Neue Anleihen Italien zahlt über 5 Prozent Zinsen

Neue Sorgen um Italiens Wirtschaft und Korrekturen am Sparpaket haben den großen Markttest des Landes belastet. Der hochverschuldete Staat hat neue Anleihen für fast acht Milliarden Euro ausgegeben, muss den Anlegern dafür aber trotz der jüngsten Stützungskäufe der EZB hohe Zinsen zahlen.
Colosseum in Rom: Von alter Größe kann sich Italien nichts kaufen - Investoren verlangen derzeit mehr als 5 Prozent Zinsen, wenn sie Italien Geld leihen

Colosseum in Rom: Von alter Größe kann sich Italien nichts kaufen - Investoren verlangen derzeit mehr als 5 Prozent Zinsen, wenn sie Italien Geld leihen

Foto: © Tony Gentile / Reuters/ REUTERS

Mailand - Das hoch verschuldete Land zapfte am Dienstag die Kapitalmärkte an und musste Anlegern für Staatsanleihen im Gesamtvolumen von 7,7 Milliarden Euro geringere Zinsen bieten als zuletzt. Bei der Emission von zehnjährigen Papieren lag die Rendite bei 5,22 Prozent. Das Finanzministerium hatte einen Anleihenverkauf von bis zu acht Milliarden Euro geplant. Investoren gaben Gebote von 10,4 Milliarden Euro ab.

Bei der vorigen Auktion Ende Juli hatte die Bruttorendite mit 5,77 Prozent noch den höchsten Wert seit elf Jahren markiert. Allerdings ist seitdem die Rendite am Zweitmarkt, wo bereits emittierte Anleihen gehandelt werden, von über 6 Prozent auf zeitweise unter 5 Prozent gesunken. Am Dienstag lag sie bei 5,1 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat jüngst ihr umstrittenes Ankaufprogramm von Staatsanleihen wieder hochgefahren. Fachleute gehen davon aus, dass die EZB vor allem italienische und spanische Papiere kauft und den hoch verschuldeten Staaten so unter die Arme greift. Am Erstmarkt darf sie jedoch nicht aktiv werden, um nicht direkt die Schulden der Staaten zu finanzieren.

Wegen seiner hohen Schuldenberge war Italien zuletzt immer stärker ins Visier der Finanzmärkte gerückt und musste am Kapitalmarkt zunehmend höhere Refinanzierungskosten zahlen. Mit einem Sparpaket von 45,5 Milliarden Euro will die Mitte-Rechts-Regierung Vertrauen zurückzugewinnen.

Italiens Wirtschaft könnte nach Einschätzung der Banca d'Italia im laufenden Jahr um weniger als 1 Prozent wachsen. Im kommenden Jahr könne das Plus noch darunter liegen, warnte das Direktoriumsmitglied der Notenbank, Ignazio Visco, am Dienstag. Dies könnte sich negativ auf den Haushalt auswirken und die Schwierigkeiten erhöhen, die es im Zusammenhang mit dem Abbau der Schulden gebe. Das Defizit gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird nach Einschätzung der Notenbank 3,8 Prozent im laufenden und 1,3 Prozent im kommenden Jahr betragen. Mit Hilfe des Sparpakets soll dann 2013 ein Plus zu Buche schlagen.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi packt sein drastisches Sparpaket nach heftigen Protesten vor allem aus den Kommunen noch einmal um und verzichtet auch auf eine neue Supersteuer. Nach langen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord streicht die Mitte-Rechts-Regierung aus dem Spardekret wieder die zunächst geplanten Zusatzsteuern von 5 bis 10 Prozent für Besserverdienende mit Jahreseinkommen von mehr als 90 000 Euro, wie Berlusconis Büro mitteilte. Die Regionen und Kommunen sollen um etwa zwei Milliarden Euro weniger als zunächst vorgesehen bluten müssen. Unterdessen warnte Italiens Zentralbank am Dienstag davor, dass die Sparmaßnahmen ohne Wachstumsschub in die Stagnation führen könnten.

In den jetzt beginnenden parlamentarischen Beratungen des Sparpakets will die Regierung neue Maßnahmen vorschlagen. So soll die Zahl der Parlamentarier halbiert werden. Zudem werden die Provinzen - Bindeglied zwischen Kommunen und Regionen - abgeschafft. Zusätzliches Geld in die leeren Kassen sollen dafür Fiskalmaßnahmen bringen, die Steuervorteile im Unternehmensbereich und Steuermissbrauch eindämmen. Eine zuvor ebenfalls diskutierte Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt auf 21 Prozent steht derzeit nicht zur Debatte.

Im Kampf gegen die tiefe Schulden- und Wirtschaftskrise hatte Berlusconi vor zwei Wochen dieses zweite, über 45 Milliarden Euro schwere Sparpaket in ein Gesetzesdekret gießen lassen. Zusammen mit einem ersten Sparpaket vom Juli über 48 Milliarden Euro sollen die Kürzungen einen Umfang von mehr als 90 Milliarden Euro haben. Nach der Kritik vor allem zahlreicher Bürgermeister, die gegen das Sparpaket demonstrierten, willigte Berlusconi in den Umbau der Maßnahmen ein, beharrt aber darauf, dass der Sparumfang gewahrt bleiben müsse.

Die Stimmung der italienischen Unternehmer hat sich im August überraschend aufgehellt. Der saisonbereinigte Index stieg auf 99,9 Zähler von revidiert 98,8 Punkten im Vormonat, teilte das nationale Statistikamt Istat am Dienstag mit. Von Reuters befragte Analysten hatten im Schnitt mit 97,0 Zählern gerechnet und den fünften Rückgang in Folge vorausgesagt. Die Firmen äußerten sich vor allem optimistischer zum Auftragseingang.

ak/rtr/dpa
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