Schwächelnder Export Bringt der Euro den Aufschwung in Gefahr?
Hamburg - "Das ist nichts, was wir uns gewünscht haben", sagt Olaf Wortmann, Konjunkturexperte beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). "Die Nachfragesituation ist schon schlecht. Da kommt die Euro-Entwicklung als Belastung noch obendrauf."
Die Maschinenbauer zählen zu den am stärksten exportorientierten Branchen hierzulande. Sie leiden daher besonders heftig unter dem seit Monaten zunehmenden Wert der europäischen Gemeinschaftswährung.
Zuletzt stieg der Euro im Vergleich zum US-Dollar am Mittwoch auf den höchsten Stand seit knapp 14 Monaten. Fast 1,50 Dollar kostet ein Euro bereits wieder - im Frühjahr waren es noch 1,25 Dollar gewesen.
Meist werden für die Entwicklung vor allem drei Gründe angeführt: Inflationsängste, die Anleger in vermeintlich sichere Häfen wie Gold treiben und den Dollar daher schwächen, das amerikanische Haushaltsdefizit, das das Vertrauen in die US-Währung unterminiert, und schließlich die immer wieder aufkommende Diskussion um die Zukunft des Greenback als Weltleitwährung.
"Diese Ursachen sind bei genauer Betrachtung eigentlich nicht stichhaltig", sagt Lutz Karpowitz, Devisenstratege bei der Commerzbank. "Das ist aber nicht entscheidend. Da die Anleger an die Argumente glauben, beeinflussen sie auch den Markt."
Karpowitz sieht indes einen anderen Hauptgrund für die seit Monaten erodierenden Dollar-Wert: Die wieder in Schwung kommenden Carry-Trade-Aktivitäten am Markt. Als Carry Trade bezeichnet man ein Geschäft, bei dem ein Investor Geld in einem Land mit niedrigem Zinsniveau ausleiht, dieses dann in die Währung eines Landes mit höherer Verzinsung tauscht und dort anlegt.
"Diese Geschäfte laufen seit Monaten wieder gut", sagt Karpowitz. "Vor allem Hedgefonds sind sehr aktiv geworden." Die Besonderheit: Während früher vor allem Yen für solche Deals entliehen wurden, stürzen sich die Trader laut Karpowitz inzwischen auf die US-Währung. "Der Dollar ist wegen des niedrigen Zinsniveaus der Fed derzeit die Weltfinanzierungswährung schlechthin", so der Fachmann. "Viele Anleger setzen auf den weiter anhaltenden Abwärtstrend des Dollar und verstärken diesen gleichzeitig noch, weil sie immer mehr Geld aus den USA auf den Markt schwemmen."
"Wichtiger ist die Entwicklung der Weltwirtschaft"
Für die deutsche Wirtschaft kann das unangenehme Folgen haben. Konsumenten können mit einem starken Euro zwar im Ausland besser einkaufen. Ebenso verbilligen sich Importe aus dieser Region. Umgekehrt aber schwächt die Wechselkursverschiebung die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Waren auf den Weltmärkten.
Das heißt zum einen, dass deutsche Exporte teurer werden. Passend dazu meldete das Statistische Bundesamt vorige Woche erstmals seit vier Monaten wieder rückläufige Exportzahlen. Gleichzeitig sieht sich aber auch mancher Anbieter auf Nicht-Dollar-Märkten mit Konkurrenzangeboten aus dem Dollar-Raum konfrontiert, die plötzlich immer günstiger werden. Selbst auf dem deutschen Heimatmarkt kann das passieren.
Kein Wunder also, dass nicht nur die Maschinenbauer, die immerhin 15 bis 25 Prozent ihrer Produkte in den Dollar-Raum liefern, stöhnen. Auch die exportstarken Branchen Autobau und Chemie sind betroffen. "Das macht uns Sorgen", sagte dazu Volker Treier, Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, am Mittwoch in Berlin. "Wir machen uns keine große Hoffnung, dass von der Dollar-Seite eine echte Stärkung kommt."
Absturz rasanter als Anstieg
Lässt also der starke Euro das zarte Pflänzchen Konjunktur schon wieder eingehen, noch bevor die ersten Knospen wirklich aufgegangen sind? Bei aller Sorge: Die Experten glauben nicht daran. Bei den Maschinenbauern etwa heißt es, der Wechselkurs sei zwar eine Komponente. Entscheidend aber sei die Entwicklung der Nachfrage.
"Der starke Euro dämpft den Export und daher letztlich auch die konjunkturelle Erholung", meint auch Michael Bräuninger, Volkswirt am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). "Wichtiger ist aber die Entwicklung der Weltwirtschaft und der daraus entstehenden Nachfrage." In die aktuelle Prognose des HWWI, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, ist laut Bräuninger die Euro-Stärke schon berücktsichtigt. Das HWWI geht im kommenden Jahr trotzdem von einem Wachstum von 1 Prozent aus - nach einem Minus von 5 Prozent im laufenden Jahr.
Sollte sich der Euro-Chart allerdings weiter nach oben bewegen, dann wäre irgendwann auch diese Prognose wohl Makulatur. Aber ist das zu erwarten? Eher nicht, meint Devisenexperte Karpowitz von der Commerzbank. Nach seiner Beobachtung ist der Markt der Carry Trades bereits beinahe gesättigt, größere Aktivitäten daher kaum noch zu erwarten. "Wir sehen beim derzeitigen Niveau kein großes Aufwärtspotenzial für den Euro mehr", so Karpowitz. "Jetzt stellt sich eher die Frage, wann die Anleger ihre Deals wieder rückgängig machen, der Markt also in die andere Richtung kippt."
Nach Einschätzung von Karpowitz wird das passieren, sobald der Markt beginnt, über eine bevorstehende Zinssteigerung in den USA zu spekulieren. "Das erwarten wir frühestens 2010", sagt der Experte. "Der Absturz des Euro dürfte dann aber deutlich rasanter ablaufen, als der Anstieg."