
Wölbern-Fonds fordern Millionen-Schadensersatz Mammutklage gegen internationale Kanzlei Bird & Bird
Hamburg - Im Spektakel um das Fondshaus Wölbern Invest und dessen ehemaligen Chef Heinrich Maria Schulte (61) rückt ein prominenter Akteur in den Fokus, den Beobachter schon länger misstrauisch beäugen: Die internationale Anwaltskanzlei Bird & Bird. Insgesamt 29 Immobilienfonds von Wölbern Invest haben gegen die weltweit tätige Sozietät beim Landgericht Hamburg eine Schadensersatzklage eingereicht. Das berichtet das manager magazin in seiner neuen Ausgabe, die am morgigen Freitag, den 23. Januar, erscheint.
Die mehr als 260 Seiten starken Klageschrift, die bei Gericht unter dem Aktenzeichen Az. 327 O 637/14 geführt wird und die manager magazin vorliegt, hat es in sich: Gemeinsam mit dem Hamburger Rechtsanwalt Tjark Thies, Insolvenzverwalter mehrerer Gesellschaften der Wölbern-Gruppe, fordern die Fonds von der Kanzlei sowie teils ehemaligen Mitarbeitern Wiedergutmachung in Höhe von mindestens 130 Millionen Euro.
Der Grund: In den Kassen vieler Fonds klaffen gewaltige Löcher, mehrere mussten bereits Insolvenz beantragen. Mitverantwortlich dafür sind nach Ansicht der Kläger die Anwälte von Bird & Bird. Denn diese hätten Schulte bei dessen umstrittenen Finanztransfers, die letztlich zur prekären Lage der Fonds geführt hätten, eng beraten und müssten sich zahlreiche Verfehlungen anlasten lassen.
Damit nehmen die Fonds einen offenkundig potenten Gegner ins Visier. Bird & Bird beschäftigt eigenen Angaben zufolge mehr als 1000 Anwälte in 18 Ländern weltweit. 2014 beriet die Sozietät Mandanten aus 118 Ländern, heißt es auf der Website. Auf Anfrage teilte Bird & Bird mit, man sehe keine Grundlage für eine Klage und würde sich gegen eine solche "mit allen rechtlich verfügbaren Mitteln entschieden zur Wehr setzen".
Welche Rolle spielte Bird & Bird?
Die Klage gegen die Wirtschaftsjuristen fügt einem der größten Anlegerskandale der vergangenen Jahre ein weiteres Kapitel hinzu. Seit Mai 2014 wird dem gelernten Mediziner Schulte, der 2006 das Bankhaus Wölbern erwarb und 2007 die Fondssparte Wölbern Invest abspaltete, in Hamburg der Prozess gemacht.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn der gewerbsmäßigen Untreue in mehr als 300 Fällen. Fast 150 Millionen Euro soll er zwischen August 2011 und September 2013 unrechtmäßig aus geschlossenen Wölbern-Fonds zweckentfremdet haben. Bis zu 60 Millionen davon, so die Ankläger, seien in private Kanäle geflossen. Schulte weist die Vorwürfe zurück.
Schon zu Beginn des Schulte-Prozesses hatte der Staatsanwalt festgestellt, dass die Rolle von Bird & Bird in der Causa Wölbern geklärt werden müsse. Die Kanzlei selbst allerdings trug bislang wenig dazu bei. Zur aktuellen Klage teilte die Sozietät auf Anfrage lediglich mit, man sehe keine Grundlage dafür und würde sich "mit allen rechtlich verfügbaren Mitteln entschieden zur Wehr setzen".
Schon dreimal nahmen zudem Bird & Bird-Leute im Schulte-Prozess auf dem Zeugenstuhl Platz. Zweimal erschien der inzwischen bei der Sozietät ausgeschiedene Schulte-Freund Frank M., und einmal Ole B., der nach wie vor bei Bird & Bird tätig ist. Jedes Mal verweigerten die Juristen, die beide namentlich in der Mammutklage aufgeführt sind, komplett die Aussage.
Die unangenehmen Mails des Bird & Bird-Anwalts
Für ihr Schweigen hatten die Herren zweifellos gute Gründe. Schon die Anklageschrift der Hamburger Staatsanwaltschaft gegen Schulte, die manager magazin vorliegt, enthält äußerst kritische Passagen über Bird & Bird. Die Vorwürfe sind dabei zum Teil die gleichen, die jetzt auch die Wölbern-Fonds erheben.
Für Bird & Bird-Mann B. besonders unangenehm dürfte eine Mail-Korrespondenz sein, die er im März 2013 mit einem Wölbern-Manager führte. In dem Schriftverkehr, der manager magazin online vorliegt, geht es um die Anfrage eines Fondsinvestors auf Einsicht in das Konto seiner Beteiligungsgesellschaft, des Fonds "Holland 56".
Um den Mann zufrieden zu stellen, hatten die Wölbern-Leute seinerzeit einen Kontoauszug benötigt, auf dem ein Guthaben zu sehen ist, das durch eine Anfang 2012 erfolgte Überweisung von der Wölbern-Tochter Wölbern Invest B.V. in den Niederlanden entstanden war. Die niederländische Wölbern-Gesellschaft steht im Zentrum der Vorwürfe gegen Ex-Fondshaus-Chef Schulte. Über sie soll er seine umstrittenen Finanzdeals abgewickelt haben.
Merkwürdige Zirkelbuchung
Das Dumme für die Verantwortlichen bei Wölbern Invest war im März 2013 jedoch: Der fragliche Betrag befand sich nicht einmal einen vollen Buchungstag lang auf dem Konto des Fonds "Holland 56". Er war vielmehr Teil einer merkwürdigen Zirkelbuchung, die auch im Prozess gegen Schulte schon mehrfach thematisiert wurde.
Dabei wurden Ende Januar 2012 Millionen von Euros von der Wölbern Invest B.V. in den Niederlanden auf die Konten von Wölbern-Immobilienfonds überwiesen - und noch am gleichen Tag wieder zurück in die Niederlande. So geschah es offenbar auch beim Fonds "Holland 56" . Es gab daher keinen Kontoauszug, der ausschließlich das Guthaben zeigt, ohne dass darauf erkennbar wäre, dass das Geld am gleichen Tag wieder abgebucht wurde.
Die Mails zu dem Thema, die zwischen Wölbern und Bird & Bird-Anwalt B. ausgetauscht wurden, waren nach Informationen von manager magazin online für die Hamburger Staatsanwaltschaft einer der Gründe, gegen B. ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Beihilfe einzuleiten. B. wollte sich dazu auf Anfrage nicht äußern (Anm. d. Red.: Das Verfahren gegen B. wurde inzwischen nach Paragraf 153a StPO eingestellt).
Auch im Zusammenhang mit möglichen Schadensersatzansprüchen gegen Bird & Bird werden die Mails wohl eine Rolle spielen. Die klagenden 29 Fonds jedenfalls verfügen ebenfalls über Kopien davon.
Hamburg, Hafencity: Wölbern Invest und Bird & Bird saßen im gleichen Gebäude