Börsenprofi Thomas Grüner zeigt Bullenmarkt weltweit - nur in Deutschland nicht

Von Thomas Grüner

Umlaufrendite - erstmals keine Zinsen mehr

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Am 11. April 2016 erreicht die deutsche Umlaufrendite erstmals die historische Marke von 0,00 Prozent. Die einseitige Entwicklung der letzten Jahre erreicht somit ihren vorläufigen Höhepunkt. Zu diesem Niveau erhalten Anleger, die in deutsche Anleihen investieren, im Schnitt erstmals keine Zinsen mehr. Nur wer lange Laufzeiten akzeptiert, hat in der aktuellen Situation die Chance auf einen Mini-Ertrag: Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit rentieren beispielsweise bei 0,14 Prozent.

Thomas Grüner

Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.

Negativzinsen als nächstes Etappenziel? Vor allem für Spareinlagen ist dieses Szenario in greifbare Nähe gerückt. Geldhäuser stellen erste Überlegungen an, wie sie die Strafzinsen, die sie für geparktes Geld bei der EZB bezahlen müssen, an die Kunden weiterreichen. Auch "seriöse" Anleihen werden sich diesem Trend nicht entziehen können.

Kurzfristige Prognosen fallen schwer, aber Fakt ist: Die bisherigen Entwicklung in 2016 bewegt sich wieder einmal fernab von den zu Jahresbeginn getroffenen Prognosen der namhaften Analysehäusern. Und das Niedrigzinsumfeld ist nachhaltiger, als es viele Marktteilnehmer wahrhaben wollen.

Dax - Deutschland als internationale Ausnahme

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Die Stabilität eines S&P 500 sucht man beim Deutschen Leitindex Dax vergebens. Trotz der bemerkenswerten Aufholbewegung der letzten Wochen müsste der Dax weitere 20 Prozent zulegen, um die vor einem Jahr erreichten Höchststände erneut zu knacken. Der zwischenzeitliche Rückgang vom April 2015 bis zum Februar 2016 beträgt empfindliche 30 Prozent. Fühlt sich das an wie ein intakter Bullenmarkt? Definitiv nein.

Wenn sich deutsche Anleger dazu durchringen können, in Aktien zu investieren, dann kaufen sie bevorzugt deutsche Werte - und begrenzen ihre Investitionen dadurch auf 4 Prozent des weltweiten Angebots. Kritische Phasen wie diese belegen den Vorteil globaler Investitionen - welche unter anderem die Volatilität abmildern, vor der sich Anleger so fürchten.

Staatsanleihen - USA haben die Nase vorn

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Die EZB betreibt weiterhin mit voller Überzeugung expansive Geldpolitik. Das Niedrigzinsumfeld ist in der aktuellen Phase deshalb insbesondere ein europäisches Phänomen. Staaten wie Italien und Spanien können sich weiterhin zu rekordverdächtig guten Konditionen am Kapitalmarkt refinanzieren. Die Verzinsung deutscher Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit tendiert gegen null.

Dagegen ist die US-Notenbank FED durch die vieldiskutierte Zinserhöhung im November 2015 im Zinszyklus weiterhin den berühmten "Schritt voraus". Mit dem Resultat, dass die USA auch im Jahr 2016 weiterhin höhere Zinsen an die Käufer von Staatsanleihen zahlen müssen als "krisengebeutelte" Staaten wie Italien und Spanien.

Emerging Markets - trotz Erholung bleibt Skepsis

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Die Emerging Markets gehören zu den positiven Überraschungen im bisherigen Jahresverlauf 2016. Doch es herrscht weiterhin große Skepsis. Von der Euphorie, die sich zu Beginn des laufenden Bullenmarkts ausgebildet hatte, ist schon längst nichts mehr übrig. Seit Jahren kämpfen die Schwellenländer mit hoher Verschuldung und Haushaltsdefiziten, ausländische Investoren ziehen ihr Kapital ab. China sorgt für einen völlig verpatzten Börsenstart im Jahr 2016.

Droht ein Bärenmarkt mit globalen Folgen? Sicherlich sind die aktuellen Zahlen teilweise alles andere als rosig, aber das ist für die Entwicklung der Aktienmärkte in der nahen Zukunft auch nicht richtungsweisend. Aktienmärkte blicken IMMER in die Zukunft. Zum Hochpunkt im April 2015 hat der in Euro gerechnete MSCI Emerging Markets Index zwischenzeitlich über 35 Prozent verloren. Nüchtern betrachtet: Das genügt, um die herkömmliche Definition eines Bärenmarkts problemlos zu erfüllen.

S&P 500 - US-Aktien stützen globalen Bullenmarkt

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Die Entwicklung des marktbreiten US-Aktienindex S&P 500 kann im Jahr 2016 in zwei Hälften aufgeteilt werden. Einer der schwächsten Jahresstarts der Börsengeschichte heizte die Sorgen um eine Parallele zum Crash-Jahr 2008 an. Insbesondere die Tumulte an den chinesischen Börsen verstärkten die allgemeine Katerstimmung. Am 11. Februar dann der Wendepunkt: Der S&P 500 erstaunte die Zweifler mit einer starken März-Entwicklung und beendete das erste Quartal 2016 nahezu unverändert.

Der globale Bullenmarkt ist also intakt. US-Aktienmärkte nehmen dabei einmal mehr die Rolle des "Stabilisators" ein. Während andere Länderindizes noch weit von ihren Höchstständen entfernt sind, notiert der S&P 500 aktuell nur rund 2 Prozent unter seinem Allzeithoch.

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