wieder ins Zentrum ihres Handelns zu rücken. Die Zauberworte der Berater lauten "customer centricity" und "omni channel management", also das Bedienen des Kunden auf allen fixen und mobilen Plattformen.
Kulturwandel erforderlich
Für viele Banken bedeutet das jedoch nicht weniger als einen Kulturwandel. Viele Institute haben Geldautomaten und Onlinebanking im vergangenen Jahrzehnt eher dazu genutzt, die Kunden von der Bank und ihren Filialen fern zu halten. Hinzu kam ein ausgeprägtes Denken in standardisierten Produkten, die es an den Kunden zu bringen galt. Heute fordern Kunden aber zunehmend individuelle Lösungen und geben sich mit 08/15-Angeboten nicht mehr zufrieden.
Als Beispiel, wie modernes Banking aussehen kann, nennt Walter Sinn, Partner und Leiter Banking bei Bain & Company, die australische Commonwealth Bank. Die hat - in Kooperation mit einer Maklerfirma - zum Beispiel ihr Baufinanzierungsgeschäft radikal modernisiert: Eine App weist kaufwillige Kunden über das Smartphone auf interessante Immobilien in ihrer Nähe hin und vermittelt einen Besichtigungstermin; sogar der Abschluss der Baufinanzierung ist online möglich.
Internetkonzerne beherrschen solche Verknüpfungen von Kunde Daten bereits perfekt. Die Ebay-Tochter Paypal hat den Banken längst einen erheblichen Teil des Online-Bezahlmarktes abgeluchst. Amazon gab kürzlich bekannt, seine eigene Bezahlfunktion auch anderen Online-Händlern als Service anzubieten. Und Google hat in den USA den Bezahldienst "Google Wallet" gestartet.
Google-Bank-Filialen: Der größte Alptraum der Geldhäuser
Entsprechend argwöhnisch beäugen die binären Bankiers aus ihren Filialen und Zentralen daher die Finanz-Aktivitäten der "digital natives". Als Google-Manager Jens Quadbeck, seines Zeichens "Industry Leader Finance", auf der Tagung "Bank & Zukunft" im September in Frankfurt gelobte, ein Einstieg seines Konzerns ins Bankgeschäft stehe nicht an, grummelten zahlreiche der anwesenden knapp 200 Banker ihre Skepsis nonverbal in den Saal.
Als Quadbeck zum Schluss seiner Präsentation auch noch ein Foto von Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain und Googles Chief Business Officer Nikesh Arora zeigte, guckten die meisten Banker so gequält wie Jain auf dem Schnappschuss, als ihn der strahlende Arora herzt. Die Frage, wer hier künftig der Boss sein würde, schien bereits beantwortet.
Und was wenn Google wirklich eine Bank mit Filialen aufmachen würde? Im Computer von Architekt Michael Allen ist das schon Realität. Hin und wieder gönnt der Chef seinem Team bei Allen International in London etwas kreativen Spaß und lässt - per virtueller Designstudie - eine neue Marke ins Bankgeschäft einsteigen.
McDonald's, Apple, sogar Hugo Boss hat Allen schon durchprobiert. Als er kürzlich Bankern seine Visionen für eine Google-Bank-Filiale zeigte - licht, rund, total interaktiv, gandenlos cool eben - waren die "ziemlich beunruhigt", sagt Allen.
Kein Wunder: Plötzlich schien ihr größter Alptraum wahr zu werden.