Experten-Chat Wie gut informieren Finanzanalysten?
manager-magazin:
Heute hat Allianz kräftig verloren - der Grund dafür war angeblich eine Analystenkonferenz und eine Herabstufung durch die Experten. Können Analysten auch grosse Werte wie Allianz so drücken?
Andreas Nölting - mm: Offensichtlich schon. Auch wenn die wichtigen, großen Analysehäuser eigentlich so wichtige Werte wie Allianz selten zum Verkauf stellen. Und hier gibt es ja noch eine pikante Sonderheit.
Goldman Sachs hat herabgestuft und der jetzige Allianz-Vorstand Paul Achleitner war bis vor kurzem Geschäftsführer von GS. Dem wollte GS vielleicht eins auswischen.
manager-magazin: Es gibt aber auch den Vorwurf, dass Analysten mitunter zu Unternehmen gute, zu gute Kontakte haben?
Andreas Nölting - mm: Das stimmt. Die Analysten sprechen fast täglich mit den Unternehmen, die sie covern. Der Vorwurf kommt immer mehr hoch, weil die großen Investmentbanken Analyse, M&A sowie Asset Management aus einer Hand anbieten. Gerade die drei Marktführer Goldman Sachs, Merrill Lynch und Morgan Stanley besetzen weltweit diese elementaren Positionen im Investmentbanking.
manager-magazin: Da gibt es keine Abgrenzungen zwischen Beratung und Analyse?
Andreas Nölting - mm: Doch natürlich. Die Abgrenzungen heißen neudeutsch Chinese Walls und werden von einem Compliance Officer kontrolliert.
muko: Wie lange dauert es, bis eine Analyse veröffentlicht wird?
Andreas Nölting - mm: Von der Erstellung einer Analyse bis zur Veröffentlichung können mehrere Wochen vergehen.
Egerer: ..und in dieser Zeit werden zuerst die eigenen Kunden damit bedient?
Andreas Nölting - mm: Eigentlich muss ein Analysehaus alle Marktteilnehmer gleichzeitig informieren. Aber offensichtlich erhalten wichtige Kunden - institutionelle Investoren - die Ergebnisse schon vorher. Es gibt Studien, die zeigen, dass bereits 60 Prozent des gesamten Kurseffektes vor Veröffentlichung der Analyse stattfinden.
tobias: Welche Zukunft haben eigentlich noch die kleineren Häuser der Branche?
Andreas Nölting - mm: Deren Research gilt zuweilen als glaubwürdiger, weil sie keine M&A-Interessen haben.
manager-magazin: Aber es fällt auf, wenn sich ein kleineres Haus dann doch selbst in einem Unternehmen engagiert?
Andreas Nölting - mm: Es ist nie schön, wenn ein Analyst bei einer Emission bevorzugt bedient wird.
ollo: Ist es Analysten erlaubt, selbst mit Aktien zu spekulieren?
Andreas Nölting - mm: Bei Einhaltung von hausinternen Regeln ist es den Analysten erlaubt. Ein Analyst darf aber nicht die Werte kaufen, die er selber covert und er muss sämtliche Aktienkäufe über den Compliance Officer abwickeln. Er muss bei ihm kaufen bzw. die Kauforder einreichen.
Egerer: Oft kommt mir es so vor, als ob sich einige Analysten immer nur am Trend orientieren.
Andreas Nölting - mm: Das ist richtig. Der Trend ist meist eine tolle Kaufstory.
Denn die Analysten werden auch nach den Umsätzen bezahlt, die sie generieren.
Egerer: ....aber dafür brauch ich doch keine Analyse!
Wissmann: Gibt es wichtige und weniger wichtige Analysen?
Andreas Nölting - mm: Den Markt beeinflussen im wesentlichen die amerikanischen Banken Goldman Sachs, Merrill Lynch und Morgan Stanley. Wenn die ihr Urteil ändern, dann hat das schon ziemlichen Effekt.
willem: Welche Rolle spielen die Fondsmanager?
Andreas Nölting - mm: Fondsmanager und Analysten arbeiten eng zusammen. Die Fondsmanager sind die eigentlichen Exekuteure. Die bewegen letztlich die Kurse.
Egerer: ...da ahne ich gezielte Kursmanipulationen.
Andreas Nölting - mm: Das vermuten viele. Aber der Beweis fällt schwer
manager-magazin: Was ist, wenn Goldman Sachs einen Wert an die Börse bringt? Ist das eine Art Kurs-Garantie?
Andreas Nölting - mm: Eigentlich schon, weil die gewaltige weltweite Vertriebspower haben. Aber die letzten IPOs von Goldman Sachs liefen ja bekanntlich nicht so gut.
AxelP: Wie kommen Analysten auf ein konkretes Kursziel?
Andreas Nölting - mm: Das Kursziel ergibt sich rechnerisch aus den abdiskontierten cash flows der kommenden Jahre.
manager-magazin: Ist ein Kursziel konkreter als die Aussage market performer?
Andreas Nölting - mm: Ja klar, ein Kursziel sagt etwa 100 Euro in sechs Monaten. Man sollte aber auf die Adresse der Analyse achten.
Egerer: Wo bleibt bei einem Kursziel die Psychologie der Marktteilnehmer?
Andreas Nölting - mm: Die Psychologie ist wahrscheinlich noch wichtiger als das Rechenwerk. Das stimmt.
manager-magazin: Ein Kursziel in zwölf Monaten ist dann nicht viel wert?
Andreas Nölting - mm: Das kann man so nicht sagen. Häufig ist dieses Ziel bereits nach drei, vier Wochen erreicht.
willem: Kaufen Sie nach Empfehlungen von Analysten, und wenn ja, nach welchen?
Andreas Nölting - mm: Ich kaufe eigentlich mehr Fonds, weil ich sonst leicht in einen Interssenkonflikt komme.
flippig: Was halten sie von Analystentipps im Internet?
Andreas Nölting - mm: Gute Sache. Wenn sie aus seriöser Quelle stammen.
ollo: Könnten Sie eine seriöse Site nennen?
manager-magazin: Sie sind gerade bei einer.
Egerer: DaimlerChrysler ist fundamental unterbewertet (KGV etwa 9), aber der Kurs bewegt sich trotz guter Analysen nicht.
Andreas Nölting - mm: Da ist einfach die Aktienstory langweilig. Und es gibt Bedenken wegen drohender Rückgänge in den USA.
gneumann: Wie ist die Stimmung in den Vorständen gegenüber den vorwiegend jungen Analysten?
Andreas Nölting - mm: Die alten etablierten Vorstände sind sauer auf die frechen, jungen Analysten, die noch nie in einem Unternehmen gearbeitet haben. Machen können sie nichts. Die Finanzgewaltigen haben den Kampf gegen die Vorstände gewonnen.
tobias: Gab es Fälle, in denen Analysten offensichtlich eigene Interessen verfolgten?
Andreas Nölting - mm: Ja, die gibt es. Sind aber nur schwer öffentlich zu machen. Da wird natürlich von den Häusern viel verschwiegen.
kako: Glauben Sie dass es sich bei Analystenurteilen grundsätzlich um objektive, neutrale Meinungen handelt?
Andreas Nölting - mm: Ja und nein. Nach meiner Erfahrung sind Analysten hervorragend ausgebildet und haben tiefe Kenntnisse von den Unternehmern. Aber sie haben auch einen Arbeitgeber.
kako: Mehr oder weniger schon, aber das löst eine Kaufhysterie aus und dann kann man sie leicht beschuldigen.
ITB: Welche Fondsrankings bzw. -analysen können Sie empfehlen?
Andreas Nölting - mm: Feri-Trust in Bad Homburg macht regelmäßig gute und unabhängige Rankings.
manager-magazin: Daneben gibt es noch Micropal. Ein Ranking allein nach Performance macht nicht viel Sinn.
Egerer: Kommen eigentlich die Empfehlungen bsp. bei der 3Sat-Börse von der dahinterstehenden Bank oder sind es wirklich die persönlichen Meinungen der Spielteilnehmer?
Andreas Nölting - mm: Das weiß ich nicht.
kako: Was halten Sie von den Börsenzeitschriften Der Aktionär bzw. Euro am Sonntag?
Andreas Nölting - mm: Die bewegen die Märkte bei kleinen Werten. Woher sie die Info haben, das weiß ich nicht.
ITB: Wie beurteilen Sie die Rankings in FinanzTest (Stiftung Warentest)?
Andreas Nölting - mm: Ich denke, dass die ganz gut sind. Zumindest ohne Interessenkonflikte. Das fachliche Wissen kann ich nicht beurteilen.
manager-magazin: Wenn es bei Firmen um die tolle Kaufstory geht, wird dann der am besten bewertet, der sich am besten verkauft?
Andreas Nölting - mm: Ja, das nennt sich Aktienmarketing.
manager-magazin: Dafür gibt es dann auch Fachleute?
Andreas Nölting - mm: Das ist eine boomende Branche und heißt Investor Relations. Der Kurseffekt ist erheblich.
AxelP: Zielt Aktienmarketing nicht eher auf die Kleinanleger?
Andreas Nölting - mm: Ja, das ist richtig. IR wendet sich an Institutionelle.
manager-magazin: Wieviel bringt eine pointierte, gut verkaufte Story bei den Analysten bzw. an der Börse?
Andreas Nölting - mm: Da kann bis zu 30 Prozent Kusaufschlag über dem fundamental eigentlich gerechtfertigten Kurs geben.
manager-magazin: Aber es gibt auch Unternehmen, die sind nach einer negativen Analyse eher verschnupft?
Andreas Nölting - mm: Ein Viertel dieser Unternehmen brechen den Kontakt zu den Analysten ab. Das ist noch altes Denken
Egerer: Ich habe in der der Financial Times Deutschland gelesen, dass manche Investmenthäuser auch gerne Analysen zu einem bestimmten Wert herausgeben, wenn sie sich von diesem kurz später trennen wollen.
Andreas Nölting - mm: Genau. Da gab es kürzlich den Fall Ixos. Goldman Sachs hat eine Kaufempfehlung gegeben und ein paar Wochen später 600.000 Aktien verkauft.
manager-magazin: Bereits nachzulesen in der Ausgabe 5/00 von manager magazin oder online.
Egerer: Ich lese MM und TTD ;-)
manager-magazin: Welches Karriere-Ziel hat ein Analyst?
Andreas Nölting - mm: Einige wechseln zum Investmentbanking, andere werden Asset Manager.
marko: Und welche Ausbildung hat er in der Regel?
Andreas Nölting - mm: Die haben Medizin, Biologie und andere speziellere Fachrichtungen studiert.
manager-magazin: Aber selten in einem Unternehmen gearbeitet?
Andreas Nölting - mm: Genau. Dann werden sie weiter bei ihren Banken ausgebildet. Unternehmenspraxis wäre eigentlich von Vorteil.
Egerer: ...dann sind die Diplomnoten in den anderen Fächern also fast gleichgültig?
Andreas Nölting - mm: Da wird schon genau ausgewählt