RWE "Wir haben die Kraft"
Essen - Der mit 170.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 52 Milliarden Euro künftig fünftgrößte deutsche Industrie-Riese will einen Spitzenplatz in der Champions-League der europäischen Energiedienstleister erobern. "Wir haben die entsprechende Kraft und Unternehmensgröße", gab sich RWE-Chef Kuhnt am Donnerstag vor der Hauptversammlung selbstbewußt.
Ob auch der Verbraucher zunächst zu den Gewinnern des Monopolys auf dem internationalen Energiemarkt zählen wird, ist dagegen ungewiss. Nach drastischen Preiseinbrüchen beim Strom erteilte Kuhnt Hoffnungen auf weitere Preisrückgänge durch den heftigen Wettbewerb eine Absage.
"Es gibt erste Anzeichen dafür, dass die Talsohle des Strompreisverfalls weitgehend erreicht ist", kündigte er den RWE-Aktionären im Vorfeld der Fusion an. Bereits in etwa zwei Jahren sei wieder mit einem "langsamen Anstieg der Strompreise" zu rechnen. In der Vergangenheit hatte der RWE-Konzern einen kräftigen Einbruch beim Ergebnis hinnehmen müssen, weil die Margen im Stromgeschäft stark schrumpften.
Die Anteilseigner des Essener Konzerns waren am Donnerstag dazu aufgerufen, der Fusion zuzustimmen. Bereits am Dienstag hatten die VEW-Aktionäre dem Zusammenschluss mit einer Mehrheit von 99,9 Prozent zugestimmt. Erst am Vorabend der Essener Versammlung hatten die Unternehmen mit einer abschließenden Einigung mit dem Bundeskartellamt eine weitere wichtige Hürde genommen. Der neue Energiegigant soll seine Arbeit bereits mit wirtschaftlicher Wirkung zum 1. Juli aufnehmen. Das operative Geschäft soll Anfang Oktober aufgenommen werden.
Die neue RWE AG will es in Europa mit den Staatskonzerne EdF aus Frankreich und ENEL aus Italien aufnehmen, die noch vor dem deutschen Unternehmen die führenden Positionen auf dem Energiemarkt belegen. Die deutsche Konkurrenz EON, aus der Fusion von Veba und Viag entstandene, kann das Essener Unternehmen dagegen bereits mit dem offiziellen Start abhängen. Nach dem Zusammenschluss von Veba und Viag hatten die Düsseldorfer nur für kurze Zeit dem RWE-Konzern die Spitzenposition auf dem Strommarkt abjagen können.
"Multi-Utility" heißt das Zauberwort mit dem RWE sein Wachstum vorantreiben will. So sollen Millionen bereits vorhadener Stromkunden auch für andere Produkte und Dienstletungen wie Gas und Wasser gewonnen werden. "Wenn man schon eine Kundenkartei hat, kann man die auch für andere Produkte nutzen und dabei erheblich Geld sparen", frohlockte RWE-Chef Kuhnt.
Dadurch seien ein Umsatzanstieg um 20 Prozent und erhebliche Kosteneinsparungen zu erwarten. Vertriebskanäle wie das Internet sollen dabei ebenso genutzt werden, wie neue Vertriebspartner wie KarstadtQuelle. Die Kicker von Bayer 04 Leverkusene sollen künftig mit dem Logo der RWE-Strommarke Avanza auf dem Trikot vor den Ball treten.
Auch ein verstärktes internationales Engagement durch Zukäufe soll das Wachstum in den RWE-Geschäftsfeldern in Schwung bringen. "Wir hoffen auf weitere Privatisierungen", sagte Kuhnt. Dabei sollen zunächst vor allem die europäischen Nachbarländer ins Visier genommen werden. "Wir haben uns zum Ziel gesetzt, unsere Position in Europa auszubauen und sind auch schon gut dabei", so der RWE-Chef.