Die Wirtschaftsglosse Verschwörung gegen deutsche Geldanleger

Empören oder tot stellen: Echte PR-Profis sprechen nicht gerne über Liechtenstein
Foto: Christian Hartmann / REUTERSHaben Sie sich schon mal gefragt, warum Sie von diesem ausgesprochen seriösen Unternehmen, das Ihnen neulich diese ungeheuer aussichtsreiche unternehmerische Beteiligung anbot, noch nie zuvor etwas gehört haben? Sie informieren sich gründlich, lesen Zeitung, verfolgen Online-News und so weiter. Aber den Namen dieser erstklassigen Adresse haben Sie vorher noch nie gelesen?
Das ist kein Wunder. Denn die besonders erfolgreichen Firmen am deutschen Kapitalanlagemarkt betreiben auch eine besonders ausgebuffte Pressearbeit. Zu dem Ergebnis kam manager magazin online nach langen, wahrhaft mühsamen Recherchen.
Recherchen, die es letztlich auch möglich machten, erstmals den geheimen Plan zu entschlüsseln, nach dem besagte Unternehmen bei ihrer PR-Arbeit offenbar vorgehen. Das Ergebnis ist verblüffend simpel, es sind nur zehn einfache Regeln. Aber alle Akteure am grauen Kapitalmarkt, die sich bislang an diese Leitsätze gehalten haben, sind früher oder später im Gefängnis gelandet flohen irgendwann außer Landes konnten jahrelang erfolgreich Geschäfte machen, mit steigenden Umsätzen und - vor allem - üppigen Provisionen.
Regel 1: Seien Sie proaktiv! Senden Sie Erfolgsmeldungen aus Ihrem Unternehmen so oft wie möglich in alle Redaktionen, die Sie kennen. Schreiben Sie dabei immer "wichtig" in die Betreffzeile. Und benutzen Sie möglichst viele Superlative, das finden Journalisten besonders überzeugend.
Regel 2: Trotz Ihrer Erfolge ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Journalist einmal kritische Fragen stellt. Antworten Sie dann auf keinen Fall klar und präzise. Sagen Sie lieber nichts, das aber möglichst wortreich. Informieren Sie über Dinge, die ohnehin bekannt sind. Der Fragensteller wird sich damit sicher zufrieden geben und nie wieder bei Ihnen melden.
Regel 3: Laden Sie Journalisten zur Recherche in Ihre Firmenzentrale ein. (Teilen Sie ihnen aber mit, dass sie nichts von dem, was sie dort erfahren, verwenden dürfen. Sonst könnte tatsächlich jemand kommen.)
Regel 4: Es kann vorkommen, dass ein Journalist trotz Ihrer aufgrund der Regeln 1 bis 3 gezeigten Auskunftsfreude noch andere Wege sucht, um an Informationen zu kommen. Beispielsweise werden Leute kontaktiert, die überhaupt nicht in Ihrer Presseabteilung arbeiten. Das geht natürlich nicht. Wenn Sie davon erfahren, sollten Sie unbedingt energisch protestieren.
Regel 5: Vermeiden Sie kurze Antworten. Journalisten freuen sich über jede Mail, die mehr als eine Din-A-4-Seite füllt. Sollte ein Schreiben einen Journalisten nicht zufrieden stellen, dann machen Sie das Nächste doppelt so lang.
Regel 6: Mitunter werden Sie häufiger mit demselben Journalisten in Kontakt kommen. Drohen Sie ihm dann regelmäßig juristische Schritte an. (Achtung: Drohen Sie damit unbedingt lückenlos in jeder Korrespondenz)
Regel 7: Beantworten Sie Fragen immer zunächst mit Gegenfragen. Ziehen Sie dabei die Seriosität des Fragestellers und dessen Absichten in Zweifel.
Regel 8: Immer mehr Unternehmen im Kapitalanlagegeschäft betreiben Briefkastenfirmen, beispielsweise in Liechtenstein. Sie auch? Daran ist natürlich nichts auszusetzen. Völlig schleierhaft, weshalb Briefkastenfirmen so einen schlechten Ruf haben. Echte PR-Profis, die darauf angesprochen werden, reagieren dennoch gut vorbereitet: Entweder sie geben sich empört oder sie stellen sich tot. Eine dieser Reaktionen sollten Sie schon einmal einüben.
Regel 9: Sollte ein Journalist, obwohl Sie die Regeln 1 bis 8 sorgfältig befolgt haben, weiter recherchieren - kein Problem. Es gibt noch die Methode V ("V" wie "Verschwörungstheorie"). Das Prinzip: Sie teilen dem Journalisten mit, Sie hätten Hinweise, dass er mit finsteren Mächten, düsteren Gestalten oder unseriösen Feinden Ihres Unternehmens im Bunde steht. Weil eine objektive Berichterstattung also nicht zu erwarten sei, könnten auch keine weiteren Fragen beantwortet werden. (Nachteil: Nach Anwendung von Methode V könnte man Sie für leicht paranoid halten)
Regel 10: Wenn auch das nicht hilft, wenden Sie sich bitte an eine der Firmen, von deren realer Öffentlichkeitsarbeit diese Regeln abgeleitet wurden. Es sind nicht viele, genau genommen nur eine handvoll. Die Namen werden Sie jedoch auch an dieser Stelle nicht lesen.