Prozess gegen Ex-Wölbern-Chef Schulte Schwarzer Peter im Gerichtssaal

Anlegerinformation angeblich verzögert: Ex-Wölbern-Chef Schulte (l.) mit seinem Anwalt Wolf Römmig
Foto: DPAHamburg - Der Zeuge ist auf Vorsicht bedacht. Zu seiner Aussage im Untreue-Prozess gegen Heinrich Maria Schulte, den ehemaligen Chef des Fondshauses Wölbern Invest, bringt er seinen Anwalt mit. Über den Rechtsbeistand lässt er Journalisten am Rande der Verhandlung zudem wissen, dass eine Nennung seines Namens im Zusammenhang mit dem Verfahren "presserechtlich nicht zulässig" sei.
Dabei ist der Mann in der Fondsbranche bekannt. Über seinen Start im mittleren Management der Wölbern-Gruppe im Jahr 2010 berichteten Fachmedien, Foto inklusive, was noch heute im Netz recherchiert werden kann.
Die besondere Umsicht des 42-jährigen am heutigen sechsten Verhandlungstag des Prozesses gegen Heinrich Maria Schulte kommt jedoch wohl nicht von ungefähr: Als zeitweiliger Leiter der beiden Wölbern-Treuhandgesellschaften war er bis November 2011 für die Kommunikation mit den Anlegern verantwortlich. Soweit bisher bekannt, begannen die Geldentnahmen aus den Wölbern-Fonds, die die Staatsanwaltschaft dem seinerzeitigen Firmenchef Schulte heute zur Last legt, jedoch bereits im August 2011. Und erst zum Jahreswechsel 2011/2012, also rund vier Monate später, erhielten die Fondsanleger ein erstes Informationsschreiben über den umstrittenen Cashpool, der dem Ganzen zugrunde gelegen haben soll.
Es verwundert daher nicht, dass manch ein Fondsanleger im Laufe der vergangenen zwei Jahre, die dieser Anlageskandal inzwischen andauert, auf den heutigen Zeugen nicht gut zu sprechen war. Sollte der Mann etwa mit der ungeliebten Wölbern-Führung um Schulte in einem Boot gesessen haben?
Warum wurden die Anleger erst so spät informiert?
Auch das Thema, zu dem Richter Hartmut Loth den Ex-Wölbern-Manager im Gerichtssaal befragt, überrascht daher kaum: Es geht vor allem darum, warum die Anleger erst so spät über die Transaktionen informiert wurden.
Die Darstellung, die der Zeuge dazu abgibt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wir (es gab zu jener Zeit noch einen zweiten Mann an der Spitze der Treuhand) hätten die Investoren ja gerne informiert - aber wir konnten nicht.
Nach Angaben des Zeugen drängten er und sein Kollege in ihrer Funktion als Leiter der Wölbern-Treuhandgesellschaften bereits seit August/September 2011, als das Wölbern-Management intern erstmals über den Cashpool informierte, darauf, auch die Anleger davon in Kenntnis zu setzen. Zudem sei darauf hingewiesen worden, dass die Investoren als Gesellschafter der Fonds den Transaktionen zustimmen müssten.
Das Wölbern-Management um den Arzt und Finanzunternehmer Schulte habe jedoch abgeblockt und eine mögliche Anlegerinformation wieder und wieder verschoben. Dem Zeugen zufolge war der Wölbern-Führung vor allem daran gelegen, den Cashpool möglichst schnell, am liebsten "binnen einer Woche" einzuführen. Und offenbar auch so geräuschlos wie möglich.
Bis Oktober 2011 wurden schon 40 Millionen Euro aus Fonds entnommen
Zum Dissens kam es zwischen Schulte und der Treuhand-Leitung jedoch nach Angaben des Zeugen nicht nur über den Zeitpunkt der Anlegerinformation, sondern auch über den Inhalt eines entsprechenden Schreibens. Ein Entwurf von Seiten der Treuhand habe umfangreiche Risikohinweise sowie Informationen über Interessenkonflikte enthalten. Nach Darstellung des Zeugen war es jedoch das Management um Schulte, dass die Inhalte nach und nach immer weiter zusammenstrich - bis zuletzt kaum noch etwas davon übrig blieb.
Der Brief, den beispielsweise die Anleger des Hollandfonds 56 Anfang 2012 schließlich in ihren Postkästen fanden, passt da gut ins Bild. Das Schreiben, das manager magazin online vorliegt, umfasst insgesamt drei Din-A-4-Seiten klein bedruckt zum Thema Liquiditätsmanagementsystem. Etwa eine Seite davon ist allein den Vorzügen der Wölbern Invest KG gewidmet. Um die Risiken des Cashpools dagegen geht es lediglich in einem Absatz.
Und damit nicht genug: Die Treuhand habe vorgeschlagen, die Fondsanleger auch über bereits erfolgte Geldentnahmen zu informieren, so der Zeuge im Gerichtssaal. Denn die gab es bereits in gehörigem Umfang. Einem internen Memo aus dem Oktober 2011 zufolge, das Richter Hartmut Loth im Gerichtssaal vorlas, waren bis zu dem Zeitpunkt immerhin schon knapp 40 Millionen Euro aus Wölbern-Fonds an die Wölbern Invest B.V. in den Niederlanden geflossen.
Schulte übernimmt die Leitung der Treuhand
Zur Erinnerung: Insgesamt soll Ex-Unternehmenschef Schulte bis September 2013 knapp 150 Millionen Euro aus den Fonds unrechtmäßig entnommen und über die B.V. zweckentfremdet haben, was er allerdings im Prozess bereits von sich gewiesen hat.
In dem Brief an die Anleger des Holland 56 beispielsweise steht jedenfalls über bereits erfolgte Überweisungen an die Wölbern Invest B.V. nichts. Lediglich von mit dem Liquiditätsmanagementsystem in Zusammenhang stehenden "durchgeführten vorbereitenden Maßnahmen und Transaktionen" ist die Rede, ohne nähere Erläuterung, worum es sich dabei handelt.
Stattdessen wurden die Anleger in dem Schreiben um Zustimmung gebeten, und zwar nicht nur zur Einführung des Liquiditätsmanagementsystems, das in Wahrheit offenbar längst in Betrieb war, sondern auch zu anderen Umstrukturierungen im Fondsmanagement sowie zur Auslagerung der Buchhaltung.
Unterschrieben wurde das Schreiben der Treuhand übrigens nicht vom Zeugen des heutigen Tages. Der stand zu der Zeit schon nicht mehr an der Spitze der Treuhandgesellschaften. Der Angeklagte Schulte hatte ihn im November 2011 abgesetzt und die Funktionen - wie zuvor schon viele andere in der Unternehmensgruppe - selbst übernommen.
Bericht: So lief der erste Tag der Verhandlung gegen Professor Schulte
Bericht: So lief der zweite Tag der Verhandlung gegen Professor Schulte
Bericht: So lief der dritte Tag der Verhandlung gegen Professor Schulte
Bericht: So lief der vierte Tag der Verhandlung gegen Professor Schulte
Bericht: So lief der fünfte Tag der Verhandlung gegen Professor Schulte
Fotostrecke: Heinrich Maria Schulte vor dem Hamburger Landgericht
Fotostrecke: Die großen Anlageskandale des Jahres 2013
Fotostrecke: Exklusive Bilder von der Razzia bei Wölbern Invest
Hintergrund: Anlageskandal bei Wölbern Invest - die ganze Geschichte
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