
Containerfrachter, Tanker, Bulker: Welcher Schiffstyp die besten Chancen hat
Beteiligungen Welches Schiff ist das richtige?
Hamburg - "Keiner in der Schifffahrt hat mit einem solchen Turnaround gerechnet", sagt André Tonn. Tonn ist geschäftsführender Gesellschafter der Oltmann Gruppe, die seit den 80er Jahren mehr als 200 Schiffsfonds aufgelegt hat.
Er weiß also, wovon er spricht: Selten zuvor ist das weltweite Transportgeschehen zur See so massiv eingebrochen, wie in der vergangenen Wirtschaftskrise. Und selten gab es ein solches Comeback.
Zum Beispiel in der Containerschifffahrt, dem am schnellsten wachsenden Sektor. 2009 schrumpfte der Umschlag erstmals seit Jahren, und gleich um satte 10 Prozent. Hunderte Containerfrachter verloren ihre Beschäftigung und lagen ungenutzt in den Häfen auf.
Charterraten sind gestiegen
Dann jedoch die Wende: Mit der anspringenden Konjunktur zog auch der Welthandel wieder an. Der Containerumschlag in den 65 wichtigsten Häfen legte nach Zahlen des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL), Bremen, allein im ersten Halbjahr 2010 um 16 Prozent zu. Schiffe ohne Beschäftigung gibt es inzwischen kaum noch. Die Kaimauern am Hamburger Hafen zum Beispiel waren zeitweise vollständig besetzt.
Auch die Charterraten der Frachter, die in der Fondsbranche als Gradmesser viel beachtet werden, haben inzwischen in den meisten Segmenten wieder deutlich zugelegt.
Es dürfte daher nicht mehr lange dauern, bis das Angebot an klassischen Schiffsfonds, die die Beteiligung an einem Tanker, einem Massengutfrachter ("Bulker") oder einem Containerschiff offerieren, wieder zunimmt. Während der Krise hatten sich die Anleger nahezu vollständig von diesem Fondstyp abgewendet. Denn viele der Gesellschaften lieferten die versprochene Performance nicht, zahlreiche befinden sich noch immer in heftiger Schieflage.
Der richtige Zeitpunkt, wieder in Schiffsfonds zu investieren?
Dennoch stellen sich jetzt für Anleger vor allem zwei Fragen: Ist dies der Zeitpunkt, wieder in Schiffsbeteiligungen zu investieren? Und wenn ja, in welche? Welcher Schiffstyp hat die besten Aussichten?
Die Antworten sind schwer zu finden. Zwar dürfte es mit der Weltwirtschaft und dem Handel weiter aufwärts gehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) etwa geht in den kommenden Jahren von einem Wachstum der Weltwirtschaft um mehr als 4 Prozent pro Jahr aus, getragen vor allem von den starken Schwellenländern wie China und Indien.
Ob aber die Schiffsmärkte und die Charterraten in allen Bereichen den Aufwärtrend mitmachen werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist zum Beispiel die Entwicklung der Flottenstärke, die einhergeht mit einer Veränderung des Angebots an Frachtkapazität. Was nutzt es schließlich, wenn beispielsweise die Nachfrage nach Containerstellplätzen um 10 Prozent pro Jahr steigt, wenn gleichzeitig die Flotte um 20 Prozent wachsen sollte?
Auch die Experten betrachten die Sache differenziert. "Die Erholung der Charterraten wird nicht in jeder Schiffsklasse nachhaltig sein", sagt etwa Oltmann-Geschäftsführer Tonn. "Bei Großcontainerschiffen und Bulkern drohen Überkapazitäten. Moderne Mehrzweckfrachter bleiben stabil."
Torben Kölln vom Emissionshaus Buss Capital tendiert in eine ähnliche Richtung: Zurzeit bieten kleinere Containerschiffe die besten Aussichten. Ebenso sieht Kölln allerdings auch Chancen bei Handysize-Bulkern, Massengutfrachtern mit "handlicher" Größe also. Der Grund: "Die Hälfte der Flotte ist 20 Jahre oder älter."
Zwei Fachleute, zwei Meinungen also. Anleger können sich aber auch selbst ein Bild machen. Sie müssen nur auf die Daten schauen, die auch die Experten ihren Einschätzungen zugrunde legen: Gängige Prognosen zum Transportmengenwachstum zum Beispiel. Oder die Altersstruktur einer Flotte sowie vor allem die Einträge im Orderbuch, die Aufschluss darüber geben, welches Flottenwachstum künftig zu erwarten ist. manager magazin gibt einen Überblick über diese Daten für die wichtigsten Schiffsklassen.
Containerschiffe: Auf die Größe kommt es an
Von allen Schiffsklassen wächst die Containerschifffahrt langfristig am schnellsten. Vor der Krise legte der weltweite Containerumschlag jährlich um 10 Prozent und mehr zu. 2008 waren es lediglich 5 Prozent, 2009 kam der Einbruch: Minus 10 Prozent.
Inzwischen geht es wieder aufwärts. Schon während des vergangenen Jahres war eine Besserung zu bemerken. Im ersten Halbjahr 2010 dann legte der Umschlag in den 65 wichtigsten Häfen der Welt laut ISL um 16 Prozent zu.
Die Prognose des ISL ist ebenfalls optimistisch: Im Gesamtjahr 2012 ist ein Plus von 12 Prozent beim weltweiten Containerumschlag zu erwarten. Bis 2020 soll es dann jährlich um 6,8 Prozent aufwärts gehen, nach konservativer Schätzung, wie ISL-Experte Burkhard Lemper betont.
625 Schiffe mit 3,8 Millionen Stellplätzen bestellt
Auf der anderen Seite das Flottenwachstum: 625 Schiffe mit einer Kapazität von 3,8 Millionen Containerstellplätzen ("TEU") werden in den kommenden drei Jahren neu in Dienst gestellt, so das ISL. Das entspricht einem jährlichen Wachstum der gesamten weltweiten Containerschiffsflotte um 4 Prozent pro Jahr, was in Relation zum absehbaren Nachfrageplus nach Einschätzung von Lemper nicht dramatisch aussieht.
Entscheidend, so Lemper, ist jedoch der Blick auf die Größenklassen, der ein klares Übergewicht bei besonders großen Schiffen erkennen lässt. Allein 115 der aktuell bekannten Neubaubestellungen entfallen auf Riesenfrachter mit einer Tragfähigkeit von 12.000 TEU und mehr. Im Sektor 8000 bis 8999 TEU wurden zudem 75 Schiffe geordert.
Bei den kleineren Containerschiffen im so genannten Feederbereich dagegen wurde weniger bestellt. Und: In der Klasse bis 4000 TEU fahren wegen der allmählichen Entwicklung immer größerer Schiffe auch tendenziell ältere Pötte. Das Verschrottungspotenzial ist dort also größer.
Das ISL erwartet daher, dass die Flotte der kleinsten Containerfrachter in den kommenden Jahren schrumpfen wird. Das ist zum Teil dadurch gerechtfertigt, dass diese Schiffe im Laufe der Jahre auf einigen Routen sukzessive durch größere ersetzt werden.
Bei den besonders großen Schiffen dagegen steht eine problematische Entwicklung bevor, so Lemper. Zahlen des ISL zufolge wird die Flotte der Frachter jenseits der 7500 TEU bis 2012 um wenigstens 27 Prozent pro Jahr wachsen. Lempers Fazit überrascht daher nicht: Nachhaltige Charterratensteigerungen sind bei den Containerschiffen in den kommenden Jahren lediglich bei den kleineren Schiffen zu erwarten.
Bulker: Alle Wege führen nach China
Die Transportmenge in der Massengutschifffahrt, in der beispielsweise Kohle und Erz befördert werden, legte bislang um jährlich 3,5 Prozent im Schnitt zu. Selbst in der Krise rutschte der Wert lediglich hauchdünn ins Minus, weil China antizyklisch für Marktbelebung sorgte. Auch für das Transportmengenwachstum von 6 Prozent, das das ISL in den kommenden Jahren erwartet, sind in erster Linie die rohstoffhungrigen Schwellenländer verantwortlich.
Demgegenüber steht ein ordentliches Wachstum der Flotte: Aktuell 8400 fahrenden Bulkern stehen rund 3000 neu georderte gegenüber. Um durchschnittlich 10 Prozent wird die globale Flotte laut ISL in den kommenden drei Jahren zulegen. Die rasante Ausweitung der Transportkapazität wird zwar zum Teil durch die mangelhaften Hafenkapazitäten ausgeglichen, die dazu führen, dass Schiffe auch im Wartezustand vor der Hafenzufahrt Geld verdienen können.
Ein Problem gibt es aber dennoch: Sehr viele neue Schiffe stehen unmittelbar vor der Ablieferung. Allein 2011 wird die Flottenkapazität um 20 Prozent steigen, so ISL-Experte Lemper. "Das kann nicht gesund sein", sagt er. "Es wird Auswirkungen auf die Charterraten haben." Seine Prognose: In den kommenden ein bis zwei Jahren werden die Raten bei Massengutfrachtern "deutlich runterkommen".
Tanker: Auf in die Doppelhülle
Die weltweite Tankerflotte gewinnt gegenüber der Pipeline als Transportkonkurrenz weiter Marktanteile: Während die gesamte Menge transportierten Öls in der Vergangenheit langfristig um 2 Prozent stieg, legte sie in der Tankschifffahrt um 3 Prozent zu.
Nach der großen Krise, die auch der Tankschifffahrt einen Einbruch bescherte, steht allerdings auch hier ein enormes Flottenwachstum bevor. Laut ISL stehen weltweit 1343 neue Schiffe in den Orderbüchern. Bis Ende 2013 ist daher mit einem Kapazitätswachstum von jährlich mehr als 5 Prozent zu rechnen, so die Experten.
Auf den ersten Blick ist das kein großes Problem, so Experte Lemper. Schließlich müssen gegenwärtig im Rahmen des allgemeinen Austauschs veralteter Schiffe gegen neue mit einer doppelten Bordwand viele Tanker aus dem Betrieb genommen werden ("Phase-out").
Kritisch sieht der Fachmann aber die Häufung der Auslieferungstermine neuer Schiffe. Trotz Phase-out wächst die Flotte demnach allein 2011 um 8 bis 9 Prozent. Lempers Urteil steht daher fest: Die Charterraten in der Tankschifffahrt werden sich in den kommenden ein bis anderthalb Jahren kaum erholen.