Leitzins auf Rekordtief EZB kauft für 60 Milliarden Euro Anleihen
Frankfurt am Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Donnerstag ihren Leitzins auf ein neues Tief gesenkt. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich die Geschäftsbanken bei der Notenbank Geld leihen, wurde um 25 Basispunkte auf 1,0 Prozent zurückgenommen, wie die EZB nach einer Ratssitzung mitteilte.
Das gelte erstmals für das am 13. Mai abzuwickelnde Geschäft, teilte die EZB weiter mit. Analysten hatten diese Reduzierung erwartet. Nach ihrer Einschätzung ist mit dieser geldpolitischen Lockerung das Ende im Zinssenkungszyklus erreicht worden.
Die Notenbank hatte ihren Leitzins zuletzt im April um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent gesenkt. Angesichts der weiter schrumpfenden Wirtschaftsleistung in der Eurozone hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet damals einen weiteren Zinsschritt nicht ausgeschlossen und auch eine Politik der quantitativen Lockerung in Aussicht gestellt.
Aufkauf von Anleihen im Volumen von 60 Milliarden Euro
Diese außergewöhnliche Maßnahme wird nun von der EZB ergriffen. So kündigte Trichet nach der Ratssitzung Refinanzierungsgeschäfte mit den Geschäftsbanken mit zwölf statt bisher sechs Monaten Laufzeit zu fixen Raten in unbegrenzter Höhe an. Damit soll die Kreditvergabe bei den Geschäftsbanken stimuliert werden. Die längere Laufzeit erhöht die mittelfristige Refinanzierungssicherheit der Banken und soll ihre Sorgen, sich über den kurzfristigen Horizont hinaus keine Liquidität beschaffen zu können, zerstreuen.
Trichet kündigte außerdem den Aufkauf von Unternehmensanleihen in einem Volumen von etwa 60 Milliarden Euro an. Die Details sollen bei der Sitzung am 4. Juni festgelegt werden.
Siebte Zinssenkung seit Oktober
Der neuerliche Zinsschritt der EZB vom Donnerstag war die siebte Zinssenkung seit dem vergangenen Oktober. Damals hatte der Leitzins bei 4,25 Prozent gelegen.
An den Devisenmärkten zog der Euro nach der Zinsentscheidung deutlich gegenüber dem Dollar an. Hatte er unmittelbar vor der Zinssenkung 1,3300 Dollar gekostet, so legte er bis 14.30 Uhr auf über 1,3345 Dollar zu. Die Aktienmärkte reagierten allerdings kaum auf den Zinsbeschluss.
Vor der EZB hatte die Bank of England mitgeteilt, dass sie ihren Leitzins auf dem historischen Tief von 0,5 Prozent belässt und dabei ihr Programm für den Ankauf britischer Staats- und Unternehmensanleihen erhöht. Demnach steigt das Volumen für Wertpapierkäufe um 50 Milliarden Euro auf 125 Milliarden Britische Pfund (141 Milliarden Euro). Der Pfund-Kurs sank nach Bekanntwerden der Nachricht deutlich.
"Nicht das niedrigst mögliche Niveau"
Die Leitzinsen in der Eurozone sind nach Einschätzung von EZB-Präsident Trichet unterdessen "angemessen". "Das derzeitige Zinsniveau ist aber nicht unter allen Umständen das niedrigst mögliche Niveau", sagte Trichet ebenfalls am Donnerstag.
Die Entscheidung habe berücksichtigt, dass der Preisdruck zunächst niedrig bleibe, sagte Trichet. Die mittelfristigen Inflationserwartungen in der Eurozone sind laut Trichet derzeit "fest verankert" und vereinbar mit der Inflationsdefinition der EZB.
Die Jahresinflationsrate werde zunächst weiter fallen und zur Jahresmitte dürften die Verbraucherpreise im Jahresvergleich sogar sinken. Im späteren Jahresverlauf dürften sie jedoch wieder anziehen. Solche kurzfristigen Schwankungen seien aber nicht relevant für die Geldpolitik. Die monetäre Analyse bestätige einen weiter nachlassenden Preisdruck, da das Wachstum der Geldmenge und der Kreditvergabe weiter zurückgegangen sei.
Die jüngsten Konjunkturdaten hätten erste Anzeichen für eine Stabilisierung der Konjunktur auf einem "sehr niedrigen Niveau" geliefert, sagte Trichet weiter. Das erste Quartal sei sehr viel schwächer als erwartet verlaufen. "Das zweite Quartal wird eindeutig nicht so schlecht wie das erste." Für den Rest des Jahres 2009 sollte die Wirtschaftsaktivität aber schwach bleiben. Eine schrittweise Erholung der Konjunktur erwartet Trichet im Jahr 2010.
Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte werde seit Sommer 2008 durch den Rückgang der Rohstoffpreise gestützt, sagte Trichet. Zudem sollte die Nachfrage durch die makroökonomischen Stimulierungen gestützt werden.
Die Abwärtsrisiken für diesen Ausblick liegen laut Trichet in möglicherweise noch stärkeren Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Konjunktur und einem zunehmenden Protektionismus. Zudem stelle eine ungeordnete Auflösung der makroökonomischen Ungleichgewichte eine Gefahr dar.
manager-magazin.de mit Material der Nachrichtenagenturen