Arbeitsrecht Abmahnung
Hamburg - Die typische Situation: Der Vorgesetzte ärgert sich über das Verhalten des Arbeitnehmers, längere Zeit still, dann mit mehr oder minder unüberhörbarer Kritik. Schließlich verliert er die Geduld und kündigt.
Der Arbeitnehmer hatte die Kritik natürlich zur Kenntnis genommen. Da Kritik aber grundsätzlich zum Arbeitsleben gehört, hatte er deren Bedeutung nicht richtig eingeschätzt und fällt deshalb trotz der Kritik bei Entgegennahme der Kündigung aus allen Wolken.
Den sich anschließenden Kündigungsschutzprozeß verlieren beide, denn typischerweise wird ein Abfindungsvergleich geschlossen, der für den Arbeitgeber wegen der fehlenden Abmahnung teuer ist und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz nimmt.
Wäre eine Abmahnung ausgesprochen worden, hätte der Arbeitnehmer die Ernsthaftigkeit der Situation hoffentlich erkannt und sich darauf eingestellt. Der Arbeitgeber hätte einen vertragsgerecht arbeitenden Arbeitnehmer gehabt, der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz erhalten. Beiden wäre eine viel belastendere Auseinandersetzung erspart geblieben, als sie mit einer Abmahnung verbunden ist.
Führungsqualität gefragt
Voraussetzung ist, beide behandeln das Problem der Abmahnung mit der gebotenen Sachlichkeit. Dabei gehört es zu den Führungsqualitäten eines Vorgesetzten, dem Arbeitnehmer die beiden Funktionen der Abmahnung zu erläutern. Die erste Funktion ist die Ausübung des arbeitgeberseitigen Rügerechtes. Dieses wird mit dem Ziel ausgeübt, den Arbeitnehmer zu vertragsgerechter Arbeit anzuhalten, nicht aber, ihn zu erniedrigen.
Das zweite Ziel ist es, den Arbeitnehmer vor einer Kündigung zu schützen. Er soll die Gelegenheit haben, sich auf das arbeitgeberseitige Verlangen nach vertragsgerechter Arbeit einzustellen. Erst wenn diese Ziele nicht erreicht werden können, steht eine Kündigung ernsthaft im Raum.
Die Abmahnung dient also vordringlich der Kündigungsvermeidung und erst in zweiter Linie der Kündigungsvorbereitung.
Inhalt, Form und Frist
Die Abmahnung ist der Hinweis des Arbeitgebers auf ein bestimmtes, stets konkret darzustellendes Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Dieses muss dem Verhalten, das der Arbeitgeber erwartet hätte, gegenübergestellt werden. Dazu gehört schliesslich die Warnung, im Falle wiederholten vergleichbaren Fehlverhaltens des Arbeitnehmers könne es zu einer Kündigung kommen.
Allein dieser Inhalt führt zu der Beurteilung, hier liege eine Abmahnung vor. Ohne einen solchen Hinweis ist die bloße Verwendung des Begriffs "Abmahnung" rechtlich unbeachtlich. Es genügt also nicht, ein Schreiben mit der Überschrift Abmahnung zu versehen oder in dem Kritikgespräch den Begriff zu verwenden.
Vor der Abmahnung miteinander reden
Bei aller inhaltlichen Härte (Kündigungsandrohung) sollte nicht nur der Ton sachlich sein, sondern auch der Vorgang sachgerecht behandelt werden. Dazu gehört es vor allem, den Sachverhalt vor Ausspruch der Abmahnung mit dem Arbeitnehmer zu erörtern, seine Einwände zu prüfen und darauf im Rahmen der Abmahnung einzugehen, wenn sie sich denn immer noch als notwendig erweist. In der Praxis ist das aber bei einer erheblichen Zahl von Vorgängen nicht mehr der Fall.
Bleibt es jedoch bei der Notwendigkeit einer Abmahnung, dann ist diese grundsätzlich nicht fristgebunden. Abhängig von der Schwere des Vorfalls und dem zwischenzeitlichen Verhalten des Arbeitgebers kommt jedoch eine sogenannte Verwirkung in Betracht. Empfehlenswert ist es, eine Abmahnung zeitnah, also innerhalb weniger Wochen nach dem Vorfall auszusprechen. Dabei sollte man sich aus Gründen der Beweissicherheit schriftlich erklären.
Die Reaktion des Arbeitnehmers
Ist der Vorhalt gerechtfertigt, dann sollte der Arbeitnehmer der Abmahnung keine weitere Bedeutung beimessen als die, sich nunmehr strikt an die Weisungen zu halten und sich weniger über die Abmahnung zu ärgern. Nur dadurch sichert er nicht nur den Erhalt des Arbeitsplatzes, sondern auch ein akzeptables Arbeitsklima.
Ist die Abmahnung hingegen ganz oder teilweise nicht berechtigt, dann gibt es für ihn drei Möglichkeiten. Die erste ist, die Abmahnung zu ignorieren. Solange sich der Arbeitgeber auf die Abmahnung beschränkt und sie nicht mit weiteren Maßnahmen verbindet (z.B. Lohnabzug), erleidet der Arbeitnehmer hierdurch rechtlich keinerlei Nachteile.
Sollte es doch zu einem Kündigungsschutzprozeß kommen oder auch nur zu einem Verfahren um den Inhalt eines Zeugnisses, kann sich der Arbeitgeber nicht mit dem Verweis auf die Abmahnung begnügen, sondern muß deren inhaltliche Richtigkeit darlegen und beweisen.
Will der Arbeitnehmer die Abmahnung nicht einfach hinnehmen, dann empfiehlt es sich, eine "Gegendarstellung" zu schreiben. Weitergehende Schritte sind möglich, wenn der Arbeitnehmer selbst aus dem Arbeitsverhältnis wegstrebt oder klarstellen will, welches zukünftige Verhalten denn nun zutreffend ist. Dann kann er die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen.
Auch in diesem Fall obliegt es dem Arbeitgeber, die Richtigkeit seiner Vorhaltung darzulegen und zu beweisen.
*Dr. Hans-Georg Meier ist Rechtsanwalt in der Anwaltssozietät Professor Hümmerich & Partner in Bonn, Köln, Halle und Dresden