Siemens wagt sich nach langer Zurückhaltung wieder an eine Übernahme. Das deutsche Industrieflaggschiff plant den Kauf der kanadischen Netztechnikfirma RuggedCom - und riskiert damit einen Bieterkampf mit einem US-Unternehmen. Siemens-Konkurrent ABB expandiert derweil viel aggressiver.
Siemens: Zaghafte Expansion - während Konkurrent ABB Milliarden Dollar mobilisiert
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München - Siemens bietet für RuggedCom, einen Spezialisten für IT-Verbindungen in Industrieanlagen, 382 Millionen kanadische Dollar, umgerechnet 288 Millionen Euro. Das ist ein Viertel mehr als die Firma zum Schluss der vergangenen Woche an der Börse bewertet war. Die US-Firma Belden bot zuletzt 280 Millionen kanadische Dollar für RuggedCom.
Der Vorstand von RuggedCom unterstütze die Offerte aus Deutschland und werde den Aktionären empfehlen, sie anzunehmen, teilte
Siemens am Montag mit. Der Konzern habe sich den Zugriff auf 14 Prozent der Aktien so bereits gesichert, sagte der Chef des Industrieautomatisierungsgeschäfts, Hellmuth Ludwig. Der Konzern rechnet damit, die Stammaktien des Netztechnikers ab Mitte März erwerben zu können.
RuggedCom erzielte den Angaben zufolge im Geschäftsjahr 2011 einen Umsatz von rund 94 Millionen US-Dollar (71 Millionen Euro) und beschäftigt etwa 360 Mitarbeiter, die übernommen werden sollen. Ludwig versicherte, dass sich die Übernahme in zwei bis drei Jahren rechnen werde. Sowohl der Umsatz als auch der Gewinn werde unter dem Siemens-Dach steigen. Das vorliegende Gegenangebot von Belden schrecke ihn nicht. "Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass sich das so materialisieren wird wie vereinbart." Es bestehe allerdings die Möglichkeit, dass der Rivale Belden nachlegt.
Expansion: ABB plant Übernahme für fast 4 Milliarden Dollar
Sollten die Amerikaner ihre Offerte aufstocken, werde Siemens "reagieren", was aber auch bedeuten könne, dass der Konzern nichts tue. Siemens hatte in der jüngeren Vergangenheit wenig Glück mit seinen Übernahmen. Das für Milliarden zusammengekaufte Labordiagnostikgeschäft erwies sich als Flop, auf die israelische Solarfirma Solel musste das Unternehmen mehrere hundert Millionen abschreiben. Ludwig verantwortete allerdings den Kauf des Software-Spezialisten UGS, dessen Integration als gelungen gilt.
Anders als Siemens gibt sich der Schweizer Konkurrent ABB nicht mit verhältmäßig kleinen Zukäufen zufrieden. Die Zürcher kündigten am Montag an, das US-Elektrotechnikunternehmen Thomas & Betts für fast vier Milliarden Dollar zu schlucken.
Die milliardenschwere Einkaufstour von ABB-Chef Joe Hogan macht Siemens mittlerweile zu schaffen: Beim Umsatzwachstum bleiben die Münchner wegen des Akquisitionskurses der Schweizer entgegen eigener Pläne hinter den Rivalen zurück.