Fondsgesellschaften Wagen statt Zagen
Hamburg - Wenn Fondsgesellschaften zur Pressekonferenz laden, besteht die Veranstaltung normalerweise aus zwei Teilen. Dem ersten, bei dem die Fondsgesellschaften oft genug froh sind, wenn er vorbei ist, und dem zweite Teil, der Kür. Der erste Teil, das ist die Bilanz des abgelaufenen Jahres, die Auskunft darüber gibt, wie viel Geld die Gesellschaft von den Anlegern hat einsammeln können. Der andere Teil, das ist der Blick in die Zukunft der Märkte, bei denen Chefvolkswirte und Anlagevordenker der Gesellschaften ihre Sicht der kommenden Jahre darlegen. Bei der DWS ist das nicht anders.
1,6 Milliarden Euro musste die Gesellschaft 2009 an ihre Kunden zurückgeben - nicht das, was man sich dort erhofft haben dürfte. Vor allem aus Geldmarktfonds flossen 10,7 Milliarden Euro ab. Doch bei Aktienfonds sammelte sie 5,9 Milliarden Euro ein. Bei Fidelity verbuchte man im gleichen Zeitraum Nettomittelzuflüsse von 902 Millionen Euro. Zumindest Fidelity fügt sich damit fast nahtlos in die hiesige Gesamtschau ein. Das gute Börsenjahr 2009 spülte der Branche in der Summe ein Plus von gut 52 Milliarden Euro in die Kassen, verraten die Statistiken des Bundesverband Investment und Asset Management (BVI). Ist nun, nach Abflüssen im Jahr 2008 im Höhe von fast 13 Milliarden Euro, alles in Butter? Nein.
Denn das Gros der Gelder stammt von institutionellen Investoren. 30 Milliarden steuerten sie bei. Vom Privatkunden kamen nur 2 Milliarden. Ist diese Unterscheidung allein journalistische Beckmesserei? Nochmals nein.
Denn der Unterschied macht sich in der Kasse der Unternehmen bemerkbar. Ein kurzer Exkurs: Mittelzuflüsse sind so wichtig, weil sie die Basis des Gewinns einer Fondsgesellschaft bilden. Denn die Manager zwacken sich davon eine Gebühr ab, die Verwaltungsgebühr. der Privatmann zahlt zum Beispiel für die jährliche Verwaltung eines Aktienfonds um die 1,5 Prozent, der Profianleger deutlich weniger. Aber gleichviel, Mengenrabatt gibt es auch beim Discounter.
Aktienfonds wiederum lohnen für die Gesellschaften eher als Geldmarktfonds. 1,5 Prozent im Jahr gegenüber 0,5 Prozent sprechen eine deutliche Sprache. Vor allem, wenn man weiß, dass ein Teil dieses Geldes an den Vertrieb fließt - zum Beispiel die Bank, die dem Kunden einen Fonds empfiehlt. Kein Wunder also, wenn die DWS voll Stolz berichtet, sie habe fast 6 Milliarden Euro für ihre Aktienfonds einsammeln können. Die Flucht der Anleger aus den Geldmarktfonds des Hauses - netto flossen über 10 Milliarden Euro ab - fällt da weniger ins Gewicht.
Sei's drum, in der branchenweiten Summe sind die Mittelzuflüsse noch immer ein gutes Signal. Denn je mehr Geld eine Fondsgesellschaft verwaltet, umso mehr bleibt für sie übrig. Die Branche weiß allerdings aus leidvoller Erfahrung, wie fragil so ein Zustand ist. Und so achtet sie mit gespitzten Ohren auf Signale, die dessen Ende bedeuten könnten. Ein Kippen der Stimmung, wie es mit einer neuen Schließungswelle der Immobilienfonds einhergehen könnte. Oder mit weiteren Rücksetzern an der Börse. Ja, was wäre dann, räsonierte man auch auf der Fondsmesse in Mannheim.
Baustellen entschlossen angehen
Eine offenbar verzagte Branche - dabei gälte es zu wagen. Und zum Beispiel von den Versicherungen zu lernen. Jeder Deutsche, vom Baby bis zum Greis, so lehrt uns die Statistik, hat eine Lebensversicherung. Davon sind Fonds noch weit entfernt. Das mag auch eine Frage des Images sein. Geldanlage, das hat bei vielen Deutschen auch sechzig Jahre nach Gründung des ersten Fonds hierzulande, des Adig Fondra, noch immer einen gewissen Beigeschmack, irgendwo zwischen Gordon Gekkos technokratischer Glitzerwelt und dem Hinterzimmermief von Aktienclubs. Eine Lebensversicherung hat man - aber einen Aktienfonds? Es hilft der Fondsbranche vermutlich auch nur wenig, dass die meisten Produkte nur für bestimmte Marktphasen taugen. In einer Baisse lässt sich mit Aktienfonds gemeinhin kein Blumentopf gewinnen. Wohl aber zum Beispiel mit Anleihenfonds. Manchem Kunden ist so ein Hin- und Herschalten zuviel - und er entschwindet zur Konkurrenz. Sei es zur Lebensversicherung oder sei es zu den Zertifikaten. Insofern gut, dass immer mehr Produkte auf den Markt kommen, die dem Anleger diese Arbeit abnehmen. Nun müssen die Kunden noch mitziehen.
Doch die zaudern schon fast traditionell. Während der Fondsgedanke in den USA und England weit verbreitet ist, sind Fonds in Deutschland zwar inzwischen bekannter als noch vor zehn Jahren, doch zum Allgemeingut sind sie längst noch nicht geworden. Vielleicht ist das auch eine Folge der Konstruktion. Die Lebensversicherung kauft der Kunde, zahlt dreißig Jahre ein - und bekommt das Geld dann ausgezahlt. Gedanken muss er sich in der Zwischenzeit nicht machen. Da hilft es natürlich, dass es teuer ist, in den ersten Jahren der Laufzeit auszusteigen. Denn anders als bei Fonds bekommt der Vertrieb gleich zu Anfang eine große Summe ausgezahlt, der Zillmerung sei Dank. Einzelne Fondsgesellschaften haben das System getestet, aber schnell wieder fallen lassen.
Bleiben wir beim Thema Gebühren. In einer idealen Welt würde der Berater, honorig und kompetent, seinen Kunden über die Produkte und Strategien informieren und dafür über einen Stundensatz entlohnt werden. In einer idealen Welt. In der Realität bezahlt die Gesellschaft, Lebensversicherung oder Fondsanbieter, de facto den Berater. Je teurer ein Produkt also ist, umso lockender ist es. Für den Vertrieb. Bislang gibt es nur wenige Berater, die sich mit einem Stundensatz entlohnen lasse - und nur wenige Kunden, die das begrüßen. Sicher, den Wettbewerb auch zwischen den einzelnen Fondsanbietern würde so eine Konstruktion verschärfen. Denn der Berater würde nicht mehr den teuersten Fonds verkaufen. Sondern den, der dem Kunden am angemessensten ist. Umso wichtiger wäre es für die Anbieter, ihr Profil zu schärfen. Zum Beispiel, indem Fonds mit geringem Volumen konsequenter geschlossen werden würden. Und nicht jede Produktneuheit, die zum Beispiel die Zertifikatebranche kreiert, kopiert wird. Bei der DWS in Frankfurt nennt man das Konzentration auf Kernprodukte. Und Performance-Gebühren nur dann genutzt werden, wenn sie angemessen konstruiert sind - nämlich Vorjahresverluste erst einmal aufgeholt werden müssen, bevor diese Gebühr fällig wird.
Es geht aber noch weiter. Der Versicherungsbranche ist es gelungen, ihr Produkt emotional aufzuladen, wie es die Werber nennen. Sicherheit und Vorsorge ergeben ein sorgenfreies Alter dank Versicherung, so lautet die Rechnung. Und Chapeau - die jüngste Filmkampagne der Branche setzt noch einen drauf. Dort geht es gar nicht mehr um bestimmte Produkte oder Firmen, es geht um Deutschland, es geht um das, was wichtig ist. Freunde oder Geborgenheit werden genannt. Und wo ist das "Du bist Deutschland" für Fondsanleger?
Trotz eines guten Jahrs 2009 möchte man den Anbieter daher zurufen - weniger zagen, mehr wagen. Ob sie es hören?