Bertelsmann "Wir brauchen einheitliche Front"
Hamburg - Middelhof gab zu, dass die Manager der Plattenkonzerne die Bedeutung des Internet lange unterschätzt hätten. Alle redeten über das Web, aber kaum einer sei wirklich drin. Der Phonoindustrie sei es damit nicht anders ergangen als den Vertretern anderer Unternehmen.
Allerdings habe die Musikbranche jetzt ein besonderes Problem: Ihre Produkte lassen sich in Form von Daten über das Internet schleusen anders als beispielsweise die Produkte der Auto- oder Bekleidungsindustrie. Von einem "digitalen Alltag entlang der ganzen Wertschöpfungskette" sei die Musikindustrie noch weit entfernt, so der Bertelsmann-Lenker.
"Napster mit Terrabyte-Vorsprung"
Den rasanten Vorsprung von Austauschdiensten wie Napster machte Middelhoff an Zahlen deutlich. Während Bertelsmann weltweit ganze 150 Stücke zum legalen Downloading anbietet, seien bei Napster Musikdaten im Volumen von drei Terrabyte gelagert damit verfüge der Dienst über die weltweit größte Musikdatenbank, deren Inhalte er für das illegale Downloading zur Verfügung stelle.
Jede Minute würden weltweit 14.000 Downloads über Napster abgerufen, sagte der Bertelsmann-Chef. Schätzungen zufolge würden im Jahr 2001 täglich 16 Millionen Stücke via Napster und andere Dienste heruntergeladen werden.
"Datentausch nicht mehr zu stoppen"
"Solche Datenaustausch-Techniken lassen sich nicht mehr stoppen", hat Middelhoff erkannt. Die Industrie müsse deshalb ihre Bemühungen verstärken, im digitalen Geschäft aktiv mitzumischen. Die Firmen müssten neue Geschäftsmodelle entwickeln, die das Internet integrieren. "Sie müssen alles in Frage stellen", appellierte Middelhoff an die anwesenden Manager der Plattenindustrie.
Isolierte Einzelgänge der Firmen seien dabei nicht hilfreich. Bei ihren Bemühungen müssten die Plattenfirmen sich auf einheitliche Standards für die Verschlüsselung und Übertragung der Daten und auf kompatible Abrechnungssysteme einigen.
Einheitsfront schmieden
BMG, Sony und Co. müssten auch mit den Künstlern darüber reden, wie die Interaktivität des Internet zum beiderseitigen Wohle genutzt werden kann. Einzelaktionen von Künstlern die Songs kostenlos im Internet veröffentlichen lägen weder im Interesse der Künstler noch der Industrie. Die meisten von ihnen seien auf die Marketingaktivitäten der Plattenfirmen angewiesen.
Auch die Händler sollten die Plattenfirmen in ihre Internet-Initiativen integrieren. Es sei kontraproduktiv, wenn das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Handel und Industrie durch die Online-Debatte nun verschlechtert werden. "Eine Konfrontation mit dem Handel können wir nicht brauchen", sagte Middelhoff. "Wir brauchen eine einheitliche Front."