Daimler-Hauptversammlung in Berlin Was Ola Källenius mit Daimler vorhat

Abgang und Anfang: Dieter Zetsche (links) übergibt die Amtsgeschäfte an den neuen Daimler-Chef Ola Källenius (r)
Foto: AFPEinen kurzen Moment lang, immerhin, gönnte sich der Neue ein bisschen Lockerheit. Nach 13 Jahren als Daimler-CEO übergibt Dieter Zetsche nach der Hauptversammlung sein Amt an Ola Källenius , den bisherigen Entwicklungschef und von langer Hand ausgesuchten Nachfolger. Es ist das Ende einer Ära, da muss vor Beginn der Veranstaltung ein gemeinsames Foto des scheidenden und des kommenden CEOs her - vor einem hellgrauen Elektroauto.
Zetsche und Källenius lächeln in die Kamera, schütteln sich die Hände. Doch beim Abgang wagt Källenius, der sonst eher zurückhaltende Schwede, dann eine kleine und zugleich große Geste: Er winkt den umherstehenden Fotografen ein zweites Mal zu, während sich Zetsche nur mit einem einmaligen Handheben verabschiedet. Nicht mal eine Sekunde lang dauert das zweite Winken, doch es signalisiert: Ich habe jetzt das Sagen. Und auf noch etwas hat Källenius Wert gelegt: Während Zetsche seinen letzten großen Auftritt wieder in Krawatte und Anzug statt des zuletzt etwas lässigeren Outfits bestreitet, lässt Källenius die Krawatte zum blauen Anzug weg.
Das soll wohl ein Zeichen für mehr Offenheit und Lockerheit in der Zukunft sein. Tatsächlich aber müsste Källenius, um auf die richtige Symbolik zu setzen, wohl auch noch die Ärmel aufkrempeln. Denn der hochgewachsene Schwede, studierter Betriebswirt mit jahrzehntelanger Erfahrung im Daimler-Konzern, übernimmt ein Unternehmen mit einigen großen Baustellen. Und er muss die großen Fußstapfen füllen, die sein Vorgänger hinterlassen hat. Denn trotz des Endes von Daimlers Rekordfahrt hat Zetsche in seinen 13 Jahren an der Konzernspitze vieles geschafft.

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Källenius übernimmt ein Unternehmen, dass in weit besserer Verfassung ist, als es Zetsche bei seinem Amtsantritt vor 13 Jahren vorfand. Daimler war 2006 vom Missmanagement des Zetsche-Vorgängers Jürgen Schrempp schwer gezeichnet: Die angebliche "Hochzeit im Himmel" mit dem US-Autobauer Chrysler erwies sich technisch und kulturell als Desaster, das Design der Sternen-Flotte war altbacken, die jungen Kunden blieben weg. Von Schrempp, der von der "Welt AG" träumte, erbte Zetsche einen Scherbenhaufen - und "Dr Z." machte sich schnell ans Aufräumen: Er trennte sich so bald wie möglich von Chrysler, stieß die Beteiligungen an Mitsubishi und Hyundai ab. Der Mann mit dem Walross-Schnauzbart, seinem Markenzeichen, drückte bei der Erneuerung der Modellpalette aufs Tempo. Er ließ neue Designer ans Werk, startete im großen Stil ins China-Geschäft, überrundete Audi und bald auch BMW und sorgte in seinen besten Zeiten für eine hohe Profitabilität.
Im Video: Der letzte große Auftritt des Dr. Z
Ende der Rekordfahrt
Unter Zetsches Führung ist die Marke Mercedes wieder ganz nach vorne gerückt: Bei Absatzzahlen, Technik, Image liegt die Marke mit dem Stern wieder an der Spitze. Kein anderer Konzern verkauft mehr Nutzfahrzeuge, mehrere Jahre lang war auch die Rendite mehr als auskömmlich. Allerdings: In den vergangenen zwei, drei Jahren hat Zetsches Eifer nachgelassen. Im Dieselskandal beteuerte Zetsche jahrelang, dass sein Konzern keine Motorsteuerungen manipuliert habe. Doch längst hat der Skandal auch Daimler erfasst - der Konzern musste hunderttausende Fahrzeuge zurückrufen, Staatsanwälte ermitteln, und Zetsche machte bei diesem für den Konzern so wichtigen Thema eine zunehmend schlechtere Figur.
Die CO2-Vorgaben der EU setzen die Schwaben zunehmend unter Druck, die Umstellung auf den strengeren WLTP-Zyklus verlief holprig, im Geschäftsjahr 2018 sackte das Betriebsergebnis um ein Fünftel ab. Der Gewinn nach Steuern sank auf 7,6 Milliarden Euro, um 30 Prozent weniger als im Rekordjahr 2017. Die Rekordfahrt des Dieter Zetsche ist vorüber - aber es spricht für Zetsche, dass er dies in seiner letzten Rede vor den Aktionären auch nicht schönzureden versucht. "Mit dem aktuellen Profitabilitätsniveau können und wollen wir nicht zufrieden sein", sagt Zetsche an einer Stelle - und nun müsse man im gesamten Unternehmen Kosten senken und die Effizienz steigern.
Zetsches Auftrag an Källenius: Sparen, sparen, sparen
Mit seiner letzten Rede gibt Zetsche also zu, dass der Konzern nicht in Bestform ist und sein Nachfolger gleich mal zu Amtsantritt sparen muss. Das ist keine Selbstverständlichkeit, denn bei Amtsübergaben tendieren viele CEOs dazu, etwaige Probleme in ihren Konzernen noch einmal zu beschönigen - und es dem neuen Amtsinhaber zu überlassen, erstmal kräftig durchzukehren.
Von Aktionären gibt es dennoch Kritik: "Daimler hat ein Effizienzproblem, dass Herr Zetsche nie so richtig angegangen hat", sagt einer. "Sie hinterlassen ihrem Nachfolger kein wohlbestelltes Haus".
Das Sparprogramm des neuen Daimler-Chefs
Källenius, so mahnt der Kritiker, müsse Effizienz zum Zentrum seines Wirkens machen. Das scheint der Neue auch vorzuhaben. Im Hintergrund arbeitet der neue Daimler-Chef bereits an einem Sparprogramm. Die Grundzüge der intern "Move" genannten Kostensenkungsmaßnahmen wurden kurz vor der Hauptversammlung bekannt. In den zentralen Verwaltungsbereichen will Källenius die Kosten um gut ein Fünftel senken, er verspricht sich davon ein Einsparungspotenzial von mehreren Milliarden Euro. Und natürlich stehen auch sämtliche größeren Investitionen der Stuttgarter auf dem Prüfstand. Der Start des zweiten Mercedes-Werks im ungarischen Kecskemét ist deshalb bereits vertagt, der Bau von X-Klasse-Pick-Ups in Argentinien gestrichen.
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Sparen als Führungsvision ist Källenius aber zu wenig. Denn kurz vor der Daimler-Hauptversammlung hat er erste Pflöcke eingeschlagen, wo er Daimler künftig sehen will. Bis 2039, so gibt Källenius vor, soll Daimlers gesamte Pkw-Neuwagenflotte CO2-neutral sein. Für die Nutzfahrzeuge gibt es ähnliche Pläne. Die Produktion in Europa soll bereits bis 2022 komplett CO2-neutral sein.
Sparen ist zu wenig - so sieht Källenius die Zukunft von Daimler
Der neue Daimler-Chef will den Autobauer also umweltfreundlicher machen. Das kann nur klappen, wenn er Verbrennungsmotoren durch E-Antriebe ersetzt. Und genau an diesem Punkt wird auch der Unterschied zwischen dem scheidenden und dem künftigen CEO sichtbar.
Denn Zetsche lobt in seiner Rede noch einmal den "hocheffizienten Dieselmotor", der nach wie vor einen deutlichen CO2-Vorteil gegenüber einem vergleichbaren Benziner habe und in Europa noch "mindestens ein Jahrzehnt eine wichtige Rolle spielen wird - im Nutzfahrzeugbereich noch länger". Mit einer solchen Wortwahl hätte sich Källenius vermutlich schwer getan.
Abschied vom Verbrenner - und ein neuer Kooperationsgeist
Beim schrittweisen Komplettabschied vom Verbrenner wird Källenius einiges an internem Erklärungsbedarf haben. Er wird anders managen müssen als Zetsche, der trotz aller nach außen zu Schau gestellten Showman-Qualitäten intern oft als Alphatier vom alten Schlag aufgetreten ist. Källenius gilt als deutlich leiser, ruhiger, effizienter - und viel kooperationsbereiter. In seiner bisherigen Rolle als Entwicklungschef hat sich Källenius regelmäßig mit Ingenieuren von BMW getroffen. Solche Gespräche mit dem Erzkonkurrenten auf höchster Managementebene waren im "Das Beste oder Nichts"-Konzern des Dieter Zetsche lange Zeit kaum vorstellbar.
Dass bei Daimler ein neuer Kooperationsgeist weht, merkt man bereits: Bei den Mobilitätsdienste machen die Stuttgarter nach langen Verhandlungen gemeinsame Sache mit dem Erzrivalen BMW. Beim autonomen Fahren, bei dem sich Daimler lange Zeit als deutscher Vorreiter und Technologieführer präsentierte, gibt es nun ebenfalls eine Allianz mit den Münchnern, zu der auch noch der Volkswagen-Konzern dazustoßen könnte.
Für den Kleinwagen Smart, lange Zeit eines der Sorgenkinder des Konzerns, hat Daimler nun den chinesischen Geely-Konzern, seinen Großaktionär, als Partner ins Boot geholt. Über weitere Kooperationsprojekte spreche man bereits, erklärt Zetsche, "solange sie einen positiven Beitrag bringen".
Der Neue muss rasch liefern
Über die Zukunft der Allianz mit dem langjährigen Partner Renault-Nissan verlor Zetsche allerdings kein Wort. Die anstehende Neusortierung überlässt er offenbar komplett seinem Nachfolger. Schließlich ist ja auch bei Renault-Nissan die Ära von Carlos Ghosn zu Ende, der mit seinem Machtgehabe zur Automanager-Generation des alten Schlags zählte.
Dass Källenius mit seinem Gegenpart bei Renault-Nissan auf einer Bühne sitzt und bei launigen Pressekonferenzen Hof hält, wie es Zetsche und Ghosn regelmäßig bei Automessen taten, erscheint zumindest eher unwahrscheinlich. Denn zur Marschroute von Källenius, Daimler grüner und freundlicher zu machen, passt ein solches Auftreten und Gehabe nicht so recht. Dafür muss sich Källenius wohl andere Inzenierungsformen suchen.
Wie Källenius den Konzern schnell in Richtung CO2-Freiheit drehen will, ist aber noch fraglich. Denn Daimlers Elektroauto-Familie EQ hat gerade erst ein Modell auf dem Markt, den EQC - und der ist eher ein Schnellschuss, da er noch auf einer konventionellen Plattform aufbaut. Den eigenen Elektroauto-Baukasten entwickelt Daimler noch. Die nähere Zukunft wird bei Daimler erstmal viele Hybridvarianten bringen. Die Reichweite solcher Mercedes-Fahrzeuge im reinen Elektro-Fahrmodus war bislang nicht gerade berauschend - da waren andere Konzerne schon etwas weiter.
"Das Beste" waren Daimlers Hybride bislang kaum. Wenn Källenius den Anspruch seines Vorgängers einlösen will, muss er da also schnell nachlegen - oder dem Konzern seinen eigenen Visionsspruch aufdrücken. Die kommenden Monate werden zeigen, wohin die Reise unter Källenius zeigt.