Automatische Halbierung und die Folgen "Bitcoin - besser als Gold"

Zum dritten Mal in der Geschichte des Bitcoin wurde das Angebot der Digitalwährung durch ein "Halving" verknappt. Bitcoin-Experte Christoph Lymbersky über die anschließenden Kursturbulenzen, den Vergleich mit anderen Assetklassen - und wie sich die Corona-Krise auf die Blockchain-Technologie in Deutschland auswirkt.
Bitcoin-Halving: Bitcoin-Miner bekommen für die Rechenleistung, die sie der Blockchain zur Verfügung stellen, seit Mitte Mai nur noch die Hälfte an Bitcoin. Diese Verknappung dient als Inflationsschutz und findet alle 4 Jahre statt

Bitcoin-Halving: Bitcoin-Miner bekommen für die Rechenleistung, die sie der Blockchain zur Verfügung stellen, seit Mitte Mai nur noch die Hälfte an Bitcoin. Diese Verknappung dient als Inflationsschutz und findet alle 4 Jahre statt

Foto: REUTERS

manager magazin: Mitte Mai wurde das Bitcoin-Angebot durch das sogenannte "Halving" verknappt. Bei den beiden vorangegangenen Halbierungen 2012 und 2016 war ein steiler Kursanstieg die Folge, doch diesmal ging es mit der digitalen Währung kräftig abwärts. Was ist schief gegangen?

Christoph Lymbersky: Eigentlich ist alles planmäßig abgelaufen. Ein Effekt des Halvings auf Angebot und Nachfrage tritt nicht sofort ein, sondern erst mittelfristig durch das stark reduzierte Nachfließen "neuer" Bitcoin in das Ökosystem. Bislang kamen etwa 1800 Bitcoin pro Tag hinzu, nun sind es nur noch 900, weil Bitcoin-Miner vereinfacht gesagt nur noch die Hälfte an Bitcoin für ihre zur Verfügung gestellte Rechenleistung bekommen. Wer jetzt vom Kurs enttäuscht ist, sollte nicht vergessen, dass der Bitcoin seit Jahresbeginn seinen Wert deutlich gesteigert hat - trotz des Kursrutsches im März während der Corona-Krise. Mit seiner Performance hat Bitcoin in diesem Jahr bislang den Aktienindex S&P500 übertroffen und sich auch besser entwickelt als die "Krisenwährung" Gold.

Dann ist das Halving also gar kein so wichtiges Ereignis?

Für die Liquidität am Markt oder den Preis ist das Halving nicht unmittelbar relevant. Es ist aber ein unverzichtbares Zahnrad in der Mechanik des Bitcoins. Es gewährleistet, dass die zur Aufrechterhaltung des Netzwerkes erforderliche Rechenleistung zur Verfügung steht und ist ein fundamentaler Faktor für die Steigerung des Marktwertes. Durch das regelmäßig etwa alle vier Jahre stattfindende Halving wird die Entwicklung der Geldmenge angepasst, jetzt im Mai wurde quasi die implizite Inflationsrate von 3,6 Prozent auf 1,8 Prozent gesenkt. Dies wird mittel- bis langfristig zu einer Angebotsverknappung beim Bitcoin sorgen.

Die Notenbanken fluten als Reaktion auf den Corona-Schock den Markt mit Geld. Das Bitcoin-Angebot wird dagegen verknappt. Offenbar bereiten die Zentralbanken mit ihrer Geldschwemme den Anlegern derzeit mehr Freude.

Gerade im aktuellen Marktumfeld mit weltweit deutlich ansteigender Staatsverschuldung und aktiv Geld druckenden Zentralbanken sollte man sich bewusst machen, dass der Bitcoin als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 entstanden ist. Die digitale Währung hat in Ihrem Code eine fixe Obergrenze von 21 Millionen Einheiten und eine mathematisch vorbestimmte Geldpolitik festgelegt. Daher gibt es in der Bitcoin-Welt keine Reaktionen der Währung auf Quantitative Easing oder Bailouts durch Zentralbanken.

Ganz so unabhängig scheint die Krypto-Währung aber doch nicht zu sein. Im März 2020, zum Höhepunkt der Corona-Krise, sind Kryptowährungen zeitgleich mit allen anderen Wertpapieren abgestürzt. Lässt sich die These, dass Kryptowährungen nicht mit anderen Anlageklassen korrelliert seien, noch aufrechterhalten?

Der März 2020 war eine Sondersituation - alle Anleger haben risikobehaftete Assets abgestoßen. Einige Investoren haben sich nach unserer Einschätzung auch von Cryptoguthaben getrennt, weil sie ihre Margin- oder Nachschussverpflichtungen in anderen Anlageklassen erfüllen mussten. Interessant ist aber, dass die Kurse der Cryptowährungen sich am schnellsten wieder erholt haben. Der Kurs eines Bitcoins ist nicht von den Gewinnaussichten oder dem Verschuldungsgrad eines Emittenten abhängig und in Zeiten der Unsicherheit haben alternative Anlageformen in der Regel erhöhtes Potential. Die Korrelation zwischen Bitcoin und S&P500 pendelt seit Jahren in einem Korridor zwischen +0,3 und - 0,3 und hat nur jetzt im März vorübergehend einen Wert von 0,5 überschritten.

Der Bitcoin ist die größte, älteste und bekannteste Kryptowährung. Sind andere, jüngere Token oder Coins die bessere Alternative?

Bitcoin  ist sozusagen der Marktführer der Kryptowerte, egal ob dies an Marktkapitalisierung, Rechenkraft, Entwicklung oder dem Preis gemessen wird. Im Markt der Kryptowerte gibt es aber auch andere innovative Ansätze und Ideen, die eigene Coins oder Token erfordern. Solche jungen Projekte sind mit Venture Capital vergleichbar. Sie bieten entsprechende Renditechancen und natürlich auch Risiken. Diese alternativen Coins sind anders als beim Bitcoin mit eigenen Funktionen versehen und können Rechte verbriefen oder physische Assets repräsentieren. Der Trend zur Tokenisierung, also der Abbildung von traditionellen Werten durch digitale Token, ist ein zentraler Bereich für die disruptive Anwendung der Blockchain.

Die Corona-Pandemie sorgt für eine Wirtschaftskrise, gibt aber auch der Digitalisierung einen Schub. Wie kommen Blockchain-Start-ups durch die Corona-Krise?

Wie in allen Wirtschaftsbereichen werden die Folgen des Lockdowns sich auch bei jungen Blockchain-Unternehmen auswirken. Viele dieser Firmen fallen auch durch das Raster der staatlichen Förderung. Andererseits haben die Krise und der Trend zum Home-Office den Trend zur Digitalisierung deutlich gefördert und diese Entwicklung, fördert die Bekanntheit und Nutzung von Blockchain-basierter Technologie. In Zusammenhang mit der Corona-Tracking-App wurde breit diskutiert, dass zur Sicherung der Anonymität der Bewegungsdaten eine dezentrale verschlüsselte Speicherung erforderlich ist - eine solche Herausforderung ist ein idealer Anwendungsfall für die Blockchain-Technolgie, die deshalb ja auch als "Dezentralized Ledger Technology" bezeichnet wird.

Welche Anwendungen - außer einer dezentralen Verschlüsselung einer Tracking App - hat der Blockchain-Markt aktuell zu bieten?

Der Sektor ist sehr wachstumsstark. Wir sehen interessante Projekte im Bereich der Logistik, da geht es um die Abbildung der Lieferkette von Produkten in einem einheitlichen blockchainbasierten Protokoll. Das spart erhebliche Kosten und erhöht die Transparenz. Daneben wird die Tokenisierung von physischen Assets wie Immobilien, aber auch Schiffen und Flugzeugen vorangetrieben, parallel gibt es viele weitere Einsatzmöglichkeiten im Finanzsektor.

Deutschland hat spät auf die neue Technologie reagiert. Im Herbst 2019 hat die Bundesregierung nun eine Blockchain-Strategie verabschiedet. Mit welchen Folgen?

In vielen andere Staaten konnten digitale Währungen und Blockchain-Projekte deutlich früher starten oder sich auch mangels Regulierung in einer Grauzone entwickeln. In Deutschland war vieles unklar, aber inzwischen haben wir mit der Blockchain-Strategie der Bundesregierung in mehreren Bereichen sehr konkrete Leitlinien. Es gibt zum Beispiel sehr strenge Vorgaben für das Verwahrgeschäft von Kryptowerten. Wenn wir es schaffen, dass die großen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland das Potential entdecken, bin ich zuversichtlich, dass Blockchain-Start-ups am Standort Deutschland einen Vertrauens- und Qualitätsvorteil für sich in Anspruch nehmen können.

Christoph Lymbersky ist CEO der coinIX GmbH & Co. KGaA. Die coinIX wurde 2017 als Beteiligungsgesellschaft gegründet, um Expertise im Bereich Blockchain und Kryptowährungen, bei Analyse, Erwerb und Verwahrung digitaler Assets aufzubauen und Investitionen in diesen Sektor zu tätigen. Aktuell ist die Gesellschaft in Bitcoin und mehr als 20 anderen virtuellen Währungen investiert. Zudem hält sie Beteiligungen an 5 Blockchain-Startups.

la/mmo
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