Anlageskandal Anleger und Gläubiger rücken Wölbern-Chef auf die Pelle

Vor der Privatinsolvenz: Mediziner und Emissionshauschef Schulte
Foto: Wölbern InvestHamburg - Beim Fondshaus Wölbern Invest in Hamburg wird fieberhaft nach den vielen Millionen Euro gesucht, die aus den Fondskassen verschwunden sind. Und nicht nur die Staatsanwaltschaft sowie die vielen Tausend Fondsanleger interessieren sich für das Geld. Ansprüche kommen auch aus einer anderen Richtung: Nämlich von Seiten der Medivision-Unternehmensgruppe, dem ursprünglichen unternehmerischen Tätigkeitsfeld des seit einigen Wochen inhaftierten Wölbern-Chefs Heinrich Maria Schulte.
Die Folge ist, dass zu den zahlreichen Pleiten, die es rund um den Wölbern-Anlageskandal bereits gab, nun offenbar eine weitere hinzukommt. Und zwar eine besondere: Das Amtsgericht Hamburg hat vor wenigen Tagen Informationen zum "Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Prof. Heinrich Maria Schulte" veröffentlicht.
Hinweise, es sei ein Insolvenzantrag gegen Schulte persönlich gestellt worden, gab es schon vorher. Doch nun ist klar: Es befinden sich nicht nur die Wölbern Invest KG und die Wölbern Fondsmanagement GmbH sowie ein großer Teil des hauptsächlich von Schulte aufgebauten Medizinverbunds Endokrinologikum im vorläufigen Insolvenzverfahren. Vielmehr trifft es nun auch den Mediziner privat.
Wer sich für Details interessiert, hat es allerdings schwer, welche zu bekommen. Denn kaum jemand ist bereit, über dieses Thema Auskunft zu geben. Ein Sprecher des Amtsgerichts Hamburg etwa verweist auf den eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalter. Das ist Rechtsanwalt Dietmar Penzlin von der Hamburger Kanzlei SJPP. Der jedoch wollte darüber mit manager magazin online nicht sprechen.
Insolvenzverwalter stellt Insolvenzantrag
Rechtsanwalt Gideon Böhm immerhin, von der Kanzlei Münzel & Böhm in Hamburg, bestätigte zumindest, was manager magazin online aus anderer Quelle erfahren hatte: Als Insolvenzverwalter der Medivision-Gruppe, die den Medizinverbund Endokrinologikum betreibt, hat Böhm den Antrag auf Schultes Privatinsolvenz gestellt.
Zum Hintergrund: Unter dem Label "Endokrinologikum" der Medivision-Gruppe firmieren bundesweit zahlreiche medizinische Einrichtungen. An mehr als einem Dutzend Standorten in ganz Deutschland beschäftigt das auf Hormon- und Stoffwechselerkrankungen spezialisierte Netzwerk eigenen Angaben zufolge 170 Ärzte und 970 weitere Mitarbeiter.
Nach der Razzia gegen Wölbern Invest und dessen Inhaber und Chef Heinrich Maria Schulte musste ein Großteil der Medivision-Gruppe Insolvenz anmelden. Denn als Hauptgesellschafter von Medivision hatte Schulte mit seinem gesamten Privatvermögen für Investitionen des Unternehmens gebürgt. Nach der Arrestierung des Schulte-Vermögens im Rahmen der Razzia wurden die Bürgschaften jedoch wertlos. Die Finanzierungszusagen gegenüber der Medivision-Gruppe konnten nach Angaben von Insolvenzverwalter Böhm nicht mehr eingehalten werden.
Nun könnte sich die Insolvenz für Medivision jedoch als Glücksfall erweisen. Aus dem Umfeld des Unternehmens ist zu hören, es werde mit mehreren Investoren über einen Einstieg verhandelt. Einer internen Korrespondenz zufolge, die manager magazin online vorliegt, sieht Medivision angesichts der Pleite die Chance auf einen Neustart ohne Altlasten, da "mindestens 2/3" der Darlehensverbindlichkeiten und andere Verpflichtungen wegfielen. In die Zukunft will das Medizinunternehmen demnach ohne den Gesellschafter Schulte gehen - aber offensichtlich nicht ohne dessen Geld.
Ein Fonds mit einem 18-Millionen-Euro-Loch in der Kasse
Den Antrag auf Privatinsolvenz Schultes jedenfalls begründet Böhm gegenüber manager magazin online mit offenen Forderungen, die Medivision gegenüber Schulte noch habe. Dabei gehe es um eine mittlere siebenstellige Summe aus einem Darlehensvertrag zwischen Schulte und Medivision. Der Insolvenzverwalter betont, es handele sich um völlig gewöhnliche Geschäftsvorgänge, die nichts mit den Untreuevorwürfen gegenüber Schulte zu tun hätten.
Zwar haben die Behörden im September im Zuge der Razzia auch auf das Privatvermögen Schultes zugegriffen. Es erscheint jedoch nicht klar, ob dabei wirklich alles sichergestellt wurde. Der Insolvenzantrag hat laut Böhm den Zweck, dass ein Insolvenzverwalter für Klarheit sorgen könne.
Rückblende: Im September hatten Beamte der Staatsanwaltschaft Hamburg und des Landeskriminalamtes die Büros von Wölbern Invest durchsucht und umfangreiches Material sichergestellt. Auch den Privaträumen des Wölbern-Chefs Schulte statteten die Ermittler einen Besuch ab. Dem Mediziner wird Untreue in mehr als 300 Fällen vorgeworfen. Insgesamt 137 Millionen Euro soll Schulte aus geschlossenen Fonds von Wölbern Invest abgezogen haben. 37 Millionen davon seien auf Schultes Privatkonto geflossen, so die Ermittler. Schultes Strafverteidiger wollte zu den Vorwürfen gegenüber manager magazin online keine Stellungnahme abgeben. Eine unrechtmäßige Verwendung von Fondsgeldern hatte der Wölbern-Invest-Chef jedoch bereits früher abgestritten.
Was der vom Gericht eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Penzlin nun über Schultes Privatfinanzen herausbekommt, dürfte also auch die mehreren zehntausend Anleger der geschlossenen Fonds von Wölbern Invest interessieren. Sie warten zurzeit auf detailierte Berichte zur Situation der Fonds, die ihnen Wölbern-Sanierungsgeschäftsführer Bernd Depping von der Essener Kanzlei dnp in Aussicht gestellt hat.
18-Millionen-Loch in der Fondskasse
Schon jetzt kommen allerdings nach und nach Details zur Lage einzelner Wölbern-Fonds ans Tageslicht. So erhielten kürzlich die Zeichner des Fonds Private Equity 01 Buyout ein Schreiben ihrer Geschäftsführung, in dem sie über die aktuelle Situation informiert wurden. Nach Angaben des Managements ergab sich "ein seitens Herrn Prof. Dr. Schultes veranlasster Liquiditätsabfluss von dem Fonds in Höhe von insgesamt € 3.690.000,00".
Damit wird deutlich: Offenbar ist nicht nur Geld aus den Immobilienfonds von Wölbern Invest verschwunden, sondern auch aus anderen. Bei dem betroffenen Private-Equity-Fonds sind angesichts des Desasters bereits Anstrengungen im Gange, die Gesellschaft von der Wölbern-Gruppe zu lösen und auf eigene Beine zu stellen.
Besonders düster sieht es zudem beim Fonds Frankreich 04 aus. Nach Angaben aus Anlegerkreisen klafft in der Kasse der Beteiligungsgesellschaft eine Lücke von beinahe 18 Millionen Euro, womit dieser Fonds wohl einer der am heftigsten vom Wölbern-Skandal betroffenen wäre.
Wo das Geld vermutlich hingeflossen ist, geht aus einem Schreiben des Hamburger Rechtsanwalts Dirk Rykena, Kanzlei Tute & Rykena, hervor, das seit einigen Tagen in Anlegerkreisen kursiert. Dem Brief zufolge hatte Rykena Mitte November einen Termin beim Landeskriminalamt, wo er Einblick in einige der sichergestellten Unterlagen zum Fonds Frankreich 04 nehmen konnte.
Anleger sollen französische Steuern zahlen
Einer der Ordner enthielt Zeichnungsscheine von Anleihen der niederländischen Wölbern Invest B.V. in Höhe von 15 Millionen Euro, schreibt der Anwalt. In weiteren Ordnern habe er zudem Kontoauszüge des Fonds gefunden. Aus denen ging offenbar hervor, dass allein bis Ende 2012 insgesamt etwa 12,5 Millionen Euro an die Wölbern Invest B.V. überwiesen wurden.
Bei der Wölbern Invest B.V. handelt es sich um die niederländische Tochter der Wölbern-Invest-Gruppe. Die Gesellschaft steht im Zentrum der Untreuevorwürfe gegen Firmenchef Schulte. Im Gegenzug zu millionenschweren Überweisungen aus den Wölbern-Fonds soll die Wölbern Invest B.V. Anleihen ausgegeben haben.
Und das ist nicht das einzige Problem des Frankreich 04. Der Mieter der Immobilie des Fonds in Paris, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY), beruft sich gegenwärtig auf eine Revisionsklausel im Mietvertrag. Das Unternehmen hat die Mietzahlung bereits eingestellt und will dem Vernehmen nach demnächst aus dem Objekt ausziehen.
Beteiligten zufolge bringen das Loch in der Fondskasse sowie das Ausbleiben der laufenden Einnahmen die Beteiligungsgesellschaft bereits in Insolvenzgefahr. Es dürfte nicht die einzige Wölbern-Beteiligungsgesellschaft sein, die aufgrund der aktuellen Entwicklung zumindest latent von der Pleite bedroht ist, sagen Beobachter.
Die etwa 3400 Anleger des Frankreich 04 jedenfalls bekommen die Auswirkungen bereits sehr konkret zu spüren. Von den französischen Finanzbehörden flattern ihnen in diesen Tagen Zahlungsaufforderungen ins Haus. Weil die Beteiligungsgesellschaft kein Geld mehr hat, sollen die Gesellschafter fällige Steuer- und Sozialabgaben persönlich zahlen.
Hintergrund: Anlageskandal bei Wölbern Invest - die ganze Geschichte
Exklusive Bilder: Die Razzia bei Wölbern Invest in der Hamburger Hafencity