Wim Duisenberg Aufforderung zur Schadensbegrenzung
Frankfurt am Main - Die Pressekonferenz nach der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Paris biete Duisenberg eine willkommene - wenngleich unbequeme - Chance, die von ihm ausgelösten Irritationen aus der Welt zu räumen, hieß es bei Frankfurter Großbanken. Eine neuerliche Zinserhöhung wurde indes nicht erwartet.
Im Vorfeld der Ratssitzung konnte der Euro am Donnerstagmorgen nach seinem Allzeittief am Mittwoch wieder Boden gut machen. Gegen 8.30 Uhr notierte er bei 84,05 Cent. In der Nacht war die Gemeinschaftswährung auf Tiefstände von 83,24 Cent und 89,50 Yen gefallen.
Duisenberg, über dessen Rücktritt schon spekuliert wurde, muss in Paris mit einer Reihe unangenehmer Fragen rechnen. Gar als "Euro-Tölpel" wurde der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesen Tagen von der Presse in Frankreich bezeichnet, wo er ohnehin nicht sonderlich beliebt ist. Schließlich hatte der 65-Jährige seinen französischen Kollegen Jean-Claude Trichet im Wettlauf um die Spitzenposition im Frankfurter Euro-Tower hinter sich gelassen.
Debatte um Duisenberg "reichlich übertrieben"
"Ich halte die Debatte um Duisenberg für reichlich übertrieben. Die Politik der EZB und die Arbeit Duisenbergs war bislang sehr gut", sagte der Commerzbank-Chefvolkswirt Ulrich Ramm.
Allerdings hat auch er die Äußerungen des EZB-Präsidenten zur Interventionspolitik der europäischen Währungshüter mit Unverständnis aufgenommen. "Über Interventionen sollte man nicht vorher reden, höchstens wenn man sie gemacht hat."
Duisenberg weist erfolgreiche Bilanz auf
Bei einem Notenbankchef werde jedes Wort zu Recht auf die Goldwaage gelegt, so Ramm. Der Niederländer habe trotz seines umstrittenen Interviews mit der Londoner "Times" eine erfolgreiche Bilanz aufzuweisen.
"Die bisherigen Zinserhöhungen stehen im Einklang mit der Konjunktur und der Inflation", sagte Ramm. Ein Beleg dafür sind auch die jüngsten Zahlen zur Teuerung in den elf Euroländern. Wie von der EZB-Spitze erwartet, schnellte die jährliche Inflationsrate im September auf 2,8 Prozent in die Höhe, nach 2,3 Prozent im August. Damit wurde die EZB-Warnschwelle von 2,0 Prozent klar überschritten.
Entscheidend war die rasante Preissteigerung bei Öl und Energie. Nach Einschätzung der Banken und der EZB wird die Teuerung voraussichtlich erst 2001 wieder sinken, wenn auch der Ölpreis den Rückzug antritt. Beim angeschlagenen Euro ist dagegen keine Entspannung in Sicht.
"Ohne Not" habe Duisenberg mit seinen anscheinend unbedachten Worten den Euro wieder auf Talfahrt geschickt, monierte der Chefvolkswirt der Dresdner Bank, Klaus Friedrich. Nun würden die Märkte erneut auf die Gemeinschaftswährung eindreschen und alte Tiefstände testen.
Chefökonom Ramm rät jedoch beim Euro immer noch zu Gelassenheit: "Irgendwann merken auch ausländische Investoren, dass der Euro eine vernünftige Währung ist."
Welteke widersprach Duisenberg
In einem Interview mit der französischen Zeitung "IAgefi" widersprach Bundesbankpräsident Ernst Welteke indirekt Duisenberg. Er kündigte Interventionen der Zentralbanken an, falls sich die Euro-Schwäche negativ auf das weltweite Wirtschaftswachstum auswirke.
Die gemeinsamen Euro-Stützungskäufe der Notenbanken vom 22. September hätten gezeigt, dass die Zentralbanken entschlossen seien zu handeln, wenn sie über den Euro-Kurs besorgt seien.
Insgesamt sah er die Perspektiven für die europäische Gemeinschaftswährung positiv. Die zum Jahresende geplanten institutionellen EU-Reformen würden den Euro stützen, sagte Welteke, der auch Mitglied im EZB-Rat ist.
Er sei überzeugt, der Außenwert werde wieder steigen, sobald die Märkte den positiven Fundamentaldaten der Euro-Zone wieder Beachtung schenkten. Die derzeitige Schwäche spiegele nicht die Erfolge der Europäischen Zentralbank im Kampf gegen die Inflation im Euro-Raum wider.