Fondsinitiator gegen Alt-Vorstand Streit um Wölberns Millionenpool spitzt sich zu

Jede Menge Cash: Beim geplanten Wölbern-Liquiditätspool geht es nach Angaben des Emissionshauses um bis zu 40 Millionen Euro
Foto: DPAHamburg - Wenn Heinrich Maria Schulte die Vorzüge seines Unternehmens anpreist, dann verweist er gerne auf dessen lange Tradition sowie auf die Erfolge der Vergangenheit. Das Emissionshaus Wölbern Invest, dessen Inhaber und Chef Schulte seit 2006 ist, habe seit 1993 insgesamt 92 geschlossene Fonds mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von rund 3,5 Milliarden Euro aufgelegt, davon rund 1,8 Milliarden Euro Eigenkapital, so Schulte beispielsweise in einem aktuellen Schreiben. "Die positive Performance unserer Fonds wird von unabhängigen Marktteilnehmern immer wieder bestätigt."
Unter anderem mit diesem Verweis wirbt Schulte zurzeit für sein neuestes Vorhaben: die Einführung eines Liquiditätspools. Die freien Geldmittel von mehr als 20 geschlossenen Fonds aus dem Hause Wölbern sollen in einen Topf gegeben werden, aus dem dann bei Bedarf Kredite an beteiligte Fonds erteilt werden sollen. So will Schulte die Einnahmen aller Beteiligungsgesellschaften im Pool erhöhen.
Nach Angaben von Wölbern Invest könnte der Liquiditätspool ein Volumen von bis zu 40 Millionen Euro erreichen. Betroffen sind rund 27.000 Anleger, die gegenwärtig schriftlich darüber abstimmen, ob der Plan umgesetzt wird oder nicht.
Einer dieser Investoren ist Ove Franz, der frühere, langjährige Kopf des Bankhauses Wölbern, jener Gesellschaft also, von der Schulte Wölbern Invest 2007 abspaltete. Franz saß jahrelang für die CDU in der Hamburger Bürgerschaft und zählt in der Hansestadt zur Bankenprominenz. Seit 1995 ist er Präsident des noblen Hafen-Klubs, einer Vereinigung von mehreren hundert Führungskräften der Hamburger Wirtschaft.
Nicht irgendwer im Hause Wölbern
Ins Bankhaus Wölbern trat Franz bereits 1962 ein. Zwischen 1974 und 1998 leitete er die Bank als persönlich haftender Gesellschafter und später auch als Vorstand. Bis zum Jahr 2002 war er zudem Mitglied des Aufsichtsrats.
Als Wölbern-Chef hat Franz eigenen Angaben zufolge in den 1990er Jahren insgesamt 25 Holland-Immobilienfonds mit einem Eigenkapital von rund 200 Millionen Euro (seinerzeit etwa 400 Millionen Mark) entwickelt und platziert. In der Branche gilt er als einer der Väter der jahrelang so beliebten Hollandfonds. Für das Emissionshaus Wölbern legte er letztlich den Grundstein für die umfangreiche Leistungsbilanz sowie für die Erfolge im Bereich geschlossener Fonds, auf die der heutige Inhaber Schulte so gern verweist.
Kurzum: Ove Franz ist ausgewiesener Fondsexperte und darüber hinaus beileibe nicht irgendwer im Hause Wölbern. Es entbehrt daher nicht einer Pikanterie, dass ausgerechnet er heute zu den schärfsten Kritikern des Plans zählt, einen Liquiditätspool einzurichten. Mit dem aktuellen Wölbern-Inhaber und Chef Schulte, von Haus aus Mediziner, ist Franz deshalb bereits heftig aneinandergeraten.
Zwei Streitpunkte gibt es zwischen beiden Parteien: Zum einen lehnt Franz den geplanten Cashpool ab, weil er der Ansicht ist, dass die Liquidität eines Fonds grundsätzlich in die Tasche des Anlegers gehört. Die Informationen jedenfalls, die Wölbern den Anlegern zur Abstimmung mitgeliefert hat, reichen nach Ansicht des erfahrenen Fondsprofis bei weitem nicht aus, um zu einem vernünftigen Urteil zu gelangen.
Gab es schon Geldflüsse vor Einrichtung des Cashpools?
Franz schickte daher schon Anfang Januar einen Brief mit offenen Fragen an die Wölbern-Treuhandgesellschaft, mit der Bitte, diesen an seine Mitgesellschafter im Hollandfonds 56 weiterzuleiten. Er habe keinerlei Verständnis für das Ersuchen der Fondsgeschäftsführung, diese zu einem ungebundenen Liquiditätsmanagement zu ermächtigen, stand beispielsweise darin. Und er empfehle dringend, dagegen zu stimmen.
Damit war die Grundlage für Streitpunkt Nummer zwei gelegt, denn Wölbern weigerte sich, das Schreiben weiterzuverteilen. Stattdessen trafen sich Schulte und sein Generalbevollmächtigter Thomas Kühl Mitte Januar mit Ex-Vorstand Franz sowie dessen Gattin zum Gespräch. Auch dabei wurden wichtige Fragen aus Sicht des früheren Wölbern-Vormanns jedoch nicht befriedigend beantwortet. Noch am selben Tag ging daher der nächste Brief von Franz an Schulte in die Post, und weil dieser nicht beantwortet wurde zwei Tage später noch einer.
Zuletzt unter Fristsetzung (23. Januar 2012, 17 Uhr) drängte Franz in den Schreiben weiter auf die Beantwortung dringender Fragen, wie vor allem: "Sind bislang bei keinem Wölbern-Fonds liquide Mittel für Verwendung zugunsten anderer Fonds, Mitgesellschafter oder auch Dritter entnommen worden?" Gegenüber manager magazin Online begründet er diese Frage: "Es gibt Vermutungen, dass es bereits in der Vergangenheit, vor der Einführung des Cashpools also, solche Geldflüsse gegeben hat." Wölbern-Chef Schulte weist diesen Verdacht gegenüber manager magazin Online jedoch zurück.
Zudem mahnt Franz erneut die Weiterleitung seiner Fragen an die Mitgesellschafter an. Die Weigerung stellt seiner Ansicht nach eine "gravierende Pflichtverletzung gegenüber den Treugebern" dar. "Dies um so mehr, als ich damals als Vorstand der Wölbern Bank öffentlich erklärt habe, dass eine Treuhänderin, insbesondere wenn sie kapitalmäßig abhängig ist von dem Emissionshaus, verpflichtet ist, die Kommunikation unter den Treugeber-Investoren zu gewährleisten", sagt er. "Insbesondere Rundschreiben an Mitgesellschafter - gegebenenfalls gegen Kostenerstattung - müssen weitergeleitet werden."
Wölbern-Chef liebäugelt mit dem Rechtsweg
Nun spitzt sich die Sache zu. Sollte die Abstimmung unter diesen Voraussetzungen abgeschlossen werden und das Votum letztlich für die Einführung des Liquiditätspools lauten, so ziehe er in Betracht, rechtliche Schritte einzuleiten, sagt Franz zu manager magazin Online. "Das Ergebnis der Abstimmung wäre auf Grundlage einer Pflichtverletzung der Treuhandgesellschaft zustande gekommen und daher anfechtbar."
Doch auch die Wölbern-Führung sieht sich im Recht. Die Wölbern Treuhand habe davon abgesehen Anlegerschreiben an andere Anleger auszusenden, unabhängig vom Inhalt dieser Schreiben, weil hierzu keine rechtliche Grundlage gesehen wird, schreibt der Generalbevollmächtigte des Hauses, Thomas Kühl, an manager magazin Online. Dem grundsätzlichen Informationsbedürfnis der Anleger solle selbstverständlich entsprochen werden, weshalb zum Beispiel jede Anlegeranfrage direkt beantwortet werde. Weiterhin besteht die telefonische Möglichkeit der Informationserteilung, so Kühl. Auch seien ausführliche persönliche Gespräche geführt worden.
Und auch Wölbern-Chef Schulte liebäugelt offenbar bereits mit dem Rechtsweg. "Bitte erlauben Sie uns den Hinweis, dass (...) wir rechtliche Schritte einschließlich der rechtlichen Möglichkeiten zur Durchsetzung der Schadloshaltung prüfen werden", schreibt er in einem Brief, den Ex-Vorstand Franz schließlich als Antwort auf seine Schreiben erhielt.
Dabei steht Franz mit seinem Anliegen keineswegs alleine da. Nach Informationen von manager magazin Online sind die Beiräte von mindestens zwei der betroffenen Fonds zu dem Schluss gekommen, die Einführung des Liquiditätspools abzulehnen und haben das dem Emissionshaus auch mitgeteilt. manager magazin Online liegen zudem mehrere weitere Schriftstücke vor, in denen Anleger Fragen stellen und erhebliche Bedenken gegen den geplanten Liquiditätspool äußern. Allesamt mit der Bitte an die Treuhandgesellschaft geschickt, diese Schriftstücke an alle Gesellschafter des jeweiligen Fonds weiterzuleiten - und in allen Fällen wurde diese Aussendung abgelehnt.
"Am Ende hat der Initiator seine Finger im Topf"
"Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kapitalanleger hier vorsätzlich getäuscht werden sollen", schreibt ein erboster Anleger an manager magazin Online. Der Geschäftsführung der Wölbern Treuhand hat er bereits damit gedroht, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
Wölbern selbst indes beziffert die Zahl der Anleger, die sich mit dem Wunsch, ihre Briefe an andere Investoren weiterzuleiten, an die Gesellschaft wandten, auf "weniger als 10" von insgesamt 27.000 an der Abstimmung Beteiligten. Doch selbst wenn die Frage nur von wenigen Anlegern aufgeworfen wird, bleibt sie doch offensichtlich berechtigt: Muss der Treuhänder eines Fonds in einem Fall wie bei Wölbern die Briefe einzelner Anleger an die Gesamtheit der Gesellschafter weiterleiten, wenn er dazu aufgefordert wird?
Anlegeranwalt Peter Mattil aus München ist sich sicher: "Er muss." Nach Ansicht Mattils müsste eine Frage wie die nach der Einführung eines Liquiditätspools ohnehin besser auf einer Präsenzveranstaltung der Gesellschafter diskutiert werden. "Findet dagegen, wie bei Wölbern, ein schriftliches Umlaufverfahren statt, so haben die Gesellschafter ja gar keine andere Möglichkeit, miteinander zu kommunizieren und offene Fragen auszutauschen", sagt er. Die Weigerung Wölberns hält Mattil ebenfalls für eine Pflichtverletzung, aus der sich seiner Ansicht nach die Möglichkeit einer späteren Anfechtung sowie möglicherweise auch Schadensersatzansprüche ergeben könnten.
Ähnlich sieht es Wolfgang Schirp, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Berlin. "Ich bin der Meinung, dass der Treuhänder jedenfalls dann versenden muss, wenn wie üblich die Anleger des Fonds nicht über die Adressen ihrer Mitgesellschafter verfügen", sagt er. "Denn dann ist die direkte Kontaktaufnahme im Gesellschafterkreis unmöglich." Daher müsse mindestens über den Treuhänder die Chance bestehen, eine inhaltliche Diskussion anzustoßen, so Schirp.
Wölbern-Vertriebspartner hält Risiko für nicht kalkulierbar
Der erfahrene Fondsanwalt, der seit Jahren Problemfälle juristisch begleitet, teilt zudem inhaltliche Bedenken gegen den Cashpool. "Was ich bisher an Erfahrungen mit Cashpools machen durfte, spricht eindeutig gegen die Errichtung eines solchen Instruments", sagt er. "Am Ende des Tages werden immer nur die schwachen Fonds von den guten Fonds subventioniert. Und wenn es richtig eng wird, hat unweigerlich immer auch der Initiator seine eigenen Finger im Topf."
Schirp befindet sich damit nicht nur im Einklang mit Anleger und Alt-Wölbern-Vorstand Franz. Auch aus Vertriebskreisen sind kritische Töne zu hören. Zwar könnten durch den Cashpool höhere Zinsen für die Liquidität der teilnehmenden Gesellschaften erzielt werden, heißt es beispielsweise bei einem der größten Vertriebspartner Wölberns. So liege die aktuelle Prognose bei rund 4 bis 6 Prozent pro Jahr.
Auf der anderen Seite listet das Argumentarium des Finanzdienstleisters zu dem Thema, das manager magazin Online vorliegt, jedoch auch eine Reihe von Nachteilen auf: Es entstehen bisher nicht notwendige Nebenkosten für Buchhaltung, Steuerberatung und Liquiditätsmanagement, heißt es da. Zudem könne die Werthaltigkeit der Besicherung mangels Informationen nicht beurteilt werden. Die ausgeliehenen Gelder seien bis zum vereinbarten Laufzeitende nicht liquide und das Risiko eines teilweisen oder totalen Ausfalls eines Schuldners sei "aufgrund fehlender Informationen nicht kalkulierbar". Letztlich gebe es keinerlei Mitbestimmung der Gesellschafter bei der Darlehensgewährung.
Wie viele Anleger der Wölbern-Fonds diese Bedenken teilen, wird sich am morgigen Donnerstag zeigen. Dann endet die Abstimmung über den Liquiditätspool.