Bundestag Schlagabtausch
Bonn - In der Steuerdebatte des Bundestages haben Koalition und Opposition am Freitag heftig über die "richtige Politik" zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit gestritten. Der SPD-Vorsitzende Lafontaine sagte am Freitag, mit dem eingebrachten Gesetzentwurf setze die rot-grüne Koalition ihr Wahlversprechen um, Arbeitnehmer und Familien zu entlasten. Die Opposition warf der Regierung vor, die Arbeitslosigkeit mit untauglichen Instrumenten bekämpfen zu wollen.
Lafontaine erklärte im Rahmen der Aussprache über die Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, mit dem Steuerreformkonzept von SPD und Grünen werde "der großen Mehrheit des Volkes gegeben". Dies sei dringend notwendig, nachdem die Arbeitnehmer von der alten Regierung überproportional benachteiligt worden seien. Außerdem sei die Reform wichtiger Bestandteil des geplanten Maßnahmenbündels zum Abbau der Arbeitslosigkeit.
Auch die mittelständische Wirtschaft werde entlastet, doch räumte der Finanzminister ein, daß die Steuersenkungen für die Unternehmen nur schrittweise eingeführt werden könnten. Um die Verbesserungen nicht "auf Pump" finanzieren zu müssen, könnten die Unternehmenssteuern nur in dem Maße gesenkt werden, in dem die Mehreinnahmen wieder hereinkämen, sagte Lafontaine mit Blick auf die parallel geplante Abschaffung von Steuervergünstigungen.
Der Finanzminister schloß in diesem Zusammenhang nicht aus, daß es im Verlauf der parlamentarischen Beratungen noch Korrekturen an der sogenannte Streichliste geben könne. Einzelne Punkte könnten "durchaus noch einmal überdacht werden". Allerdings werde die generelle politische Stoßrichtung der Steuerreform dadurch nicht angetastet.
Die in den letzten Wochen geäußerte Kritik an seinen geldpolitischen Vorstellungen wies Lafontaine nachdrücklich zurück. Es sei vollkommen richtig, daß die Geldpolitik einer unabhängigen Instanz übertragen werde, die politisch nicht beeinflußt werden dürfe. Geldwertstabilität müsse ein vorrangiges Ziel bleiben. Doch seien die Bundesbank oder später die Europäische Zentralbank gehalten, "in dem Maß, in dem die Preisstabilität gesichert ist, auch Wachstum und Beschäftigung zu unterstützen".
Hauptredner von CDU und FDP waren Friedhelm Merz und Hermann Otto Solms. Sie kritisierten in erster Linie, daß die Steuerreform der Bundesregierung allzu nachfrageorientiert sei, die Unternehmen nicht ausreichend entlastet würden und die Strukturreform der Sozialversicherungssysteme nicht in Angriff genommen werde. Nur so könnten die Investitions- und Wachstumsschwäche sowie die Arbeitslosigkeit beseitigt werden. Die Vorlage der rot-grünen Koalition führe zu mehr Arbeitslosigkeit statt zu ihrem Abbau.
Die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, sprach hingegen von einer ausgewogenen Steuerpolitik, die sowohl angebots- als auch nachfrageorientiert sei. Es sei angesichts der angespannten Finanzlage nur vernünftig, die angestrebte Nettoentlastung um 15 Milliarden Mark erst im Jahr 2002 zu erreichen. Scheel stellte jedoch in Aussicht, daß die Unternehmenssteuern möglicherweise schon früher als geplant abgesenkt werden könnten.
Die stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion, Christa Luft, kritisierte, daß die rot-grüne Koalition die von der alten Regierung zu verantwortende soziale Schieflage nicht konsequent genug beseitige. Ihre Partei werde aber dann an der Seite Lafontaines stehen, wenn es darum gehe, soziale Gerechtigkeit zu schaffen, die Arbeitslosigkeit abzubauen und die Nachfrage zu stärken.