Versicherungen Nachschlag für Millionen Kunden
Hamburg - Das Landgericht Hamburg hat am Freitag Vertragsklauseln von drei großen Versicherungsunternehmen für unwirksam erklärt. Geklagt hatte die Hamburger Verbraucherzentrale. Etwa 24 Millionen Verbraucher, die ihre Kapitallebens- oder Rentenversicherungen zwischen 2001 und 2007 gekündigt haben, so Verbraucherschützerin Edda Castelló, "können nun Nachschlag verlangen", weil die Rückkaufswerte zu niedrig angesetzt seien. Sie schätze, die Versicherungswirtschaft müsse nun rund 12 Milliarden Euro an die Verbraucher zahlen.
Die Verbraucherzentrale hatte in einem über zwei Jahre dauernden Prozess die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Hamburg-Mannheimer, des Deutschen Rings und der Generali (Volksfürsorge) angegriffen - und bekam nun weitgehend Recht (Aktenzeichen: 324 O 1116/07, 1136/07, 1153/07). Die Verbraucherzentrale bietet im Internet Musterbriefe für Erstattungsansprüche an. "Betroffene sollten sofort ihre Ansprüche anmelden", hieß es. "Die Versicherer werden die Kunden nicht von sich aus informieren, sondern das Problem aussitzen."
Die Vertragsklauseln, so die Richter, seien nicht transparent genug gewesen, die Tabellen der Versicherungen hätten die darin bereits verrechneten Abzüge verschleiert. Dem Kunden sei "weder das volle Ausmaß seiner wirtschaftlichen Nachteile bei einer Kündigung vor Augen, noch wird eine Vergleichbarkeit mit anderen Angeboten, auch anderen Kapitalanlagen, erreicht", heißt es in der Urteilsbegründung.
Jedes Jahr werden nach Angaben der Verbraucherzentrale rund vier Millionen Kapital bildende Versicherungen gekündigt. Dann erst würden die Nachteile durch hohe Abschluss- und Vertriebskosten und die nachteilige Kostenverrechnung sichtbar. Die Kunden verlören oft mehrere Tausend Euro pro Vertrag. Dieser Missstand werde nun nicht beseitigt, aber gemildert. Wer kündigt, könne etwa die Hälfte des eingezahlten Geldes zurückfordern. Liege die Kündigung schon länger zurück, sei ein Nachschlag fällig. Überdies sei ein Stornoabzug - eine Art Kündigungsstrafe - nicht mehr erlaubt.
Laut Verbraucherzentrale folgt das Hamburger Landgericht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2005, mit der die seinerzeit bis Herbst 2001 verwendeten Klauseln beanstandet worden waren. Das Urteil schließt vorerst eine Lücke für Versicherungsverträge von 2001 bis Ende 2007 mit anderen, von den meisten Versicherern verwendeten Klauseln, bei neueren Verträgen greift das neue Versicherungsrecht. Eine Sprecherin des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GDV) ging davon aus, dass der Streit bis zum Bundesgerichtshof gehen wird.
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