Spendenaffäre SPD sieht "neue Dimension" im Spendenskandal
Berlin - Nach viermonatigen Recherchen hat der Sonderermittler der Regierung, Burkhard Hirsch (FDP), massive Datenvernichtungen und Aktenmanipulationen im Kanzleramt der Ära Kohl festgestellt, ohne jedoch dafür einen Verantwortlichen zu finden. Vor dem Untersuchungsausschuss bestätigte Hirsch am Mittwoch, dass es in den Aktenbeständen zu vielen neuralgischen Projekten - wie der Lieferung von Spürpanzern an Saudi-Arabien oder bei der Privatisierung der Raffinerie Leuna - mehrjährige Fehlbestände gebe.
Außerdem wurden nach der Wahlniederlage von Helmut Kohl 1998 in einem Monat zwei Drittel der Computerdaten des Kanzleramts gelöscht. Hirsch äußerte zwar keinen Verdacht gegen Alt-Kanzler Helmut Kohl oder dessen früheren Kanzleramtsminister Friedrich Bohl. Der Verwaltungsapparat habe sich aber in jedem Fall zu stark mit den alten Regierungsparteien identifiziert. "Das Kanzleramt ist nicht Privateigentum einer politischen Richtung. Das Kanzleramt ist keine Frittenbude. Es prägt den Ruf eines Landes mit." SPD und Grüne sahen eine "neue Dimension" im Spendenskandal.
Hirsch nannte die Aktion rechtswidrig. Nachdem er keinen Verantwortlichen benennen konnte, wurden disziplinarische Vorermittlungen im Kanzleramt aufgenommen. Bislang richteten sie sich gegen unbekannt. Hirschs Bericht geht auch der Bonner Staatsanwaltschaft zu, die bereits ein Ermittlungsverfahren in der Sache führt.
SPD-Obmann Frank spricht von "Regierungskriminalität"
Einen Tag vor der Vernehmung von Kohl im Untersuchungsausschuss sprach der Obmann der SPD, Frank Hofmann, von "Regierungskriminalität", die nun zu Tage trete. Im Kanzleramt in der Ära Kohls sei es nicht anders zugegangen, als in der Stasi-Zentrale nach der Wende. Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele meinte, ihm habe es "den Atem verschlagen." Beide kündigten an, dass sie Kohl an diesem Donnerstag zu der Aktenvernichtung befragen werden.
Nach Darstellung Hirschs wurden nach der Wahlniederlage von Kohl im September 1998 innerhalb eines Monats an drei Tagen die zwei Drittel der Computerdaten im Kanzleramt zentral gelöscht. Es seien auch Daten von Mitarbeitern betroffen gewesen, die nicht damit einverstanden waren. Wer dafür die Anweisung gegeben hat, konnte Hirsch nicht sagen. Ein Abteilungsleiter habe sich lediglich zur Löschung von politischen Konzepten bekannt.
Hirsch betonte, dass von Seiten der Leitungsebene des Kanzleramtes mit dem ehemaligen Bundeskanzler und dem Kanzleramtschef Friedrich Bohl an der Spitze keine Daten oder Akten an die neue Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) übergeben worden seien. Auch in Bohls Bereich seien nachweisbar eine Reihe von Sachakten nicht mehr vorhanden, die nichts mit seiner Partei- oder Abgeordnetentätigkeit zu tun hätten.
Ex-Kanzleramtschef Bohl hat ein "reines Gewissen"
Die Unions-Fraktion hob dagegen hervor, dass Hirsch keine Anhaltspunkte für Anweisungen auf politischer Ebene gefunden habe. Bohl hatte im Vorfeld erklärt, keine Weisungen für Akten- oder Datenvernichtungen in diesem Umfang gegeben zu haben. "Ich habe ein reines Gewissen."
Unionsfraktion hatte vor Beginn der Sitzung erneut die Unabhängigkeit des Sonderermittlers in Zweifel gezogen. Hirsch erklärte zu Beginn seiner Aussage, er habe "in völliger Unabhängigkeit" gearbeitet. Es sei keinerlei Versuch einer Einflussnahme seitens der neuen Bundesregierung gestartet worden.