Olympia Fischers Sieg für die Ewigkeit
Sydney - Bei widrigen Bedingungen mit Windgeschwindigkeiten von über 40 Stundenkilometern und einer sechsstündigen Verschiebung erkämpfte die 38-jährige Powerfrau am Sonntag in einem historischen Rennen der Kajak-Zweier mit Katrin Wagner das siebte Olympia-Gold ihrer Sportler-Karriere.
Tags zuvor hatte sie den Vierer mit der Leipzigerin Anett Schuck und den beiden Potsdamerinnen Manuela Mucke und Katrin Wagner trotz eines "verkorksten Kampf-Krampf-Rennens" zum Sieg geführt und war in den Olymp gestürmt.
Mit ihren nun insgesamt sieben Gold- und drei Silbermedaillen eroberte sie den Thron der erfolgreichsten deutschen Olympionikin; sie überholte in der Rangliste den im Vorjahr verstorbenen Reiter Reiner Klimke (6/0/2).
Den Medaillenrausch der deutschen Kanuten mit insgesamt sieben Mal Edelmetall (3/1/3) komplettierten Andreas Dittmer mit Gold über 1000 m und Bronze über 500 m, der Kajak-Vierer der Herren mit Silber sowie das Canadier-Duo Lars Kober/Stefan Uteß über 1000 m und das Kajak-Gespann Ronald Rauhe/Tim Wieskötter (Berlin/Potsdam) über 500 m mit Bronze.
Als erster Gratulant des Traum-Zweiers stürzte sich Damen-Bundestrainer Ralf Zeidler in die schäumenden Fluten des Penrith Lake. Danach machte er seinem offenbar angestauten Frust Luft: "Capousek hat uns Ost-Trainer wie den letzten Dreck behandelt. Er tut so, als würde er alles wissen und wir wären die Blödmänner", zerstörte Zeidler die nach außen bisher heile Welt des Deutschen Kanu-Verbandes, der in Sydney nach den Ungarn (4/2/1) zum erfolgreichsten Verband avancierte.
"Ich lasse mir das nicht mehr gefallen. Es unglaublich, was der sich für Dinge im Trainingslager erlaubt hat. An den Medaillen, außer an der des Vierers, hat er nicht die Spur eines Anteils", schimpfte der Dresdner.
Josef Capousek, über dessen Rücktritt spekuliert wird, seit er gegenüber dem ZDF erklärte, er wolle sich "privat und beruflich neu orientieren", wollte die Kritik nicht annehmen. "Zeidler soll mir selber sagen, worauf er anspielt. Zuletzt haben wir uns im Februar ausgesprochen, danach hat es meines Wissens keine Zwischenfälle gegeben", sagte Capousek.
Birgit Fischer, die sich wenige Wochen vor den Spielen von ihrem Lebensgefährten Capousek getrennt hatte, strahlte zufrieden nach dem zweiten großen Sieg, während ihre 16 Jahre jüngere Partnerin eine Träne nach der anderen aus dem Auge wischte. "Wahnsinn, Wahnsinn", hatte die 22-Jährige zuvor immer wieder gemurmelt, als das neu formierte Boot die Ziellinie überfuhr.
"Ich bin froh, dass heute 90 Prozent gereicht haben, weil Birgit 110 Prozent gebracht hat", meinte sie im Überschwang der Gefühle, beklagte aber das Chaos vor dem Rennen: "Die Warterei war ätzend".
Für Super-Kanutin Fischer fand DKV-Präsident Ulrich Feldhoff nur ein Wort: "Phänomenal". Sie jedoch zeigte Wehmut: "Ich bin traurig, dass dies mein letztes Rennen war. Ich sage tschüß und mache den Platz frei für eine Jüngere", betonte die "Jahrhundert-Sportlerin" ihr Karriere-Ende.
Dem Titel des erfolgreichsten Olympia-Starters misst sie kaum Bedeutung bei. "Statistik ist vergänglich. Der Titel der weltbesten Kanutin ist mir mehr wert." Nachdem sie auch ihre fünfte Olympia-Teilnahme vergoldete, belegt Birgit Fischer in der "ewigen" Weltrangliste als viertbeste Frau und beste Kanutin den 13. Platz. Bislang hatte der Schwede Gert Frederikssen in der Kanu-Wertung (6/1/1) vor ihr rangiert.
Endstand: Der Medaillenspiegel Olympia 2000: Das Wichtigste im Überblick