Dax-Geflüster Die Hochzeits-Hausse

Hochzeit im Königshaus: Solche und andere Ereignisse scheinen die Investoren derzeit gegen schlechte Nachrichten zu feien. Der Dax zumindest gibt den VW Käfer - er steigt und steigt und steigt
Foto: dapdHamburg - Royalisten aller Länder, schaut auf diese Stadt. Blickt nach London. Wenn Catherine und Wills, pardon, William, durch das Kirchenschiff von Westminster Abbey schreiten, ein Erzbischof unnachahmlich Unverständliches murmelt und Europas Hochadel, wenig standesgemäß auf blankem Holzgebänk sitzend, ergriffen zum Zeuge wird, wie der Thronfolger Großbritanniens sein Ja-Wort gibt, wer mag da noch an schnöde Begriffe wie Inflation oder Staatsverschuldung denken. Briten sicher nicht; für so etwas wurde man früher nach Australien verschifft. Selbst deutsche Banker scheinen ins allgemeine Vivat einstimmen zu wollen. So dachte die Commerzbank in einer Studie sogar darüber nach, ob der Glanz dieser Hochzeit nicht auch den der Börsen zu mehren vermöge.
Yes, antwortet sie beflissen und stellt fest, dass in Jahren mit königlichen Hochzeiten der Börsenindex Dow Jones um durchschnittlich 5 Prozent gestiegen sei. Auch der deutsche Leitindex Dax lag der Commerzbank zufolge seit seinem Bestehen bei drei von vier großen Adelshochzeiten im Plus. 1999 zum Beispiel, Kenner der Lektüre in deutschen Friseurstuben werden sich erinnern, heirateten Prinzessin Caroline und Prinz Ernst August von Hannover - und der Dax gewann um rund 32 Prozent an Wert. Ein majestätischer Outperformer sozusagen, von denen es mehrere gab. Nur die Hochzeit des niederländischen Kronprinzen Willem Alexander mit Maxima trübt das Bild, der Index gab im gleichen Jahr um 44 Prozent nach. Ob so etwas im Fall der britischen Hochzeit überhaupt denkbar wäre, gar Tower-Haft ausgesprochen werden würde, mag dahingestellt bleiben. Der Dax zumindest, ganz wie der Kleinbürger in Heinrich Manns "Untertan", läuft bereits seit Tagen der neben der Hochzeitskutsche her und schreit Hurra. Genauer, seit fünf Tagen steigt der Index, völlig ungeachtet der Verschuldenskrise in Griechenland oder den ersten Warnschüssen der Agenturen gegen das amerikanische Vorzeige-Rating. Ungeachtet auch der lang verdrängten Inflation, die in Deutschland inzwischen bei 2,4 Prozent liegt. Schnitt, Szenenwechsel.
In Washington erklärt Ben Bernanke seine Sicht der Geldentwertung. Die habe zwar wegen der teureren Energie und der höheren Rohstoffpreise angezogen, sagte der Fed-Chef in der ersten Pressekonferenz in der 97-jährigen Geschichte der US-Notenbank nach dem Zinsbeschluss. Doch dieser Effekt sei nur vorübergehend. "Die Fed kann dagegen nicht viel tun, ohne die Wirtschaft aus dem Trott zu bringen", sagte er. Dass Inflation den USA möglicherweise ja gut zupass kommt, um die Schuldenlast zu reduzieren, sagt er nicht. Und in Frankfurt, bei den Amtkollegen bei der EZB?
"Wenig rosig"
Sie muss versuchen, einen Zins zu finden, der für fußkranke Länder wie Griechenland oder Portugal ebenso angemessen ist wie für das derzeit kraftstrotzende Deutschland und hat damit nur wenig Spielraum.
2,4 Prozent Inflation also - für Aktionäre eigentlich kein Problem. So beinhalten Sachwerte grundsätzlich einen gewissen Schutz vor der Geldentwertung. Aber eben nur, wenn die Unternehmen solide daherkommen und nicht zum Beispiel unter hohen Schulden ächzen. In der Summe sieht es für den Dax gar nicht schlecht aus. "Die Nettoverschuldungssituation der deutschen Unternehmen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert durch striktes working-capital-management in der Krise und hohe free-cash-flows", erklärt Christian von Engelbrechten, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund: "Die Unternehmen sind nun wieder in einer guten Ausgangslage, um Wachstumsinvestitionen vornehmen zu können und Übernahmen zu finanzieren, von denen wir die ersten bereits jetzt sehen. Die weiterhin niedrigen Refinanzierungskosten helfen hier ebenfalls." Aber etwas genauer hinzuschauen, dazu fordert Matthias Born von Allianz Global Investors auf.
"Es gibt Unternehmen mit einem sehr niedrigen Verschuldungsgrad im Dax und MDax - und welche mit hoher Verschuldung", sagt er. "Doch nur indexübergreifend zu vergleichen, nützt nichts, das muss auf Branchen aufgeteilt erfolgen. Und der Absatz beispielsweise muss auch stimmen." Eben jener Absatz hängt in Deutschland allerdings noch immer an der konjunkturellen Entwicklung der Welt, nicht an der Spendierlaune deutscher Konsumenten. Schon weil kaum ein Privatmann sich einen Lastwagen von MAN oder eine Bogenoffsetmaschine von Heideldruck kauft.
Daher gibt es schon ein paar Unebenheiten auf dem derzeit scheinbar so ebenen Pfad der Wohlstandsmehrung per Aktie. "Entgegen der landläufigen Meinung sind die Aussichten alles andere als rosig", findet zum Beispiel Harald Preißler. Chefvolkswirt des Anleihenmanagers Bantleon. "Vor allem mit Blick auf die chinesische Wirtschaft. Dort beginnen die geldpolitischen Bremsmanöver zu wirken. Und mit der üblichen Verzögerung von zwei bis drei Monaten wird die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft in den asiatischen Nachbarländern sowie bei den großen Investitionsgüterexporteuren zu spüren sein".
Werden solche Faktoren derzeit ignoriert? "Was die Stimmung unter den Investoren angeht, trifft dies zumindest partiell zu", sagt Roger Peeters, Leiter Research bei der Close Brothers Seydler Research. "Weniger von der (…) Bewertungsseite als vielmehr in Hinsicht auf das implizierte Risiko. In der Hausse wird dem Verschuldungsrisiko wie alle Risiken zumeist weniger Bedeutung beigemessen."
Fast ein bisschen wie bei der königlichen Hochzeitfeierlichkeiten - jetzt das Tamtam genießen, der Kater folgt noch früh genug.