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Wahl in Griechenland: Was der Wahlsieg von Samaras bedeutet

Foto: Orestis Panagiotou/ dpa

Euro-Krise Warum Deutschland Griechenland helfen muss

Deutschland muss Griechenland und anderen Schuldnern helfen - nicht aus Idealismus, sondern aus Eigeninteresse. Ein Scheitern der Währungsunion würde die Lehman-Pleite weit übertreffen und deutsche Steuerzahler Billionen kosten. Eine aufgewertete D-Mark würde sie zudem um den Lohn harter Reformjahre bringen.
Von Andreas Utermann

Mit den Wahlen in Griechenland rückt die Stunde der Wahrheit in Europa unwiderruflich näher. Es zeichnet sich immer deutlicher ein Scheitern der Hoffnungen ab, dass sich das Wachstum in der Eurozone durch aggressive Geld- und restriktive Sparpolitik kombiniert mit Strukturreformen, die gleichzeitig von einer global koordinierten wirtschaftliche Erholung begleitet werden, stabilisieren kann. Mit dem stetigen Anstieg der Risikoaufschläge für italienische und spanische Staatsanleihen schmilzt das Vertrauen der Marktteilnehmer weiter.

Auch die Politik findet in dieser Phase kaum noch überzeugende Antworten, um die Entwicklung aufzuhalten. Notwendig wäre ein stärkerer fiskalischer Stimulus aus Ländern, die es sich leisten können - z.B. Deutschland, die Niederlande, Finnland und vielleicht auch Frankreich - um die Restrukturierungsprozesse vor allem in der Peripherie der Eurozone zu unterstützen.

Eine solche Entscheidung dürfte dabei kaum idealistisch motiviert sein, denn nicht zuletzt auch die ökonomische Zukunft dieser Länder ist mit dem Schicksal der Währungsunion eng verbunden. Ein Scheitern dürfte allein deutsche Steuerzahler Summen in Billionenhöhe kosten. Dabei sind kaum kalkulierbare politische und wirtschaftliche Kosten für ungünstige Handelsbedingungen nach einer zu erwartenden Aufwertung des neuen "Kern-Euros", eventuell sogar der neuen alten Einzelwährung "Deutsche Mark", nicht einmal berücksichtigt.

Doch abgesehen von einem Szenario, dass eine Dimension wie nach dem Untergang von Lehman Brothers an den Finanzmärkten bei weitem übertreffen dürfte, sollte auch die übergeordnete Idee der Europäischen Gemeinschaft nicht vergessen werden: Mit der Währungsunion würde nicht nur die Idee eines Binnenmarktes sterben, der die Wettbewerbschancen für alle EU-Länder verbessert, indem die Harmonisierung in Bereichen wie Umwelt, Forschung, Gesundheit und Bildung vorantreibt.

Auch die Grundfesten der EU werden in Frage gestellt

Es werden möglicherweise auch die Grundfesten der EU in Frage gestellt, die unter anderem die Wahrung von Demokratie und Menschenrechten sicherstellen. Das war ein wichtiger Aspekt bei der Aufnahme von Griechenland, Portugal und Spanien sowie ehemaligen Comecon-Staaten in die EU, der in der heutigen Diskussion oft vernachlässigt wird.

Gerade Griechenland hat in den vergangenen schweren Monaten bewiesen, dass es auf einem guten Weg ist, Verantwortung für die eigene Misere zu übernehmen und ihr Schicksal konstruktiv in die Hand zu nehmen. Laut einer Umfrage des PEW Research Centers sind die Griechen entgegen aller Vorurteile überzeugt, mehr als alle anderen Europäer zu arbeiten. Tatsächlich arbeiten sie laut OECD Statistik mit durchschnittlich rund 2.100 Stunden pro Jahr deutlich mehr als beispielsweise die deutsche Bevölkerung, die sich mit durchschnittlich rund 1.400 Stunden pro Jahr/Bundesbürger global auf eher niedrigem Level bewegt.

Ursächlich für die wirtschaftliche Situation Griechenlands sind vielmehr strukturelle Probleme wie geringe Steuereinnahmen oder auch fehlende Kapitalinvestitionen. Isoliert von der EU dürfte es deutlich schwieriger werden, diese Missstände im Interesse einer besseren ökonomischen Position Griechenlands zu beheben.

Ein Schuldentilgungsfonds würde helfen

Bevor deshalb irreparable Schäden entstehen, die nicht nur die Währungsunion betreffen, sollte man dem Vorschlag des deutschen Sachverständigenrates vielleicht mehr Gehör und Aufmerksamkeit schenken. Dem zufolge sollten alle Schulden der EU-Mitgliedsländer über 60 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes in einem sogenannten "Schuldentilgungsfonds" (European Redemption Fund) gebündelt und über einen Zeitraum von maximal 25 Jahren abgebaut werden. Dieser Fonds würde auch einen substanziellen Teil der Schulden Deutschlands beinhalten.

Neben Vorteilen wie eine Entspannung an den Finanzmärkten generiert dieser Vorschlag vor allem Zeit, um strukturelle Probleme zu lösen und neue Wachstumspfade zu finden. Eine Verschuldungsquote unter 60 Prozent ist für alle EU-Länder günstiger, d.h. zu normalen Zinssätzen finanzierbar.

Anders als bei den umstritten Eurobonds gäbe es durch den festdefinierten Zeitrahmen eventuell die Möglichkeit, eine gewisse fiskalische Souveränität der EU-Länder, ähnlich der von Bundesländern, zu erhalten.

Die Deutschen riskieren die Erfolge der harten Reformjahre

Deutschland droht eine Abwertung der Ersparnisse

Für wirtschaftlich starke EU-Staaten wirken die Konditionen im Schuldendtilgungsfonds sicherlich auf den ersten Blick ungünstiger als für Peripherieländer. Dabei ist jedoch das Verhältnis zu berücksichtigen, da sich beispielsweise Deutschland momentan relativ günstig refinanziert, während die Kosten für Länder wie Griechenland oder Spanien im Vergleich sehr hoch sind.

Grundsätzlich aber dürfte diese Lösungsidee dem aus deutscher Sicht nachvollziehbaren Gedanken entgegenkommen, dass das Land nach den langen Jahren des Lohn- und Konsumverzichts nicht auch hauptverantwortlich die Schuldenlast der anderen Ländern schultern muss.

Mit dem Scheitern der Währungsunion und einer Aufwertung der neuen Währung dagegen würden die Errungenschaften der harten Reformjahre verwässert. Mit der Abwertung der in Europa angelegten Ersparnisse und Kapitalinvestitionen wäre der Konsumverzicht somit umsonst gewesen.

Am Schluss bleibt eine gemeinschaftliche Lösung das beste Resultat für Europa - für seine schwächsten, aber auch für seine stärksten Partner.

Euro-Krise: Der goldene Schulden-Schnitt

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