Staatsfonds Die Verwandlung einer Supermacht
Hamburg - Sie sind überall, sie sind gut vernetzt - und sie sind reich. Staatsfonds, im Finanzjargon SWF genannt, kommen aus den Golfstaaten, aber auch aus Fernost oder Lateinamerika. In der Summe sind es allein 37 Staatsfonds, die jeweils mehr als eine Milliarde Dollar verwalten. Und mit 3,2 Billionen Dollar bündeln sie zusammen weit mehr Geld, als es die gefürchteten Hedgefonds mit rund 1,3 Billionen tun. Es ist auch viel mehr als jene 474 Milliarden Euro, die der gesamte Dax wert ist. Und dennoch ist jedes einzelne Dax-Unternehmen bekannter als Adia, der Staatsfonds aus Abu Dhabi oder Temasek, das Investmentvehikel Singapurs. Staatsfonds sind also eine stille Macht. Eine stille Macht, die sich regt.
John Nugée von State Street kennt ihre Entwicklung genau. Er hat mit seinen Kollegen George R. Hoguet und Andrew Rozanov diese Macht untersucht. Sein Befund: "Die SWF sind von der Krise genauso betroffen wie jeder andere auch. Es sind keine Zauberer, auch sie haben Fehler gemacht."
Und darum bewerten sich die Fonds neu. Eine Neubewertung mit nicht ganz klarem Ziel. Weg vom "unbekannten Schatten", weg vom "unerwarteten Retter" - und nun zum "unbekannten Sterblichen", so heißt es in der Studie.
Tatsächlich sind die Staatsfonds nicht mehr so stark wie vor der Krise. Kein Wunder, denn mit schwachen Rohstoffpreisen füllen sich die entsprechenden Staatssäckel auch nicht mehr so zügig. Und immerhin rund 70 Prozent aller verwalteten Gelder speisen sich aus eben jenen Öleinnahmen, so die State-Street-Erhebung. Damit stehen die Staatsfonds vor ähnlichen Herausforderungen wie andere Großinvestoren.
Zum Beispiel, wie sie künftig mit ihrem Geld umgehen wollen. Genauer, wie sie Liquidität einsetzen wollen. Denn die zentrale Lehre aus der Krise lautet - ohne Liquidität geht es nicht. "2008 haben sie die Liquidität entdeckt. Die wird künftig eine größere Rolle spielen", so Nugée gegenüber manager-magazin.de. Werden die schwerfälligen Staatsfonds künftig sich also kurzfristig am Aktienmarkt engagieren? "Seit 2008 waren einige Staatsfonds zum Beispiel deutlich aktiver. Einer hatte seine Beteiligung an Barclay zum Beispiel nur ein dreiviertel Jahr gehalten - und dann mit 50-prozentigem Gewinn verkauft", Christoph Hock, Mitbegründer der Fondsboutique Tungsten Capital Management. "Aber da von 'den Staatsfonds' zu sprechen, wäre sicherlich etwas zu generell gesprochen." Auch Nugée winkt ab. "Das heißt nicht, dass sie jetzt alle kurzfristig orientiert sein werden. Die allermeisten bekennen sich zu ihren langfristigem Anlagehorizont."
Die Krise als Katalysator
Die Krise war aber auch Katalysator einer anderen Erkenntnis. Und die lautet - Großinvestoren müssen sich nicht nur finanziell einbringen, sondern ihre Beteiligungen auch bei der unternehmerischen Arbeit unterstützen. Anfangs verzichteten sie darauf. Als nette Geste, so die State-Street-Studie. Sie wollten die Welt von der eigenen Lauterkeit überzeugen. Doch das ändert sich.
Zumal die Unternehmen inzwischen nach den Staatsfonds rufen. Und das mit realistischen Erwartungen. "Man weiß ganz genau, dass auch die SWFs nicht den Zauberstab schwenken können und Milliarden über ein sieches Unternehmen ausschütten können", sagt Nugée.
Und Experten wie die von State Street fordern, Staatsfonds sollten ihre Verantwortung wahrnehmen. Und zum Beispiel ihre Stimmrechte nutzen. Kein einfaches Unterfangen, wenn 68 Prozent ihrer Transaktionen ein Volumen von über einer Milliarde Dollar umfassen. "Es braucht eine Balance zwischen Passivität und Aktivität", räumt Nugée ein. "Ursprünglich waren SWFs passiv, das ist aber keine Lösung. Investoren dieser Größenordnung müssen sich einbringen, das hilft auch den Unternehmen. Zu aktiv dürfen sie allerdings auch nicht werden, da wäre ihre Macht zu groß."
Es war ein weiter Weg vom armen Krisenland zum aktiven Anleger. Das Öl war es, das diesen Weg möglich machte. Die Golfländer waren es daher, die die ersten Staatsfonds aus der Taufe hoben, um die Erträge aus dem Geschäft mit Öl und Gas zu sichern. Dazu kamen jene Länder wie China, die ihre Devisenreserven effizient verwaltet wissen wollten.
Sie alle verfolgen eine Strategie der kleinen Schritte, wie Mohamed El-Erian es in seinem Buch beschreibt, vormals oberster Vermögensverwalter des Stiftungsfonds der US-Universität Harvard und inzwischen Vorstandsvorsitzender der Fondsgesellschaft Pimco. Vom Schuldnerland über passive Geldverwaltung hin zum machtvollen Gläubiger. Kleine Schritte also, die inzwischen bei der großen Zahl angelangt sind. 3,2 Billionen Dollar verwalten sie inzwischen. Und in zehn Jahren sollen es mehr als sieben Billionen sein, schätzt die Deutsche Bank in einer aktuellen Studie.
Mahner vs. Milliarden
Damit haben die Staatsfonds inzwischen eine kritische Größe erreicht, schreibt das Centrum für Europäische Politik (CEP), das der Europäischen Union zuzurechnen ist. Mit anderen Worten - Staatsfonds sind für die Stabilität des gesamten Finanzsystems relevant. Züchten die Staaten nun ihre eigenen Heuschrecken?
Nein, winkt State Street ab. Die Staatsfonds seien weder Räuber noch Retter. Doch zum Beispiel die EU sieht einige Gefahren heraufdämmern, schreibt CEP selbst in einer Mitteilung bereits im Februar vergangenen Jahres. Staatsfonds könnten sich "zielgerichtet Technologie oder Know-how aneignen, das den strategischen Interessen des Landes nützt." Kein Wunder also, dass die Europäische Kommission noch im Februar 2008 ein Papier unter dem Titel veröffentlichte "Ein gemeinsames europäisches Vorgehen gegenüber Staatsfonds." Darin sprechen die Beamten von Befürchtungen, die die Staatsfonds wecken würden. Und verweisen zur Illustration auf die makroökonomische Seite, derzufolge das Wachstum der Staatsfonds ein Zeichen für die großen Leistungsbilanzungleichgewichte in der Weltwirtschaft seien. Die Lenker der Fonds müssten "unter Beweis stellen, dass sie eine Aufwertung ihrer Währung nicht künstlich verzögern, um mehr Auslandsvermögen für ihren Staatsfonds anhäufen zu können."
Der Spielraum der EU zumindest für Gegenmaßnahmen ist nicht gerade groß. Denn staatliche Einschränkungen ausländischer Investoren verbieten die eigenen wirtschaftlichen Leitlinien. Der freie Kapitalverkehr ist gesetzlich gewährleistet. Und in jenem Papier der Kommission heißt es: "Die Kommission lehnt die Einführung von Sonderrechten für Mitgliedstaaten zum Schutz einheimischer Unternehmen ab." Ein Seitenhieb Richtung Nicolas Sarkozy, der als französischer Präsident der Einführung eines eigenen Staatfonds das Wort redet, mittels dessen Frankreich den Einstieg missliebiger Investoren abblocken könnte? Gleichviel, denn ein offenes Investitionsklima unterstütze auch die Effizienz der Kapitalmärkte, so auch CEP.
Es bleibt der EU also nicht viel mehr, als an den guten Willen der Staatsfonds zu appellieren. Die Staatsfonds ihrerseits tun einiges, um den Westen genau davon zu überzeugen. Sie haben sich mit dem Santiago-Kodex im September 2008 einen freiwilligen Rahmen gegeben, der sie unter anderem zu mehr Transparenz verpflichtet. Und im Rahmen der Kuwait-Erklärung schufen sie das "International Forum of Sovereign Wealth Funds", in dessen Rahmen sie sich regelmäßig treffen wollen, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. "Diese Prinzipien sind ein erster Schritt, die es auch dem Westen einfacher machen. Das Gleiche gilt für das neue Gremium - immerhin sprechen SWFs so mit einer Stimme", so Nugée.
Entwarnung? Fast klingt es so. "Gerade die jetzige Wirtschafts- und Finanzkrise verdeutlicht doch selbst den diesbezüglich so skeptischen Deutschen, wie stabilisierend die Investitionen dieser Fonds wirken können - siehe etwa die Fälle Opel und Porsche" sagt auch CEP-Sprecher Ralf Jaksch. So hat sich der Staatsfonds aus Katar zu 10 Prozent an Porsche beteiligt, und das Unternehmen einstweilen so stabilisiert. Und am Donnerstag hieß es, der Fonds wolle 50 Prozent der Vorzugsaktien von Volkswagen (Kurswerte anzeigen) übernehmen. Immerhin, so viel Kritik gibt es dann doch, "es fehlt noch das Element der Kontrolle", sagt Nugée.
Dennoch wird die Welt die Stärken und Schwächen der Staatsfonds künftig klarer einschätzen, so die State-Street-Studie. Und die Staatsfonds könnten künftig mehr zur Diskussion der künftigen Gestaltung der finanzwirtschaftlichen Landschaft beitragen. Staatsfonds, die in Gremien diskutieren und unter der Krise leiden - wenn das keine Entzauberung ist. Und wie sieht die Zukunft aus? Sie fasst noch einmal Nugée zusammen: "Es liegt noch viel Arbeit vor uns."
Ölgeld für die Welt: Die Staatsfonds vom Golf