Börsenprofi Thomas Grüner über 2015 Vorgezogener Dax-Rückblick mit Aha-Effekten

Von Thomas Grüner
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Anfang November auf Platz 1 der Dax-Rangliste für 2015: Fresenius

Selbst nach der scharfen Korrektur im August kommt der Gesundheitskonzern auf eine erstaunliche Wertentwicklung von knapp 60 Prozent. Die kürzlich veröffentlichten Unternehmenszahlen unterstützen den positiven Verlauf der Fresenius-Aktie . Der Umsatz stieg für die ersten drei Quartale um 22 Prozent und der operative Gewinn legte um 28 Prozent zu. Dass die Luft noch nicht raus ist, zeigt die Anhebung der Prognose für das Gesamtjahr 2015.

Zum starken Wachstum haben alle vier Kernsegmente beigetragen, insbesondere der Unternehmensbereich Kabi. Das Infusionsgeschäft bei Kabi hat sich dank neuer Produkteinführungen und Lieferengpässe der US-Wettbewerber besser als erwartet entwickelt und führte damit zu einer Anhebung des Jahresausblicks.

Thomas Grüner

Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.

Auch der größte Klinikbetreiber Deutschlands, Fresenius Helios, hat sich mit einem Wachstum des operativen Gewinns von 12 Prozent erfreulich entwickelt. Die Kliniksparte macht hinsichtlich der Integration der von Rhön-Klinikum erworbenen Kliniken weitere Fortschritte und es werden keine zusätzlichen Integrationskosten erwartet.

Der umsatzstärkste Unternehmensbereich, Fresenius Medical Care , wächst weiterhin im Kernmarkt Nordamerika und verzeichnete für die ersten drei Quartale ein währungsbereinigtes Umsatzwachstum von 13 Prozent. Eine sich fortschreitende Euro-Schwäche könnte sich positiv auf das kommende Geschäft auswirken.

Platz 2 in der Dax-Rangliste 2015: Adidas

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Eine wahrhaft sportliche Kursentwicklung, denn mittlerweile beträgt der Wertzuwachs der Aktie im Vergleich zum Jahresbeginn über 50 Prozent. Wer hätte das noch im vorangegangenen Jahr zu hoffen gewagt, dass der Sportartikel-Konzern auf den vordersten Rängen der Dax-Rangliste in 2015 zu finden ist?

Denn im Krisen-Jahr 2014 stürzte Adidas vom Allzeithoch, erreicht am 22. Januar bei einem Schlusskurs von 92,92 Euro, bis auf 53,89 Euro am 16. Oktober 2014 ab. Enorme Einbußen im Russland-Geschäft, durch den Verfall des Rubels zusätzlich verstärkt, hatten Adidas in den Krisen-Modus gestürzt.

Eine gute Ausgangsposition für ein dynamisches Comeback im Jahr 2015 - und Adidas  hat die positive Überraschung tatsächlich vollbracht. Mit überraschend starken Umsatzsteigerungen und früh erreichten Jahreszielen. Die Prognose von Vorstandschef Herbert Hainer für das kommende Jahr belegt den neu geborenen Optimismus: "Ungebremstes Wachstum voraus!"

Im Niemandsland der Dax-Tabelle für das Jahr 2015: Siemens

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Im Gegensatz zur bisherigen Entwicklung einiger Dax-Unternehmen - im Guten wie im Schlechten - fällt das Börsenjahr 2015 für den Mischkonzern eher geruhsam aus. Auf Jahressicht notiert das Schwergewicht im deutschen Leitindex nahezu unverändert. Wobei "geruhsam" vielleicht doch die falsche Wortwahl ist, denn am Aktienmarkt gilt viel eher der Leitspruch "Nie ruhige Zeiten!"

Selbst die natürliche Schwankungsbreite genügt immer wieder, um Anlegern große Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Vom Jahreshoch bis zum Jahrestief verliert Siemens  im Jahr 2015 über 25 Prozent. Wer Ende September entnervt das Handtuch geworfen hat, konnte allerdings auch nicht von der sich anschließenden Erholungsbewegung profitieren. Die jüngsten Quartalszahlen nähren die Hoffnungen, dass Siemens nach dem radikalen Konzernumbau wieder Fahrt aufnehmen kann. Konzernchef Joe Kaeser stellt nach jahrelanger Stagnation ein moderates Umsatzwachstum aus eigener Kraft in Aussicht. Eine Aktie für geduldige Anleger.

Die unangenehmste Überraschung des Jahres: Volkswagen

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Die überraschendste Entwicklung unter den Dax-Unternehmen hat 2015 wohl Volkswagen  hingelegt. Der Automobilkonzern verlor knapp 50 Prozent an Börsenwert und belegt damit den vorletzten Platz unter den Dax-Einzelwerten. Auslöser war die Bekanntgabe der gefälschten Abgaswerte durch die US-Umweltbehörde EPA im September 2015. Seitdem gerät der VW-Konzern immer stärker unter Druck. Die schleppenden China-Geschäfte sind angesichts des medialen Spießrutenlaufs längst sekundär.

Der Imageschaden ist beträchtlich und der wirtschaftliche Schaden ist milliardenschwer - es drohen Geldstrafen von bis zu 18 Milliarden US-Dollar. Zunächst war von weltweit elf Millionen betroffenen Diesel-Autos die Rede. Kürzlich folgte die Meldung, dass auch knapp 100.000 Benziner die Software zur Verfälschung der Abgaswerte besitzen, wodurch die VW-Aktie wiederum einen deutlichen Kursrutsch erlitt.

Es bleibt abzuwarten, ob weitere überraschende Hiobsbotschaften den Konzern beeinträchtigen. Eins ist jedoch sich: Vom "soliden Schwergewicht" im Dax-Index kann auf absehbare Zeit nicht gesprochen werden.

Das Dax-Schlusslicht 2015: RWE

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Für den Energiekonzern RWE  verlief das Jahr 2015 katastrophal. Mit einer Jahresperformance von bislang minus 56 Prozent stellt das Unternehmen das Schlusslicht im Dax dar. Dieser Absturz hat eine lange Vorgeschichte: Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima im März 2011 begannen weltweit monatelang anhaltende Debatten um die Energiewende. In einigen Ländern blieb alles beim Alten, in anderen wurde sogar der Bau von zusätzlichen Atomkraftwerken in Auftrag gegeben.

Letztendlich war Deutschland das einzige Land, das den Atomausstieg tatsächlich in die Wege leitete. Sehr zum Leidwesen der Energiekonzerne.

Denn für RWE bedeutet diese Entwicklung schwere Zeiten. Der betriebliche Gewinn verminderte sich seit 2010 von 7,7 Milliarden Euro auf vier Milliarden Euro im Jahr 2014. Nachdem bei der jüngsten Bekanntgabe der Quartalszahlen eine klare Dividendenaussage von Seiten des Managements ausblieb, sackte die Aktie erneut um 11 Prozent ein. Vom Witwen- und Waisen-Papier zum Spekulationsobjekt in wenigen Jahren - eine Überraschung im negativen Sinne.

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