Johnsons erster Beitrag nach Brexit Die 5 Lügen des Boris Johnson

Schon der Wahlkampf der Brexit-Befürworter basierte auf falschen Behauptungen. Der erste Beitrag von Boris Johnson nach dem Votum zeigt: Auch jetzt schwindelt Johnson sich eine Welt zusammen, wie sie ihm gefällt.
Boris Johnson: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?

Boris Johnson: Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?

Foto: BEN STANSALL/ AFP

"Großbritannien wird immer ein Teil von Europa sein", schreibt Brexit-Befürworter Boris Johnson in einem Beitrag für den "Daily Telegraph" - wenige Tage, nachdem der Austritt der Briten aus der EU das britische Pfund auf ein 30-Jahres-Tief gedrückt hatte. Das Magazin "Quartz " hat den Beitrag Johnsons einem Faktencheck  unterzogen. Ergebnis: Die Argumentation der Brexiteers beruht auf leeren Versprechungen, Wunschdenken und schlichten Lügen. Boris Johnson ist ein Debattier-Profi, der sich die Argumente täglich neu so zurechtlegt, wie es ihm gefällt. Hier einige Beispiele aus Johnsons Beitrag.

Johnson: "Die Börse notiert auf deutlich höherem Niveau als im vergangenen Herbst."

Die Fakten: Nach dem Brexit-Votum verloren die Börsen weltweit rund 2,1 Billionen Dollar, der Tagesverlust war größer als am Tag nach der Lehman-Pleite. Der britische FTSE Index schloss am Freitag mit einem Verlust von 3,2 Prozent bei 6138 Punkten. Das sind rund 200 Punkte oder 3,8 Prozent mehr als auf dem Tiefstand des Index im vergangenen September. Ein "deutlich höheres Niveau" sieht anders aus. Und diese Betrachtung gilt auch nur für den FTSE 100: Betrachtet man den FTSE 250 Index, in dem auch die kleineren, überwiegend auf dem Heimatmarkt tätigen britischen Unternehmen tätig sind, stellt sich die Behauptung Johnsons als Lüge heraus. Der FTSE 250, als Gradmesser für den Heimatmarkt, brach nach dem Brexit um rund 8 Prozent ein und notiert inzwischen noch unter seinen Tiefständen aus dem vergangenen Herbst.

"Das Pfund notiert höher als 2014"

Johnson: "Das Pfund notiert höher als in den Jahren 2013 und 2014"

Die Fakten: Diese Aussage trifft nur zu, wenn man das Verhältnis von Pfund und Euro betrachtet. Draghis Nullzinspolitik und die Wachstumsschwäche in Europa haben den Euro in den vergangenen Jahren gegenüber anderen Währungen geschwächt. Im Vergleich zum US-Dollar trifft Johnsons Aussage jedoch nicht zu - das Pfund hat gegenüber dem Greenback deutlich an Wert verloren und notiert weit unter den Wechselraten der Jahre 2013 und 2014.

"Wir werden kein Schottland-Referendum haben"

Johnson: "Wir hatten ein Schottland Referendum 2014, und ich habe nicht den Eindruck, dass wir bald ein weiteres haben werden"

Die Fakten: Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat seit dem Brexit-Votum mehrfach erklärt, dass ein weiteres Referendum "sehr wahrscheinlich" sei. Die schottischen Bürger haben sich während des Brexit-Votums mit einer Mehrheit von 62 Prozent zum Verbleib in der EU entschieden, die Regierung werde nun die Vorbereitung für ein weiteres Referendum treffen. Vor der Wahl, ob sie weiterhin Teil des United Kingdom oder lieber weiterhin Teil der EU sein wollen, dürfte die Mehrheit sich wahrscheinlich für die EU entscheiden und das britische Königreich verlassen.

"Unsere Wirtschaft ist in guten Händen"

Johnson: "Unsere Wirtschaft ist in guten Händen. Mark Carney (Chef der Bank of England) macht einen hervorragenden Job"

Die Fakten: Es ist erst wenige Tage her, dass Johnson zu den größten Kritikern von Carney zählte. Er beschuldigte den Notenbankchef, den Zustand der Wirtschaft schlecht zu reden, als dieser vor den Gefahren eines Brexit für das britische Pfund warnte. Der Absturz des Pfundes gab Carney recht - um einen weiteren Absturz des Pfundes und der Märkte zu verhindern, muss Carney notfalls unbegrenzt Liquidität bereitstellen.

"Britische Bürger werden weiterhin in der EU arbeiten und leben können"

Johnson: "Britische Bürger werden weiterhin in der EU arbeiten und leben können - sie werden innerhalb der EU reisen, studieren, sich niederlassen können. Die einzige Veränderung wird sein, dass sich Großbritannien vom seltsamen juristischen Regelwerk der EU verabschieden wird.

Die Fakten: Frankreichs Präsident Francois Hollande und sämtliche EU-Spitzen haben nach dem Brexit-Votum immer wieder klar gemacht: Innerhalb des EU-Binnenmarktes gelten die vier Freiheiten - oder keine. Wer die Freizügigkeit von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen nicht akzeptiert, kann auch die anderen Freiheiten nicht genießen. Im Fall der Briten bedeutet das: Wer seine Grenzen dichtmachen und die Reisefreiheit für EU-Bürger einschränken will, bekommt auch keine Freizügigkeit für seine Waren und sein Kapital.

Auch die "norwegische Variante" ist für die Brexit-Befürworter nicht verlockend: Das Nicht-EU-Mitglied Norwegen zahlt jährlich 822 Millionen Euro dafür, dass das Land Zugang zum EU-Binnenmarkt bekommt. Gleichzeitig muss sich Norwegen an die Regeln des EU-Binnenmarktes halten - ohne sie selbst als Mitglied beeinflussen zu können. Und dass Großbritannien sich alle Vorteile des EU-Binnenmarktes wird erhalten können, ohne die Reisefreiheit zu garantieren und ohne Mitglied des Clubs zu sein, gehört ebenfalls in das Reich der wilden Boris-Johnson-Phantasien.

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Wirtschaft, Einwanderung und 350 Millionen Pfund: Die drei leeren Versprechen der Brexiteer

Foto: Str/ dpa
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