Börsenprofi Thomas Grüner erklärt So lassen Sie an der Börse die Zeit für sich arbeiten

Von Thomas Grüner
Foto: imago

Unabhängig davon, was in der Presse steht, wie viele Experten derselben "eindeutigen" Meinung sind, ob als nächstes ein Sektor untergeht, ein Geschäftsmodell keine Zukunft mehr zu haben scheint oder gleich der nächste Bärenmarkt droht - eine Tatsache bleibt unbestritten: Der Aktienmarkt ist und bleibt langfristig gut. Wer lieber den Crashpropheten glaubt, sollte sich einmal das Renditedreieck und die langfristige Volatilität der verschiedenen Anlageklassen anschauen: Erstaunlicherweise ist das Aktienmarktrisiko in Form von Volatilität bei einem gewählten Zeitraum von 35 Jahren niedriger, als das der doch so sicheren Anlageklasse der Anleihen. Gleichzeitig sind die langfristigen Aktien-Renditen allen anderen Anlageklassen überlegen.

Thomas Grüner

Thomas Grüner ist Gründer und Vice Chairman des Vermögensverwalters Grüner Fisher Investments (www.gruener-fisher.de ) mit Sitz in Rodenbach bei Kaiserslautern.

Trotzdem wird ständig vor den Risiken gewarnt, die überall lauern. Sei es der nächste Krieg, ob mit Waffen, im Internet oder bei den Handelsbeziehungen, steigende Zinsen, Kleinstaaterei, Schuldenkrise oder einfach Donald Trump - wer Warnungen sucht, findet sie auch. Doch für wen sind diese eigentlich wichtig?

Gehen wir einmal von der Tatsache aus, dass Aktienkurse sowohl den fundamentalen Wert, als auch das Sentiment ausdrücken, so kann man verschiedene Typen von Anlegern ausmachen. Eigentlich jeder, der sich einmal mit den Märkten beschäftigt hat, kennt Warren Buffett und fast jeder bewundert ihn. Er hat den Stil des Value-Investierens salonfähig gemacht und viele Anleger, ob private oder institutionelle versuchen ihm nachzueifern. Auf Basis einer Klassifizierung von Shefrin und Statman aus dem Jahr 1994, die heute aktueller denn je ist, nennen wir die Valueinvestoren auch "information trader".

Foto: manager-magazin.de

Im Gegensatz dazu existiert der so genannte "noise trader", der vor allem kurzfristig versucht, die Märkte zu schlagen. Diesen können wir noch einmal unterteilen in den "momentum trader", der die Fortsetzung von Trends erwartet und den "contrarian", der auf eine Gegenbewegung setzt. Doch egal ob Trendfortsetzung oder Gegenstrategie, der sentiment-bezogene Anleger wird von einer psychologisch bedingten Verhaltensweise (auch "bias" genannt) beeinflusst, die verhindert, dass er den fairen Wert einer Aktie ermitteln kann.

Trotzdem scheint der Markt voll zu sein von Investoren, die den Markt kurzfristig schlagen wollen. Ausdruck findet diese Einstellung in Börsenweisheiten wie "sell in may" oder auch "sell high, buy low". Die Tatsache des an sich guten Marktes wird in diesen Zeiten vollkommen über den Haufen geworfen und findet wenig bis gar keinen Einfluss auf die Anlageentscheidung.

Ein solches Investorendasein begründet sich durch viele Phänomene der Psychologie: Zum einen sind es die "normalen" menschlichen Gefühle wie Gier, Angst oder auch Zweifel. Zum anderen möchte jeder immer gerne vor anderen und vor sich selbst perfekt sein. Niemand gibt gerne Fehler zu. Investieren wird somit als persönliche Fähigkeit angesehen, mit der man sich gegenüber anderen abhebt. Nebenbei fühlt man sich ganz besonders gut, wenn man eine richtige Entscheidung getroffen hat, die externe Anerkennung und das Selbstbewusstsein wachsen. Im Gegensatz dazu fällt es sehr schwer, verlustreiche Werte zu verkaufen, weil damit eine "Fehlentscheidung" real wird. Der eigene "Fehler" muss eingestanden werden.

Valueinvestor oder auch "information trader" zu sein ist jedoch mindestens genauso schwer. Ohne eine weitest gehende emotionale Abkopplung von der Anlageentscheidung und der aktuellen kurzfristigen Marktentwicklung geht es nicht. Der Unterschied? Valueinvestoren sind langfristig in der Regel in der Breite deutlich erfolgreicher als emotionale Anleger.

Wer nun immer noch glaubt, schlauer als der Markt zu sein und Ein- und Ausstiegszeitpunkte besser als alle anderen wählen zu können, für den könnte folgende Geschichte interessant sein: Ende der 90er Jahre gab es unter anderen auch zwei Hedgefonds am Markt, den "Tiger Hedge Fund" mit Julian Roberts und den berühmten "Soros Hedge Fund" von George Soros. Der Tiger Fund erkannte im Zuge der Technologieblase die Überbewertung der Tech-Aktien, wurde aber schließlich 1999 aufgelöst, weil Investoren ihre Gelder aufgrund verpasster Renditen abzogen. Der Soros Fund hingegen wurde 2000 aufgelöst, weil die Portfoliomanager zu spät erkannten, dass Tech-Aktien fielen. Fazit: Selbst das Erkennen einer bestimmten Marktsituation hilft nicht wirklich beim Markttiming.

Fazit

"Time in the market" statt "Timing the market" sollte neben einer klaren Anlagestrategie die höchste Maxime bei Ihrer Investitionsentscheidung darstellen. Koppeln Sie Ihre Anlageentscheidung so gut wie möglich von der emotionalen Ebene ab. Vergessen Sie den Lärm, der buchstäblich aus den Medien in Ihr Portfolio dringt. Handeln Sie auf Basis von Informationen und nicht von Crashvorhersagen. Ihre Renditen werden es Ihnen danken.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren