Volkswagen Vorstand soll "perfekte Kurse zimmern"
Hamburg - Zahlreiche Anteilseigner kritisierten am Dienstag den Kurs von derzeit unter 45 Euro als zu niedrig. Das Volkswagen-Management müsse endlich mehr tun, um den Kapitalmarkt mit Informationen über die Konzern-Strategie zu versorgen, hieß es auf der Hauptversammlung (HV) des Konzerns am Dienstag.
"Es hat keinen Sinn, dass VW nur perfekte Autos baut", kritisiert der Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es sei ebenso nötig, "perfekte Kurse zu zimmern". Nur ein ausreichend hoher Börsenwert sichere ein Unternehmen wirksam gegen eine feindliche Übernahme. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die EU-Kommission die Sonderrechte durch das VW-Gesetz und damit den starken Einfluss des Landes Niedersachsen kippen werde.
Der größte europäische Autohersteller habe derzeit eine Börsenkapitalisierung von lediglich 18 Milliarden Euro, sagte der DSW-Vertreter weiter. Dies seien zwei Milliarden Euro weniger als der Börsenwert des wesentlich kleineren Konkurrenten BMW.
Konzern-Lenker Piech selbst räumte ein: "Auch uns gefällt der aktuelle Kurs der VW-Aktie nicht." Er kündigte ein Paket von Aktivitäten zur Pflege des Kurses an. Piech schloss den Kauf einer weiteren Lkw-Marke ausdrücklich nicht aus.
Der Vorstand musste harsche Kritik auch von institutionellen Anlegern einstecken. Ein Fondsmanager sprach von "Größenwahn" des Vorstandes beim Geldausgeben, etwa wegen der teuren Gläsernen Fabrik in Dresden. Ein Bankenvertreter sprach von "unterdurchschnittlicher Kursentwicklung" und ein Vertreter von Kleinaktionären rief nach "perfekten Kursen".
Piech wies im Gegenzug darauf hin, das als Mittel zur Kurspflege die Informationspolitik vor allem für Großanleger verbessert werden solle. Die Buchhaltung werde internationalen Standards angepasst. Außerdem würden bessere Ergebnisse den Aktienkurs beflügeln.
Piech hielt trotz dunkler Wolken über dem deutschen Automarkt an einer optimistischen Prognose für das Jahr 2000 fest: "Wir gehen für das Jahr 2000 von einer deutlichen Steigerung von Absatz, Umsatz und Ergebnis aus", sagte er. Damit widersprach Piech Presseberichten über einen angeblichen Gewinneinbruch. Die Auslieferungen stiegen von Januar bis April um 2,8 Prozent, wie Piech mitteilte. Die Marktschwäche in Deutschland und Großbritannien sei durch gute Exportmärkte ausgeglichen worden. Im laufenden Jahr will VW im seit Jahren defizitären Markt in Brasilien wieder schwarze Zahlen schreiben.
VW-Chef Piech: "Lassen Sie sich im Jahr 2003 überraschen"
Piech kündigte an, VW werde "in einem absehbaren Zeitraum" auch Nutzfahrzeuge in der mittleren Klasse von sechs bis 16 Tonnen anbieten. Nach der Übernahme von Scania klaffte hier noch eine Lücke im Angebot. Der Vorstands-Chef wies auf die guten Aussichten auf den Lkw-Märkten hin, deren Wachstumszahlen über denen vom Automarkt liegen würden. Ausdrücklich schloss er den Kauf einer dritten Nutzfahrzeugmarke nicht aus. Die Finanzierungsinstrumente dazu seien vorhanden. Eine Erhöhung des Scania-Anteils sei nicht geplant.
Piech machte zudem Andeutungen über eine Serienproduktion von Bugatti, deren Markenrechte VW im Zuge seiner Luxus-Offensive erworben hatte. "Lassen Sie sich im Jahr 2003 überraschen", erklärte Piech. Erst am Montag hatte der VW-Aufsichtsrat die Übernahme der restlichen 30 Prozent der Anteile am tschechischen Autobauer Skoda gebilligt.
Für das Jahr 1999 hatte VW ein Rekordergebnis beim Umsatz mit 147 Milliarden Mark und 4,9 Millionen abgesetzten Autos verzeichnet. Der Gewinn von 1,7 Milliarden Mark war der zweithöchste der Unternehmensgeschichte.
Für die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft für ehemalige Zwangsarbeiter hat VW 200 Millionen Mark bereitgestellt, sagte Vorstandsmitglied Jens Neumann.