Günstige Kredite, teure Immobilien 0,5 Prozent - Baukredite so günstig wie nie

Altbauwohnungen in Köln: Immobilienkredite sind derzeit günstig wie nie - dies treibt die Wohnungspreise vor allem in Großstädten in die Höhe

Altbauwohnungen in Köln: Immobilienkredite sind derzeit günstig wie nie - dies treibt die Wohnungspreise vor allem in Großstädten in die Höhe

Foto: Rolf Vennenbernd / DPA

Negativzinsen auf Bankeinlagen, weitere Anleihekäufe: Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) macht sich durch weiter fallende Zinsen für Immobilienkäufer bemerkbar. Wer eine Wohnung oder ein Haus per Kredit finanziert, muss seiner Bank in bestimmten Fällen kaum noch Zinsen zahlen. Laut einer Auswertung des Kreditvermittlers Interhyp sind die Zinsen für Darlehen mit zehnjähriger Bindung bei guter Kreditwürdigkeit unter die 0,5-Prozent-Marke gefallen. Der Finanzdienstleister hat nach eigener Aussage die Konditionen von mehr als 400 Geldhäusern verglichen.

"Kreditnehmer erleben in diesen Wochen eine nie da gewesene Entwicklung", sagte Interhyp-Vorständin Mirjam Mohr. Wer eine gute Kreditwürdigkeit habe und Geld für zehn Jahre aufnehme, könne sich teils schon für rund 0,4 Prozent Zins jährlich verschulden. Auch die FMH-Finanzberatung kommt zu dem Schluss, Immobiliendarlehen seien derzeit so günstig wie nie: Demnach fielen bei einem Kredit mit Laufzeit von zehn Jahren jüngst 0,69 Prozent Zinsen im Schnitt an. Vor drei Wochen waren es noch 0,71 Prozent pro Jahr.

Wer kaufen will, sollte dennoch vorsichtig sein

Das Problem für Immobilieninteressenten: Gerade in begehrten Lagen ist der Markt für Wohnungs- oder Häuserkäufe bereits leergefegt. Zudem sind oftmals die Kaufpreise sehr hoch. So warnen Verbraucherschützer, Interessenten sollten nicht kaufen, nur weil die Bauzinsen verlockend niedrig seien. Den geringeren Zinsen stünden weit gestiegene Preise gegenüber. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Zinsen für Immobilienkredite noch weiter fallen - möglicherweise bis in den Minus-Bereich.

Was würden negativ verzinste Immobilienkredite konkret bedeuten?

Angenommen, Wohnungs- oder Hauskäufer nehmen Baugeld mit einem Minus-Zins auf, dann bekommen sie einen Rabatt von der Bank: Statt Zinsen auf ihr Darlehen zu bezahlen, müssten sie den aufgenommenen Immobilienkredit nicht einmal komplett zurückzahlen: Bei 200 000 Euro aufgenommener Summe wären es zum Beispiel nur 199 000 Euro. Und die Zinslast auf Tilgungen würde komplett der Vergangenheit angehören.

Werden negativ verzinste Immobilienkredite bald eingeführt?

Laut Recherchen des Branchenportals "Finanz-Szene.de" stellen sich Banken schon darauf ein. Bisher halten sich große Geldhäuser aber bedeckt. Die Deutsche Bank etwa erklärte, sie plane "derzeit nicht, negative Zinsen für Baufinanzierungen einzuführen". Die Commerzbank teilte mit, dies sei aktuell "nicht vorstellbar". Wenn es zu negativen Immobilienzinsen hierzulande komme, dann wohl nur in Einzelfällen, glaubt Mohr von Interhyp. Etliche Banken hätten schon Mindestzinsen im positiven Bereich eingeführt. In Dänemark gebe es dagegen bereits negative Bauzinsen.

Ähnlich sieht das Max Herbst von der FMH-Finanzberatung. "Es ist möglich, dass die Bauzinsen bis null fallen, aber die Wahrscheinlichkeit negativ verzinster Immobilienkredite für die Masse ist minimal." Spitzen-Angebote über zehn Jahre mit rund 0,3 Prozent Sollzins beträfen Käufer mit viel Eigenkapital und guter Bonität.

Was haben Banken von möglichen negativen Bauzinsen?

Negativ verzinste Immobilienkredite könnten für Banken das kleinere Übel sein. Horten sie über Nacht Geld bei der EZB, zahlen sie erhöhte Strafzinsen - statt 0,4 Prozent wie bisher nun sogar 0,5 Prozent. "Der Druck wird größer", sagt Herbst. "Die Banken wollen ihr Geld loswerden, weil die EZB ihnen zu teuer wird." Als eine Lösung böten sich große Baufinanzierungen an, die Banken selbst bei niedrigen Zinsen so gut wie ohne Risiko vergeben könnten.

Was bedeuten extrem niedrige Zinsen für den Immobilienboom?

Sie können Bürger ermuntern, mehr Kredit für den Wohnungskauf aufzunehmen und den Boom noch antreiben: Je niedriger der Zins, desto kleiner die Schuldenlast. "Ein Ehepaar, das vor zehn Jahren eine Monatsrate von 1000 Euro zur Finanzierung übrig hatte, kann heute mit der gleichen Summe einen weit höheren Kredit stemmen", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Im Immobilienboom sind Wohnimmobilienkredite bereits angeschwollen: Binnen zehn Jahren kletterten die Schulden der Bundesbürger um etwa ein Viertel, zeigt eine Antwort des Finanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion. Demnach nahmen Privathaushalte 2018 rund 995 Milliarden Euro zur Finanzierung von Wohnungen und Häusern auf.

Muss ich Angst haben, dass die Immobilienpreise erst recht steigen?

Ob Wohnungen und Häuser noch teurer werden, weiß niemand - mögliche negative Bauzinsen hin oder her. Zwar treiben billige Finanzierungen tendenziell große Investoren in Immobilien. Sie finden wegen der Niedrigzinsen kaum noch einträgliche Anlagen und setzen auf weiter steigende Wohnungspreise. Es gibt aber auch etliche Warnungen vor Immobilienblasen, wie vom Bankenverband VÖB. Auch mehr Regulierung der Politik könnte stärker auf dem Immobilienmarkt lasten.

Wie sollten Verbraucher handeln?

Wohnungsinteressenten sollen nicht kaufen, nur weil die Bauzinsen verlockend niedrig seien, warnt Verbraucherschützer Nauhauser. Den geringeren Zinsen stünden weit gestiegene Preise gegenüber. Wenn negative verzinste Immobilienkredite kommen, dann wohl zunächst im Nachkommastellen-Bereich. Geschenkt würde einem also wenig - und ihren Kredit müssten Verbraucher ja trotzdem fast ganz zurückzahlen.

Auch Herbst von der FMH-Finanzberatung sieht keinen neuen Handlungsdruck. "Wer eine Immobilie kaufen will, hat keine Zeit abzuwarten, bis die Zinsen womöglich noch niedriger werden", sagt er. Er müsse oft schnell den Kaufvertrag abschließen, bevor das Objekt anderweitig vergeben sei. "Anschlussfinanzierer hingegen können sich zurücklehnen und hoffen, dass die Konditionen noch besser werden."

Was sagen die Finanzaufseher?

Die Bundesbank hält Negativzinsen auf Immobilienkredite für denkbar und gibt sich gelassen. Zwar werde mit negativen Bauzinsen die Kreditaufnahme für Kunden attraktiver, sagte Vorstand Joachim Würmeling. "Umso wichtiger ist es, dass Banken Kreditvergabestandards nicht lockern." Das sei auf breiter Front noch nicht zu sehen.

Von Alexander Sturm, dpa

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren