Anlage Sparer suchen verzweifelt nach neuer Sicherheit

Sicherheit: Wie den Kopf im unruhigen Wetter oben behalten?
Foto: DPAHamburg - Es ist eine verzwickte Lage für Anleger: Die Aktien im Dax haben seit Beginn des Jahres fast ein Fünftel an Wert verloren, zehnjährige Bundesanleihen bringen weniger als 2 Prozent Zinsen - und Immobilien gewinnen nur dann an Wert, wenn sie am richtigen Standort liegen. Was also ist noch sicher? Nur die Unsicherheit.
Ein Beispiel dafür sind die Mittelzu- und -abflüsse bei den im Bundesverband Investment und Asset Management organisierten Fondsgesellschaften. Denn die Beliebtheit von Aktienfonds kann vielfach als Gradmesser für den Optimisimus der Investoren gelten - wenn vorhanden. Denn auch Fondsakzeptanz spiegelt derzeit die innere Zerissenheit der Sparer wider:
Während Anleger im Juli mehr als vier Milliarden Euro in Aktienfonds investierten, machten sie im August die Kehrtwende und zogen mehr als vier Milliarden Euro. Bei Mischfonds, üblicherweise das Vehikel der zaghafteren Investoren, wird die Skepsis noch deutlicher - im Juli zogen sie knapp 200 Million Euro ab, um im Folgemonat August weitere 1,6 Milliarden Euro abzuziehen. Wer mag es den Anlegern auch verdenken, die Lage ist verfahren.
Das belegt auch eine aktuelle Studie der Fondsgesellschaft Schroders. Beispielsweise erkennen die befragten Haushalte an, dass China die kommende wirtschaftliche Supermacht sei. Doch schlägt sich die Erkenntnis nicht in den Portfolios nieder. Im Gegenteil: 46 Prozent der Anleger halten internationale Kapitalanlagen wie zum Beispiel chinesische Aktien für zu risikoreich.
Investoren plagen China-Zweifel
Zwar lag diese Aversion früher noch höher; 2009 zum Beispiel winkten 63 Prozent der Befragten ab, als man sie seinerzeit nach internationalen Kapitalanlagen fragte. Es sei also "ein gewisser Lerneffekt zu beobachten," sagt Achim Küssner, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft für Deutschland und Österreich. "Doch eben nur in aller Vorsicht." Mit anderen Worten - eine Entwicklung muss sich erst verstetigen, bevor man von einem Trend sprechen kann. Und wie schnell die Meinung drehen kann, zeigt das Beispiel der USA.
Vor einem Jahr nannte nur ein knappes Fünftel aller Befragten Amerika als Quelle des höchsten Risikos für ein Depot. 2011 waren es 45 Prozent. Die Diskussionen um den Verlust des Premium-Ratings sowie die überbordende Verschuldung zeigen jedoch mittlerweile Wirkung. Richtig muss dieses Urteil nicht sein; immerhin sendeten die USA zuletzt Hoffnungssignale. So wurden im September etwas mehr als 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, doppelt so viele wie erwartet. Aber das skeptische Urteil passt in die derzeitige Gemengelage. Anlagen, die Risiken bergen, werden eher verkauft als gekauft. Stattdessen wird in Sicherheit investiert oder zumindest in solche Anlageformen, die für sicher gehalten werden. Gold zum Beispiel. Und 32 Prozent der Befragten nennen auch Immobilien als sichere Anlage.
Ohne Risiko ist dieser Weg allerdings auch nicht; in beiden Fällen wird immer öfter darüber nachgedacht, ob nicht die jüngsten Entwicklungen das Urteil "Blase" rechtfertigen.
Lähmender Widerspruch zwischen Kopf und Bauch
Es ist der Widerspruch zwischen Ratio und Emotion, zwischen Kopf und Bauch, der immer wieder durchschlage, so Küssner. Börsenpsychologen haben diesen Effekt eingehend beschrieben.
Vereinfacht gesagt, trauen viele Anleger dem eigenen Urteil nicht so recht. Die Analyse der Situation ist also wichtig - aber eben nur der erste Schritt. Inzwischen geht dieses Zweifeln sogar so weit, dass sogar die Stärke des Heimatmarktes hinterfragt wird. Dabei galt gerade der "home bias", der Ausrichtung der Investoren auf den heimischen Markt, besonders in Deutschland als stark ausgeprägt. Doch die Krise spülte diesen Erfahrungssatz davon. Während 2009 noch 73 Prozent der Befragten künftig "ganz sicher" in Deutschland investieren wollten, sind es in diesem Jahr nur noch 58 Prozent.
Große Skepsis, Unsicherheit allerorten - kein gutes Umfeld für die Anbieter von Finanzprodukten. "Mehr Aktienkultur wagen", rief Rüdiger von Rosen aus dem Vorstand des Deutschen Aktien Institut den Deutschen in einem Gastbeitrag zu; wie schon seit vielen Jahren immer wieder. Die Fondsbranche wiederum betont die Bedeutung von Multi-Asset-Produkten, die in allen Marktphasen mit der richtigen Mischung der Asset-Klassen positive Erträge anvisieren. Auch für Küssner sind sie das Anlagevehikel für ein ruppiges Umfeld.
In der Theorie sind die Produkte eine gute Idee. Doch für einen dauerhaften Erfolg braucht es zweierlei. Zum einen müssen die entsprechenden Fonds zeigen, dass sie genau das können. Zum anderen müssen die Anleger sie für sich als richtig erkennen und entsprechend handeln. Genau das fällt aber in der Krise offenbar besonders schwer. Der Glaube fehlt. Selbst die Lebensversicherungsindustrie, deren Produkte den Deutschen lange als grundsolide Form der Anlage galten, musste Federn lassen. Zwar steckten die Deutschen 2010 mehr Geld in Lebensversicherung als noch 2009, doch sank die Zahl der Neuverträge von 6,4 auf 6,3 Millionen. Kein gutes Indiz für die Zukunft. Einziges Trostpflaster für die Assekurranz - das Geschäft mit den Einmalanlagen stieg um ein Drittel an, belegen die Daten des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungen.
Wie schwierig dieses Umfeld ist, das Privatanleger so ratlos lässt, musste auch John Paulson erfahren. Der Amerikaner und Hedgefondsmanager gilt spätestens seit der Immobilienkrise als geschickter Investor; immerhin hatte er inmitten jener Krise Milliarden Dollar verdient. Indem er nüchtern auf den Sturz entsprechender Papiere spekulierte. Doch der nüchterne Blick, 2011 hat er offenbar gefehlt. Denn seit Jahresbeginn liegt Paulsons Vorzeigefonds, der Advantage Plus, bei einem Minus von 20 Prozent. Unter anderem, weil er Geld in den chinesischen Forstkonzern Sinoforest investierte, der offenbar den eigene Waldbesitz übertrieben darstellte. Kaum wurde das ruchbar, stürzte der Aktienkurs von Sinoforest ab. Wenn schon Paulson so danebenliegt - kein Wunder, dass sich die meisten Studienteilnehmer als sicherheitsorientiert einstufen.